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Runde 1 - 11.05.2006 |
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Svidler, P |
0,5 |
Topalov, V |
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Ponomariov, R |
0,5 |
Kamsky, G |
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Bacrot, E |
0:1 |
Anand, V |
Die Partien der 1.Runde...
Glanzvoller Start in Sofia –
Coelhos erster Zug
Von Dagobert Kohlmeyer

Das Grand Hotel

Presseansturm
In Sofia hat
am Donnerstag das hochkarätigste Schachturnier des Jahres begonnen. Der
brasilianische Schriftsteller Paulo Coelho führte am Brett von FIDE-Weltmeister
Weselin Topalow den ersten Zug aus. Er schnappte sich Peter Swidlers weißen
Königsbauern und setzte ihn auf das Feld e4.

Danach
verschwand der weltbekannte Bestsellerautor („Der Alchimist“) ganz schnell
wieder von der Bildfläche, um in der Hotellobby Kaffe zu trinken.
Coelho, der
auf Promotiontour in Bulgarien ist, logiert ebenso wie die Schachstars im Grand
Hotel Sofia, wo das Turnier stattfindet.

Coelho kiebitzt bei Pono-Kamsky
Zu einem
Interview war der Maestro allerdings nicht bereit. Seine Agentin schirmte alle
Annäherungsversuche rigoros ab. Nur die Aussage, dass er natürlich auch selbst
Schach spiele, konnten wir dem Südamerikaner entlocken.
Schon bei
der glanzvollen Eröffnung am Mittwoch war zu spüren, dass alle sechs Akteure des
doppelrundigen Kategorie-20-Turniers sich viel vorgenommen haben. Bulgariens
Staatspräsident Georgi Parvanov begrüßte die Teilnehmer mit Handschlag und
erklärte das M-tel Masters für eröffnet.

Parvanov, Makropoulos, Topalov, Danailov
Zum
Höhepunkt des Abends wurde die Überreichung des Schach Oscars an Weselin Topalow.
Alexander Roschal, Herausgeber der russischen Schachrundschau 64, erinnerte an
die besondere Geschichte der Auszeichnung. Sie komme vom Range her gleich nach
dem Weltmeistertitel.

Sehr häufig
habe in der Vergangenheit der überragende Garri Kasparow die meisten Stimmen
erhalten. In den letzten Jahren war Vishy Anand mehrmals Preisträger und einmal
Wladimir Kramnik. Der Russe erhielt die Ehrung im Frühjahr 2001, weil er zuvor
in London seinen Landsmann Kasparow entthront hatte.

In diesem
Jahr hatten sich Journalisten und Persönlichkeiten des Schachs aus 68 Ländern an
der Abstimmung beteiligt, erinnerte Roschal. Topalow gewann verdient und mit
großem Vorsprung vor Anand. „Es haben ihn auch diejenigen als Nr. 1 gewählt, die
ihn nicht unbedingt lieben“, erklärte Alexander Roschal in seiner Laudatio
augenzwinkernd. Aber die Zahl derer werde immer weniger.
Auf der
Bühne neben Roschal stand Präsident Parvanov, der seinem Landsmann und
Nationalhero genau wie alle Anwesenden im Saale herzlich applaudierte. Nach
großem Gewühl und enormem Ansturm der Fotografen sowie Kameraleute musste
Topalow viele Fragen beantworten. Auch die unseres Reporters.

Eine ganze Nation schaut zu!
Gespräch mit Weselin Topalow
Herzlichen Glückwunsch, Weselin! Wie fühlt man sich, zum ersten Mal den Schach
Oscar gewonnen zu haben?
Das ist natürlich ein großartiger Preis. Nach meinen Erfolgen in
den vergangenen Monaten hatte ich etwas darauf spekuliert und gehofft, ihn zu
bekommen. Ich verstehe das vor allem als Anerkennung von Euch Fachjournalisten
für meine ganze Karriere. Ich kann mich nur bei allen bedanken.
Was
ist das Besondere an dieser Auszeichnung?
Es ist nicht nur ein Preis schlechthin. Man kann im Schach viele
Erfolge haben und großartige Ergebnisse erzielen. Aber so eine Würdigung macht
einen einfach stolz und glücklich. Ich stehe jetzt in einer Reihe mit den besten
Schachspielern der letzten Jahre: Kasparow, Anand und Kramnik. In der ganzen
Geschichte des Oscar haben immer die stärksten Schachmeister diesen begehrten
Preis gewonnen.
In Sofia
gibt es für dich wieder ein Heimspiel. Was hast du dir für dieses M-tel Masters
vorgenommen?
Wie du weißt, versuche ich in jedem Turnier zu gewinnen.
Natürlich gelingt das nicht immer. Zu Hause ist meine Motivation
verständlicherweise besonders groß. Die ganze Nation schaut mir jetzt praktisch
wieder über die Schulter. Das war schon im vergangenen Jahr so. Aber die Gegner
sind alle sehr stark. In der ersten Runde habe ich Schwarz gegen Peter Swidler.
Das wird schwer genug. Ich will wie immer mein Bestes geben.
Nach
langem Hin und Her ist das WM-Vereinigungsmatch gegen Wladimir Kramnik nun unter
Dach und Fach. Warum hast du dem Duell in der Steppe zugestimmt und siehst du
dich dort als Favoriten?
Nun, das sind zwei gute Fragen. Aber ich möchte jetzt über dieses
Thema nicht weiter Auskunft geben. Erst einmal konzentriere ich mich voll und
ganz auf das M’tel Masters. Über meine hiesigen Gegner spreche ich gern, über
Wladimir Kramnik später. Reden wir meinetwegen beim Turnier in Leon darüber.
Dieser Schnellschachevent ist mein letzter Wettbewerb vor dem WM-Kampf in Elista.
Ich nehme das Match gegen Kramnik sehr ernst.

Dann badete
Topalow weiter in der Menge. Seine begeisterten Landsleute, vom hochrangigen
Politiker, über Ladies der bulgarischen High Society bis zum sechsjährigen
Schacheleven, konnten nicht genug von ihrem Nationalhero bekommen. Geduldig
beantwortete Weselin Fragen und ließ sich fotografieren. Er war einer der
letzten, die das Eröffnungsbankett verließen. Da hockten seine Kontrahenten
schon längst in ihren Zimmern und bereiteten sich auf den ersten Spieltag vor.

Silvio Danailow mit seinem ersten Trainer und seinem Vater
Und diese
Auftaktrunde hatte es gleich in sich. Erster Gewinner war Vishy Anand, der
Etienne Bacrot mit Schwarz nach 54 Zügen in einem Schwerfigurenendspiel bezwang.
Der Franzose hatte zunächst heftig angegriffen, und vier Bauern von ihm standen
in der Brettmitte bereits auf der vierten Reihe. Anand blieb jedoch cool, und
Bacrot wusste in der anschließenden Pressekonferenz nicht auf Anhieb zu sagen,
wo er den Spielfaden verloren hatte. Jedenfalls kassierte Anand einen Bauern
nach dem anderen, so dass seinem Gegner am Ende nichts anderes übrig blieb, als
Vishy zum ersten Sieg zu gratulieren.
Ruslan
Ponomarjow knetete Gata Kamsky in einem Spanier viele Stunden lang, bis nur noch
Läufer gegen Springer bei je drei Bauern auf dem Brett waren. Remis.


„Wir
spielten etwa 25 Theoriezüge und dann waren nur noch zwei Figuren übrig.
Natürlich hätte ich mit Weiß gern gewonnen, aber Remis ist kein schlechtes
Startergebnis“, erklärte Ponomarjow den Journalisten. Gata Kamsky nickte
zustimmend und wollte dem keine längeren Kommentare mehr hinzufügen.

Die längste
Schlacht lieferten sich Peter Swidler und Weselin Topalow. In dem Sizilianer gab
es nach fast sechsstündigem Kampf eine Zugwiederholung und damit Remis. Topalow
lobte Swidlers Spiel, mit dem er alle Klippen umschifft habe.
Am Freitag
kommt es zur Spitzenduell des ersten Durchgangs zwischen Topalow und dem
führenden Anand. Von einer Vorentscheidung wollte Weselin auf meine Frage noch
nichts wissen: „Das Turnier ist noch lang“, sagte der bulgarische Schachheld
beim Abgang aus dem Pressezentrum.
Texte und
Fotos: Dagobert Kohlmeyer