ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024
ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan
Sofioter Impressionen
Von Dagobert Kohlmeyer
Die Alexander Newski-Kathedrale
Das erste Drittel des WM-Matchs in Sofia ist vorbei, Zeit für eine erste Bilanz.
Der Weltmeister hat nach seinem Fehlstart die Regie übernommen und führt nach
vier Partien völlig verdient mit 2,5:1,5 Punkten.
Seit dem dritten Spiel bin ich vor Ort. Nachdem es remis ausging, sagte Pressesprecher Boiko Christow zu mir „You are a peacemaker“. - „Ich bin nicht sicher, Frieden zwischen beiden Parteien stiften zu können. So friedlich geht es doch hier am Brett nicht immer zu“, erwiderte ich, nicht ahnend, was für einen glänzenden Sieg Anand am nächsten Spieltag landen würde. Aber der Reihe nach.
Der Militärclub, daneben die russische Kirche
Von der Vulkanwolke aufgehalten, so wie Millionen andere Zeitgenossen, kamen
Anand und sein Team erst mit vier Tagen Verspätung in Sofia an. Durch einiges
Verhandlungsgeschick gegenüber den beinarten Organisatoren konnte
FIDE-Vizepräsident Makropoulos erreichen, dass mit dem Spiel einen Tag später
begonnen wurde. Drei Tage Verschiebung, wie von Vishy gewünscht, wären aus
vielen Gründen nicht machbar gewesen. Ich fragte den Griechen, der hier als
Chefberater der FIDE die ganze Zeit vor Ort ist, wie Iljumschinow reagiert habe.
Makropoulos: „Ich konnte ihn in einem Telefonat überzeugen, dass es für den
Weltmeister und die Atmosphäre das Matchs gut sei, so zu entscheiden. Kirsan
stimmte sogleich zu.“
Das hätten wir also geklärt. Nun muss zur WM-Eröffnung noch
etwas gesagt werden. Laut Protokoll saßen Topalow, der bulgarische
Premierminister Borrisow und FIDE-Chef Iljumschinow in der ersten Reihe auf der
einen Seite, Anand und der indische Botschafter auf der anderen. Boiko Borrisow
unterhielt sich angeregt mit seinem Landsmann Topalow und nahm von Anand
keinerlei Notiz. Ein FIDE-Offizieller musste ihn darauf aufmerksam machen, dass
dort der Schachweltmeister sitzt. Nach sieben (!) Minuten bequemte sich der
Premier endlich, Anand zu begrüßen. Wie aus diplomatischen Kreisen verlautete,
hat die verspätete Geste des Regierungschefs des kleinen Balkanlandes im großen
Indien, wo über eine Milliarde Menschen leben, keine Begeisterungswellen
ausgelöst.
Damit nicht genug. Vor dem ersten Zug am vergangenen Samstag schleppte Borrisow
einen bekannten Boddybuilder des Landes auf die Bühne. Dass dieser mit Schach
aber überhaupt nichts am Hut hat, konnte jeder sehen. Ein gutes Werk tat Borisow
aber am ersten Spieltag dennoch. Er nahm ein paar Schachrentner, die gegen den
Eintrittspreis von etwa 5 Euro protestierten, mit seinen Sicherheitsleuten
gratis TV-wirksam mit in den Spielsaal.
Borrisow eröffnet den Wettkampf
Über das hiesige schachliche Geschehen ist auf den ChessBase-Seiten schon viel
geschrieben worden. Auf vielen Portalen werden die Partien weltweit heiß
diskutiert, vor Ort kommentieren Exweltmeisterin Antoaneta Stefanowa (in
Bulgarisch) und Zurab Asmaiparaschwili (in Englisch) die Partien.
Antoaneta Stefanowa
Die Russen haben gleich mehrere Webseiten, wobei mir die
Kommentare von Sergej Schipow am besten gefallen. Er nannte Anands Damenzug nach
a3 in der zweiten Partie die Neuerung des Jahres. In der Tat hat dieses Manöver,
wider alle Schachprinzipien, ein Riesenecho ausgelöst.
Artur Jussupow, der gerade in Frankreich ist, schwärmt davon, wie Anand
Katalanisch vorträgt: „Er erinnert mich an Kramnik und hat quasi eine Anleihe
bei ihm aufgenommen. In der vierten Partie konzentrierte sich Topalow zu sehr
auf die Ereignisse am Damenflügel und ließ die Sicherheit seines Königs außer
Acht. Den schwarzen Zug 20…h6 halte ich für einen Fehler. Anand nutzte das
ungenaue Spiel sofort zu ein paar Keulenschlägen. Er opferte mit 23.Sxh6 und dem
kräftigen 25.e5! mehrere Figuren, wonach die schwarze Stellung zusammenbrach.
Das gewonnene Material nützte Topalow nichts, er konnte das Eindringen der
weißen Armee nicht verhindern. Ein großartiger Angriff des Weltmeisters.“
Konzentration vor der Partie
Start der 4.Partie
Vishy Anand zeigt bei dieser WM in Sofia, dass er universell ist und in jedem
Stil spielen kann: scharf attackieren oder eine Position strategisch klug zum
Sieg ausbauen. In dieser Form ist er ganz schwer zu schlagen. Aber das Match ist
natürlich noch längst nicht gelaufen. „Topalow muss jetzt auf seine Chance
warten“, meint Jussupow. „Wenn er sie bekommt, kann er durchaus zurückschlagen.
Es sind ja noch acht Partien zu spielen.“
Anand zeigt sich auf der Pressekonferenz zufrieden
"Was soll ich sagen?"
Etwas auf Distanz
Schon nach der 3. Partie war Wesselin Topalow sichtlich enttäuscht. Anand hatte
dort das solide Slawisch gewählt, so dass der Bulgare den Weißvorteil nicht wie
zum Auftakt nutzen konnte. Am Ende musste der Herausforderer sich mit dem
mageren Remis begnügen. Als die Läufer im 33. Zug vom Brett verschwanden, war
die Luft aus der Partie, das Endspiel konnte keiner mehr gewinnen. Topalow gab
noch Dauerschachs, dann signalisierte Anand dem Schiedsrichter Zugwiederholung,
was die Punkteteilung perfekt machte. Direkt sprach er Topalow nicht an.
Topalow und die Schiedsrichter
Vor der 3.Partie
Beide Spieler verzichteten nach dieser Partie erstmalig auf
den Händedruck. Darauf angesprochen, sagte Anand, „ich war nicht sicher, ob mir
mein Gegner die Hand reichen würde.“ Topalow bemerkte mit verlegenem Blick, er
habe den Handshake schlicht vergessen. War es der Ärger oder die Aufregung?
Die Spieler gehen hier nicht nur am Brett auf Distanz, sie wohnen auch in
verschiedenen Hotels. Jeden Tag um 14.30 Uhr hält ein dicker Mercedes vor dem
Hilton in Sofia. Er holt den Weltmeister und dessen Frau Aruna ab, mit 70 km/h
brettern sie dann, von der Polizei mit Blaulicht eskortiert, durch die Stadt.
Die 2,5 Kilometer bis zum Militärklub legt der Konvoi, wenn es keine Staus gibt, in drei Minuten zurück.
Anand und Aruna steigen aus dem Auto
Und gehen zur Partie
Topalow logiert mit seinem Team im näher gelegenen Grand
Hotel. Er könnte das Stück zu Fuß gehen, lässt sich aber ebenfalls chauffieren.
Auf der Straße würden ihn die Autogrammjäger zu sehr bestürmen.
Kiprian Berbatow: „Topalow wird Weltmeister“
In Sofia trafen wir einen alten, jungen Bekannten: Kiprian Berbatow verfolgt
jeden Tag im Presseraum mit großen Augen die WM-Partien.
Kiprian Berbatow
Der Cousin des Fußballstars von Manchester United ist erst 14
Jahre alt und schon Internationaler Meister. Seine aktuelle ELO-Zahl beträgt
stolze 2481. Der Sohn eines Priesters stammt aus Blagojewgrad, etwa 90 km
südlich von Sofia. Mit vier Jahren begann der kleine Berbatow Schach zu spielen,
trainierte fleißig und wurde mehrmals bulgarischer Kindermeister. 2008 gewann er
die Europameisterschaft U12. Kiprians großes Vorbild ist Topalow. Der Junge
glaubt fest daran, dass der Bulgare trotz des Rückstandes noch Weltmeister wird.