Von Bettina Trabert
Während alle von der Krise reden, ist das Schachleben in Griechenland noch –
oder zum Teil wieder – äußerst lebendig. Als letztes in der Reihe von 15
griechischen Sommer-Opens wurde im September das 9. Schachfestival von Korfu
ausgetragen, wie schon vor zwei Jahren in Kooperation mit dem deutschen
Chess-Org-Organisator Jürgen Wempe. Auch wenn diesmal noch alles in relativ
kleinem Rahmen verlief, soll dies der Beginn einer regelmäßigen Turnierserie
sein, um die alte Schachtradition von Korfu wieder aufleben zu lassen –
schließlich wurde hier der erste Schachclub Griechenlands gegründet, und vor
genau 20 Jahren fand das erste stark besetzte internationale Open von Korfu
statt, wonach in den 90er Jahren auch diverse Weltklassespieler – darunter
Karpow, Kasparow, Timman und die Polgar-Schwestern – die Insel besuchten.
Ganz so große Namen waren diesmal zwar nicht dabei, aber die
Auftaktveranstaltung erregte dennoch einiges Aufsehen und wurde mehrfach im
lokalen Fernsehen ausgestrahlt: Ein Simultan mitten in der Fußgängerzone, an
einem der belebtesten Plätze der Stadt.
Die erste Mannschaft von Korfu wartet auf das Uhrensimultan gegen Arkadij
Rotstein, den Open-Sieger von 2007.
Letzte Besprechungen vor dem Start…
…und die Partien (und Arkadij) laufen. Auch wenn sie hier besonders
sorgenvoll dreinschauen, schafften Alexandros Georgiadis (links) und Manos
Nathanail (Mitte) beide mit Schwarz ein Remis.
Auf der anderen Seite drehte währenddessen Spyridon Skembris, der einzige
auf Korfu geborene Großmeister, seine Runden: Er trat gegen insgesamt 40
Spieler an.
In der Zwischenzeit spielte ich selbst einen Mini-Wettkampf mit zwei
Schnellschach-Partien gegen die amtierende griechische Meisterin Marina
Makropoulou, der nach zwei ausgekämpften Remisen 1-1 ausging.
Trotz des Wahlkampfes (in Griechenland wird Anfang Oktober gewählt) fanden
auch die Politiker Zeit zu kommen. Während Mr. Skourtis als Repräsentant der
Präfektur Korfu für mich e2-e4 ausführen wird, erklärt Marina dem
Vize-Bürgermeister der Stadt Korfu, Mr. Kouris, gerade ihren Gegenzug:
e7-e5.
GM Skembris ließ sich beim Simultan nur ein einziges Remis abknöpfen – und
das gelang Prof. Döhner aus Siegen! Der 79-jährige hat übrigens ein Stück
Schachgeschichte mitgeschrieben: 1970 gehörte er zu den Organisatoren der
Schacholympiade in Siegen.
Am nächsten Tag zog man dann um auf die Bühne des städtischen Theaters. Wie
man sieht, blieb allerdings der eine oder andere Zuschauerplatz leer – hier
ist noch einiges an Werbung zu tun!
Der Beginn der ersten Runde. Viele kamen nach Korfu, um Urlaub zu machen und
ein wenig Schach zu spielen, aber ein paar kamen (auch), um das Turnier zu
gewinnen:
Arkadij Rotstein aus Köln, der Sieger des Opens von 2007.
Auch Alexander Karpatschew gefällt es gut in Korfu: 2007 gewann er hier das
geschlossene GM-Turnier.
Zum ersten Mal in Korfu: Die ukrainische Schachlegende Oleg Romanischin.
Einer der hiesigen Schachfreunde fragte ehrfürchtig: Ist das wirklich der
Romanischin aus den Büchern?
Und schließlich Hristos Banikas, amtierender griechischer Meister und Nummer
1 der Setzliste. Bei einem relativ schwachen Mittelfeld waren die Partien
zwischen den Favoriten natürlich von großer Bedeutung:
Nein, dies ist noch nicht ganz die entscheidende Partie. Aber auch wenn die
11-jährige Eleni Tsolaki mit Elo 1700 hier recht schnell gegen GM
Karpatschew verlor, schlug sie im weiteren Verlauf unter anderen einen
echten 2200er und kam insgesamt auf 4 Punkte.
Hier nun das passende Bild: Eine der vorentscheidenden Partien, Banikas -
Rotstein, die zugunsten des griechischen Meisters ausging. Man beachte auch
das (erlaubte) Doping mit „Frappé“ – dem im Sommer sehr beliebten
griechischen Eiskaffee.
Nachdem Banikas noch eine etwas wacklige Partie gegen den deutschen IM
Dieter Morawietz zum Sieg drehen konnte, kam es zum erwarteten Siegertrio:
1. Banikas (Mitte), 2. Karpatschew (links) und 3. Romanischin.
Alexandra Stiri, Mitglied der griechischen Frauennationalmannschaft,
sicherte sich den Damenpreis im Open.
Den Seniorenpreis teilten sich Nikos Skalkotas – ein Urgestein des
griechischen Schachs und langjähriger Nationalspieler – sowie der Siegener
Prof. Hans-Jürgen Döhner, die beide auf 6 Punkte kamen.
Daneben gab es zahlreiche Rating- und Jugendpreise: Einen davon (einen
Ratingpreis) gewann auch Mitorganisator Jürgen Wempe, der sich hier nach
getaner Arbeit gemeinsam mit Spiros Skembris im Garten des Hotels Bella
Venezia vor dem hoteleigenen Freiluftschach erholt (das bei aller
Schachbegeisterung bei dieser Gelegenheit allerdings nicht zum Einsatz kam).
Der Turnierdirektor und Präsident des Schachclubs, Ioannis Revithis, spielte
zwar nicht im Turnier mit, nutzte aber immerhin jede freie Minute, um die
Spieler zum Blitz herauszufordern (hier WGM Marina Makropoulou).
Ex-Präsident Alex Koskoros hielt sich dagegen eher im Hintergrund, brachte
die Spieler aber mit täglich wechselnder T-Shirt-Philosophie, sowie mit
seinen eilends nach Beendigung der Partien angefertigten Rybka-Analysen des
Öfteren zum Nachdenken.
Allein der in einer computerfreien Zeit aufgewachsene GM Oleg Romanischin
zeigte sich von den Computer-Analysen meist wenig beeindruckt und bestand
darauf, dass die Computer nicht verstünden, um was es geht, und zu oft die
relevanten Varianten außer Acht ließen. Dafür erklärte er sich jederzeit
bereit zu einer ausführlichen Analyse am Brett (hier nach seiner Partie mit
Alexandra Stiri).
Dank des relativ späten Partiebeginns um 18 Uhr nahmen die meisten Spieler
die Gelegenheit wahr, morgendliche Ausflüge mit dem Auto, Bus, Fahrrad oder
auch zu Fuß zu machen. Hier noch ein kleiner Stadtrundgang durch die
Altstadt:
Der Spianada-Platz (direkt neben den Arkaden, wo das Simultan stattfand) ist
der größte und vielleicht auch schönste Platz Griechenlands. Am Wochenende
muss er oft für offizielle Kricket-Turniere herhalten. (Und falls Sie dabei
jemand sehen, der wie Nigel Short aussieht, ist er es wahrscheinlich
wirklich: Der in Athen lebende GM war schon häufiger als Kricket-Spieler in
Korfu aktiv!)
Der ehemalige Palastgarten am Ende des Spianada-Platzes.
Direkt gegenüber der Stadt liegt die alte Festung, in der heute Teile der
Universität untergebracht sind.
Auf dem Weg zum Theater kommt man am Rathausplatz vorbei.
Ein Blick auf Korfu in der Abendsonne.
Rk. |
|
Name |
FED |
Pts. |
TB1 |
TB2 |
1 |
GM |
Banikas Hristos |
GRE |
7,5 |
0,5 |
39,5 |
2 |
GM |
Karpatchev Aleksandr |
RUS |
7,5 |
0,5 |
39,0 |
3 |
GM |
Romanishin Oleg M |
UKR |
7,0 |
0,5 |
38,5 |
4 |
GM |
Rotstein Arkadij |
GER |
7,0 |
0,5 |
37,5 |
5 |
GM |
Skembris Spyridon |
GRE |
6,5 |
0,0 |
35,0 |
6 |
IM |
Morawietz Dieter |
GER |
6,0 |
0,0 |
33,0 |
7 |
|
Delithanasis Dimitrios |
GRE |
6,0 |
0,0 |
32,5 |
8 |
|
Simeonidis Ioannis |
GRE |
6,0 |
0,0 |
31,5 |
9 |
IM |
Skalkotas Nikolaos |
GRE |
6,0 |
0,0 |
31,0 |
10 |
FM |
Pountzas Hrisanthos |
GRE |
6,0 |
0,0 |
31,0 |
11 |
|
Akstinat Sven-Holger |
GER |
6,0 |
0,0 |
29,5 |
12 |
|
Doehner Hans-Juergen Prof |
GER |
6,0 |
0,0 |
29,0 |
13 |
FM |
Gazis Efstathios |
GRE |
5,5 |
0,0 |
33,0 |
14 |
WIM |
Stiri Alexandra |
GRE |
5,5 |
0,0 |
31,5 |
15 |
|
Grapsa Georgia |
GRE |
5,5 |
0,0 |
28,5 |
16 |
|
Hoffmann Ekkehard |
GER |
5,5 |
0,0 |
28,5 |
17 |
|
Wempe Juergen |
GER |
5,5 |
0,0 |
28,0 |
18 |
|
Sigkounas Alkis |
GRE |
5,5 |
0,0 |
25,5 |
19 |
|
Giahos Gerasimos |
GRE |
5,5 |
0,0 |
25,5 |
20 |
|
Georgiadis Alexandros |
GRE |
5,5 |
0,0 |
25,5 |
21 |
|
Meertens Martin |
GER |
5,5 |
0,0 |
24,0 |
... 66 Spieler
Quelle:
chess-results