Sonne, Schach, Sardinien
Der Glaube an gute und schlechte Vorzeichen ist immer
Bestandteil der menschlichen Psyche gewesen. Ob es einem gefällt oder nicht,
angefangen von den größten Führern der Welt bis hin … zu Schachspielern: Viele
von uns glauben an Vorzeichen, die Glück oder Unglück verkünden (ich glaube, das
können Sie nicht leugnen, oder?
J).
Glücksfälle sind rar gesät, doch ein Unglück kommt selten allein, und da ist es
nur natürlich, dass viele Menschen geradezu fanatisch überall Vorzeichen sehen.
Und ob man nun zu diesen Getriebenen gehört oder bodenständiger ist, so glaube
ich doch, dass wir alle mit einschlägigen Redewendungen „Glück“ in das Leben
unserer Freunde bringen wollen.
Andere Länder, andere Sitten... Ich hielt “Hals- und
Beinbruch” immer für einen der originellsten Glückwünsche – bis ich vor kurzem
auf die italienische Variante dieses Wunsches stieß: “In bocca al lupo”, was man
im Deutschen mit „in die Höhle des Wolfes (oder des Löwen) gehen“ übersetzen
kann. Woher diese Redewendung stammt, weiß ich nicht genau, aber der dahinter
liegende Gedanke könnte sein, dass man die gefährlichsten Vorhaben unerschrocken
angehen sollte. Allerdings sollte man in jedem Fall, wenn man nicht möchte, dass
dieser Wunsch auf einen zurückfällt, “Crepi il lupo” antworten – ad litteram
„der Wolf wird sterben“!
In Sardinien gibt es keine Wölfe oder ähnlich geartete Tiere,
aber ein ganz besonderer Wächter schützt die Bucht von Porto Mannu: ein Bär!
Doch keine Angst, er tut nichts, denn das wilde Tier ist in Wirklichkeit ein
großer Fels, der einem Bär gleicht. Das erklärt auch, warum die Einheimischen
die Gegend “Capo d’Orso” (Bärenkap) nennen. Und genau dort fand ein wunderbares
Schachturnier statt – Porto Mannu 2013.
Das schöne Residenz-Hotel Porto
Mannu
Blick über die Anlage
Der Weg zum Strand
Viele freie Liegen
Es blüht so grün...
Capo d'Orso (Bärenkap) ist eine
Felsenformation in der Form eines Bären. Dort hat man einen wunderbaren Blick
auf das Meer, das die Halbinsel umgibt, und auch Kletterern wird etwas geboten.
Denkmal für den Matrosen, der in jedem Hafen eine
Braut hat?
Mit der Fähre
von Civitavecchia nach Olbia
– es ist
nicht ganz leicht, von Rumänien nach Sardinien zu kommen, aber die Mühe hat sich
gelohnt!
Von Natur
aus neugierig, wollte ich natürlich wissen, was es mit diesem riesigen Felsen,
der wie ein Bär aussieht, auf sich hat, und begab mich im wahrsten Sinne des
Wortes in die Höhle des Bären (in bocca all ‘Orso). Der Glücksbringer
funktionierte gut genug, um mir ein erfolgreiches und unterhaltsames Turnier zu
bescheren, doch wenn es darum gegangen wäre, plötzliches Unglück abzuwehren,
hätte sich der uralte Stein wohl nicht gerührt
J
Blick von der 'Schnauze des
Bären'. Mir hat das Glück gebracht, auch wenn der Wolf nicht zu sehen war.
Meine Wenigkeit
Von dieser Seite aus betrachtet,
sieht der Bär für mich eher wie ein Elefant aus ... was kein Problem ist, gilt
der Elefant in Thailand oder Burma doch als Glücksbringer.
Doch egal, wie sehr ich selbst die Kultur oder meine
schachlichen Erfolge in Sardinien genossen habe, den spannenden Kampf um den
Turniersieg musste ich einfach verfolgen. Es war ein Kopf-an-Kopf Rennen
zwischen der italienischen Nachwuchshoffnung Axel Rombaldoni und Rombaldonis
ehemaligem Trainer, Mihail Marin. Der rumänische Großmeister gewann die direkte
Begegnung, aber Axel schlug mit einer Reihe brillanter taktischer Siege zurück
und holte einen Punkt nach dem anderen, ohne auch nur ein einziges Remis
abzugeben (diese Serie endete erst in der letzten Runde gegen meine Wenigkeit
J).
Am Ende triumphierte die Kraft der Jugend über die Erfahrung
– wenn auch nur mit einem Buchholzpunkt in der entscheidenden Wertung. Damit
gewann Axel das Turnier, aber wichtiger für ihn war, dass er damit zugleich
seine dritte und letzte GM-Norm holte und demnächst zum GM ernannt wird.
Der (ich weiß, ich bin nicht die
Erste, die das sagt, aber trotzdem...) Tom Cruise des Schachs: Axel Rombaldoni.
Er sieht aus wie der Held aus “Mission Impossible”, nicht wahr?!
GM und Nummer eins der Setzliste:
Jonathan Rowson Schottland.
Eine wichtige Partie: die
italienische Hoffnung besiegte den französischen GM Fabien Libiszeewski
in einer hübschen taktischen Partie.
Trophäen
Bringt sich für die
Nachmittagspartie in Form: Axel Rombaldoni
Die drei Top-Platzierten
Die starke Vorstellung des Italieners lag nicht unbedingt an
einem spartanischen Lebensstil. Im Gegenteil, Axel fand die perfekte Balance
zwischen Vergnügen und harter Arbeit, was leichter gesagt als getan ist, vor
allem in einem Ort wie Porto Mannu! Denn in diesem Paradies für Schachspieler
steht man irgendwann vor einer schweren Wahl und ist zwischen Scylla und
Charybdis gefangen … und wofür würden Sie sich entscheiden: für Schach ohne
Ablenkungen oder für die Verlockungen des Strandlebens? Und wie soll man sich
konzentrieren, wenn die Natur lockt?!
Nun, der Ort mit all seinen Reizen hatte ernsthaft Konkurrenz
bekommen: Denn neben den Runden, die einem schachliche Herausforderungen
bescherten, gab es kostenlose Vorträge, die von vielen Teilnehmern auf Kosten
von Sonne und Meer mit religiösem Eifer besucht wurden. Eigentlich hat man keine
andere Wahl, wenn der Vortragende (kein Scherz) Levon Aronian heißt, der als
offizieller Sekundant seiner Freundin Arianne Caoili vor Ort war!
Ein morgendlicher Vortrag von
Levon!
Arianne Caoili
Arianne Caoili gegen Mihail Marin. Am Ende gewann Schwarz,
doch wie weiter unten zu sehen ist, hat so mancher doch auf Weiß getippt.
Am Abend gab es Tandem-Turniere, einen Tippwettbewerb, in dem
man die Ergebnisse jeder Runde vorhersagen konnte (das Ganze nannte sich Toto
Mannu), im Anschluss an die Partien konnte man mit seinen Gegnern bei einem
(oder zwei) Bierchen analysieren – mithin eine ganze Reihe unterschiedlicher
Aktivitäten und die perfekten Zutaten eines köstlichen, typisch italienischen
Rezepts. Und was die Profis und Normenjäger betrifft, so war das beschleunigte
Schweizer System, das bis zur siebten Runde angewandt wurde, Motivation genug,
um bis zum Umfallen zu kämpfen.
Abendliches Schachvergnügen:
Tandem mit Levon, Arianne,
Jonathan und Turnierorganisator Yuri Garrett!
Toto Mannu – der Tippwettbewerb! In den
ersten 20 Minuten der Runde konnte man die Ergebnisse der ersten zwölf Bretter
tippen; offensichtlich hatte jemand großes Vertrauen in die Damen! Leider ging
die Partie nicht gut für Weiß aus.
Yuri verkündet die Gewinner des
vorhergehenden Tippwettbewerbs! In jeder Runde waren zwei Bücher zu gewinnen und
der Gesamtsieger erhielt einen Freiplatz im nächsten Turnier!
Was mich angeht, so habe ich nicht nur all
das Schach genossen, sondern freute mich auch, meine Kenntnisse der wunderbaren
italienischen Kultur vertiefen zu können … es gibt kaum etwas, das die Sinne so
gefangen nimmt, wie das alte Italien mit seinem betörenden Aroma aus Basilikum,
Knoblauch und Tomaten, Parmesan und Pasta und Nachspeisen, die zum dolce far
niente einladen … wenn man noch kein Feinschmecker ist, dann wird man es hier
mit Sicherheit!
Am meisten beeindruckt hat mich jedoch das
Organisationsteam. Es bestand nur aus einer Handvoll Leuten, aber sie haben es
geschafft, die so unterschiedlichen Schachspieler zu einer wahren Schachfamilie
zu vereinen! Hier nur ein kleines Beispiel, um Ihnen einen Eindruck davon zu
geben: Ich habe tatsächlich nicht weniger als eine halbe Stunde gebraucht, um
mich am Ende mit Küsschen und Umarmungen von allen zu verabschieden und in mein
Taxi zu kommen.
Unsere wunderbaren Gastgeber und
großzügigen Sponsoren des Turniers: Alessandra Ariotto und Stefano Lupini
Turniersaal
Der strahlende Sieger des Tippwettbewerbs!
Jonathan Rowson nimmt zusammen
mit seinem Sohn den Preis für den fünften Platz entgegen.
Der ansteckende italienische
Enthusiasmus. Axel gewann das Turnier und sicherte sich den GM-Titel! Ich bin
immer wieder verblüfft, wie es Turnierdirektor Yuri Garrett schafft, ein stetig
sprudelnder Quell der Freude, Energie und immer neuer Ideen zu sein.
Der Turniersieger mit Yuri
Garrett und Stefano Lupini, einem aktiven Fernschachspieler!
Die Wölfe oder Bären Sardiniens haben ihre
Schnauzen vielleicht nicht immer geöffnet, um den typisch italienisch Wunsch
erfüllen zu können, aber ich habe das Gefühl, dass Alessandras und Stefanos Arme
immer weit geöffnet sind, um einen Willkommen zu heißen!
Ich genieße ein Glas Prosecco mit
meinem Gegner! In den meisten Turnieren ist so etwas sehr selten, aber hier war
es durchaus üblich
Von Alina L'Ami