12. Wein-Open in Naujac-sur-Mer
Von Eva Maria Zickelbein (Text und Fotos) und Stéphane Bastin (Fotos)
Schon zum vierten Mal in Folge machten wir uns Ende Juni auf die fast 1.500
Kilometer lange Fahrt nach Naujac-sur-Mer zu unseren Freunden Rike und Jules
Armas auf den
Campingplatz La Rochade
in Südfrankreich in der Nähe von Bordeaux.
In diesem Jahr feiert der Campingplatz schon sein 15jähriges bestehen und das
zum 12. Mal ausgetragene Wein-Open lockte zum Saisonbeginn auch wieder zahlreiche
Gäste aus Frankreich und acht weiteren Nationen an!
Hamburg, Köln, Aachen, Lüttich, Paris, Tours, Royan und endlich: Naujac-sur-Mer!
Inzwischen kenne ich die Strecke "im Schlaf"!
Endlich da und die Sonne strahlt! Das 15jährige Jubiläum wurde in diesem Jahr
aber gar nicht groß gefeiert - das erwarten wir dann aber spätestens zum 20jährigen!
Der Spielsaal, die Salle des Fêtes, ist ca. 1,5 Kilometer entfernt vom Campingplatz
im Dorfkern von Naujac (ca. 800 Einwohner) und leicht zu Fuß, mit dem Fahrrad
oder dem Auto zu erreichen. Jedenfalls hat man das Gefühl, dass sich vor Rundenbeginn
riesige Menschenmassen durch das sonst eher verschlafene Dorf bewegen!
Blick in den Spielsaal. In diesem Jahr waren 67 Teilnehmer dabei.
Turnierfavoriten waren in diesem Jahr GM Thal Abergel, der in seinem zweiten
Anlauf das Wein-Open unbedingt gewinnen wollte und im Anschluss einen dreitägigen
Lehrgang auf dem Campingplatz gab, und der russische IM Eduard Formichenko.
Thal Abergel zuversichtlich vor der letzten Runde, in der er mit Weiß gegen
den deutschen FM Carlo Kunze gewann.
Deshalb guckt Eduard Fomichenko am zweiten Brett auch etwas skeptisch in die
Kamera: Vor der letzten Runde führen er und Thal Abergel mit 6,5 aus 8, aber
Thal Abergel spielt mit Weiß gegen einen schwächeren Gegner als er und weist
außerdem die klar bessere Wertung auf.
Die schlechte Buchholz-Wertung ist leicht zu erklären: Eduard Fomichenko und
seine Frau, WGM Svetlana Fomichenko, reisten erst zur 2. Runde des Turniers
an, weil Svetlana beim Open in Cambrai in der 9. Runde noch Preis-Chancen hatte
und sie so auf die 1. Runde in Naujac verzichteten.
Svetlana Fomichenko mit 5,5 aus 9 auf dem 14. Platz und Gewinnerin des Damenpreises.
Der sympathische FM Carlo Kunze aus Chemnitz in der letzten Runde an Tisch 1
- "So gehört sich das", höre ich ihn noch sagen. Durch die klare Niederlage,
die dann jedoch gegen Turniersieger Thal Abergel folgte, fiel er jedoch auf
den 8. Platz zurück.
Besonders solche Paarungen machen auch den Charme des Turniers in Naujac aus,
das eine wirklich familiäre Atmosphäre hat: Georges Berenge gegen Samuel Roussel
(7 Jahre).
Clara Godart, ebenfalls 7 Jahre, hat Spaß bei ihrem ersten großen Schachturnier.
...und auch ich hatte meinen Spaß - aber warum müssen nur wieder 15 Elo-Punkte
weg sein!?
Französische Charmeoffensive:
Lara Armas (5,5 aus 9),
Lena Armas (4 aus 9) und
Lucie Argenté (3,5 aus 9).
Vor jeder Runde werden die besten Ergebnisse der Vorrunde geehrt, natürlich
mit tollen Weinpräsenten: Hier Gilbert Dumontier mit seiner Magnum St. Brice
mit Jules Armas und dem Präsident des Naujacer Schachklubs Polo Sevilla.
Der Höhepunkt der alljährlichen Siegerehrung ist natürlich das Besteigen der
Waage und die Verkündung der Flaschenanzahl. Turniersieger Thal Abergel bestieg
die Bühne zuerst allein, schnell jedoch wollte Töchterchen Emmi ihm hinterher
und so verzögerte sich dieses Vorhaben etwas.
Dann aber versuchte sich Thal Abergel an einer neuen Technik, um nach den physikalischen
Gesetzen noch mehr Gewicht zu erzeugen:
Diese Technik hatte vor Thal noch niemand versucht und sie verspricht auch keine
große Steigerung der Weinmenge: 78 Flaschen war Thal an diesem Sonntag, 05.
Juli 2009 werden, darunter große Weine wie Château Haut Marbuzet, Langoa Bartin,
Château Peyrabon und natürlich aus der Cave St. Brice.
Für unseren Freund IM Aleks Wohl ist das Wiegen natürlich schon eine Routineangelegenheit,
so dass er auch gar keine ausgefallenen Tricks auf der Waage ausprobiert: Für
den dritten Platz gab's in diesem Jahr 28 Flaschen.
Viel zu leicht! Der junge französische Spieler Adrian Demuth (Elo 2330) spielte
das ganze Turnier oben mit und landete auf dem 4. Platz - leider waren das aufgrund
seiner zarten Statur nur zehn Flaschen.
...die Merijn van Delft auf dem 6. Platz ebenfalls abräumte:
Ratingpreis für Lara Armas.
...und der Preis für die beste "Petite Poussine" (U8) Spielerin ging an Clara
Godart, die im nächsten Jahr auch noch ihre kleine Schwester mitbringen möchte!
Alle Sieger der 12. Auflage des Wein-Opens, aufgereiht hinter ihren Trophäen:
Thal Abergel, Eduard Fomichenko, Aleks Wohl, Jean-Renaud Lagune, Adrien Demuth
und Merijn van Delft. Rechts mit Mikrophin Stéphane Bassin, 2. Vorsitzender
des Schachklubs von Naujac, und seit vielen Jahren mit viel Engagement dabei,
u. a. im Dialog mit den Weingütern und Sponsoren des Turniers.
Viele Teilnehmer zieht es nach den Partien in die sogenannte "Buvette", Analyseraum
und Verpflegungsstation in einem: In diesem Jahr übernahmen dort die Männer
das Ruder - allen voran Schachtzmeister Denis de Santa, der unermüdlich und
praktisch ohne Pause durcharbeitete - vielen Dank!
An dieser Stelle darf natürlich auch die Familie Faugerolle nicht vergessen
werden: Sohn Nicolas (Mitte) war beim Open mit 5 aus 9 erfolgreich und seine
Eltern Alain (links) und Véronique Faugerolle gehören mit ihrer Cave St. Brice
nicht nur zu den großen Sponsoren des Turniers, sondern halfen die gesamte Woche
auch in der Küche tatkräftig mit!
Am Ende der Siegerehrung gibt's für jeden Teilnehmer eine Erinnerungsflasche
Tour Négrier aus der Cave St. Brice: Hier verteilen die stellvertretende Bürgermeisterin
von Naujac, Lydie Prats-Monllao, Polo Sevilla, Jules Armas und Stéphane Bastin
den Wein.
Das alles natürlich immer nach dem Motto Goethes, das schon lange vor dem Dichterfürst
im Médoc gelebt wird:
Entdeckt auf dem sehenswürdigen Markt von Montalivet, ca. 15 Kilometer von Naujac
entfernt.
Leben auf dem Campingplatz
In diesem Jahr wohnten wir in "Garry" - leider blieb die wohlgemeinte Zuteilung
dieses Mobile-Homes ohne positive schachliche Folgen für uns. Großartige Neuerung
übrigens in diesem Jahr: Kostenloses Wireless-Lan auf fast dem gesamten Platz,
das ist doch mal etwas!
Unseren regelmäßigen Besuchern spendierten wir gern mal ein Schälchen Milch.
Wie bei Asterix und Obelix: Großer Grillabend für alle Turnierteilnehmer und
ihre Familien!
Sogar wieder mit Live-Musik! Obwohl ich etwas enttäuscht war, dass das Duo den
Chanson "La Mer" von Charles Trenet in der englischen Version "Beyond the Sea"
(Robbie Williams) spielte...
Analyse unter Landsleuten: Merijn van Delft analysiert mit Jan Spijkerbosch
seine Partie gegen Lena Armas (Remis).
Abendliche Blitzduelle: Thal Abergel gegen Merijn van Delft. Julien Lecoq, Harald
Maiwald und Matthieu Biessières kiebitzen.
Und später am Abend wurden dann auch noch die Pokerkarten und -chips herausgeholt,
aber zum Glück konnten wir Hamburger es den Franzosen noch einmal zeigen, wie
man pokert - Helge Colpe holte den Pott.
Mit Spannung werden die Paarungen für den nächsten Tag studiert: Stéphane Roussel
mit seinen Söhnen Glenn, Samuel und Yanis.
...und hier Francois Godart, Merijn van Delft, Lena Armas, Simon Lepot, Thal
Abergel und Stéphane Roussel.
Blitzturnier mit 22 Teilnehmern...
...aller Altersstufen: Hier stemmt sich Samuel Roussel gegen Helge Colpe.
Aber natürlich gibt es im Médoc auch noch andere Dinge zu sehen, als die Schachbretter
auf dem Camping la Rochade. Auch in diesem Jahr besuchten wir ein renommiertes
Weingut.
Das Weingut Château Peyrabon in Saint Sauveur wurde erstmals 1766 erwähnt und
ist dank einer ziemlich exklusiven Verkaufspolitik und natürlich dank der Qualität
der Weine ein bekannter und von den Kennern sehr geschätzter Wein geworden.
Der Wein wird nicht in Supermärkten verkauft, sondern geht nur an ausgesuchte
Weinhändler, in den direkten Verkauf auf dem Château und in den Export. Einer
der Eigentümer im 18. Jahrhundert wollte nicht am System der Grands Crus teilnehmen
und erfand seinerseits den Cru bourgeois.
Nach der Führung durch den Weinkeller mit detaillierten Ausführungen über Ernte,
Lagerung und Abfüllen...
...konnten wir die drei Weine des Schlosses kosten: Château La Fleur Peyrabon
(ein Pauillac, der beste Wein des Châteaus, die Weinberge liegen mitten im Gebiet
der Rothschilds!), Château Peyrabon und den zweiten Wein des Château, Château
Pierbone.
Die brauchen noch ein bisschen - Weinernte ist erst Ende September, Anfang Oktober.
Nach dem Turnier besichtigten wir auch noch die Cave Saint Brice in Saint-Yzans-de-Médoc
und kosteten die leckeren Weine der Familie Faugerolle, die ja zu den tatkräftigen
Förderern des Wein-Opens gehört.
La Colonne, Le Grand St.Brice, La Tour Négrier und St. Brice sind die Weine
der Kooperative Saint Brice.
Dort fanden wir auch das Gebet des Weinbauern:
Lieber Gott, gib mir für lange Zeit Gesundheit,
Liebe und von Zeit zu Zeit
Ein bisschen Arbeit, aber nicht zu oft -
Aber Wein bitte immer!
Zuvor schon waren wir in einer kleinen Nussfabrik gewesen, wo seit Jahrhunderten
eine regionale Nussspezialität hergestellt wird, die ein bisschen an geröstete
Mandeln erinnert. Bei der Einführung in die Geschichte und die Produktion der
"Noisettines" (www.noisettines.fr) musste ich als "Modell" für eine der Hauben
des 18. Jahrhunderts herhalten...
Aber für alle, die überlegen, vielleicht im nächsten Jahr zur 13. Auflage des
Wein-Opens zu reisen oder auch einfach nur so Urlaub im Médoc und auf dem Camping
la Rochade zu machen: Das Schönste ist natürlich - das Meer!
Ende Juni und Anfang Juli ist es noch angenehm leer - so richtig füllt es sich
erst ab dem 14. Juli.
Das Meer, es sieht jeden Tag anders aus...
...aber immer wunderschön!
Und Schachspielen kann man natürlich auch am Strand: Helge Colpe und Merijn
van Delft.
...eine gute Alternative ist aber auch das Strandcafé hoch oben auf der Düne
von Pin Sec!
Bis zum nächsten Jahr in Naujac-sur-Mer? Die voraussichtlichen Daten für das
Wein-Open sind: 27. Juni bis zum 4. Juli 2010! Für Details lohnt sich Anfang
2010 ein Blick auf die Homepage des
Camping
La Rochade.