Pilgerfahrt ins Schachmekka
Wijk aan Zee 2014: Das Journalistenturnier
Jeder Schachspieler muss einmal in Moskau gewesen sein, sagten wir uns, und spielten im Jahr 2006 das Moskauer Aeroflot Open mit. Es war interessant und ich habe es nicht bereut, aber so richtig herzlich und bleibend in der Erinnerung war es auch nicht. Dass dies mit einem Trip nach Wijk aan Zee zum berühmten Tata Steel Chess Tournament, in diesem Jahr fand die 76. Auflage des Traditionsturniers statt, anders werden würde, war mir von vornherein klar. Im Jahr 2009 konnte ich bei einer kleinen Stippvisite schon einmal die berühmte Wijker Luft schnuppern, aber in diesem Jahr hatte ich das Glück, dass sich mein Mann Merijn van Delft für die C-Gruppe qualifiziert hatte und ganze drei Wochen vor Ort sein würde. Dass die C-Gruppe schließlich gestrichen wurde und Merijn van Delft und der andere niederländische Qualifikant, IM Etienne Goudriaan, dann in der B-Gruppe mitmischen durften, konnte vorher niemand ahnen. Mein Schwiegervater fragte mich jedoch sogleich, ob ich denn dann auch beim Journalistenturnier mitspielen würde: Ich erinnerte mich meiner gelegentlichen, aber doch regelmäßigen Beiträge für Chessbase.de, Schach, die Europarochade und natürlich auch das HSK-AKTUELL und auch Turnierchef Jeroen van der Berg hatte keine Einwände und so registrierte ich mich für die vom 16. bis 19. Januar stattfindende 25. Auflage des Journalistenturniers.
Das Turnier wurde mit 18 Teilnehmern und 7 Runden im Hotel Hoge Duin gespielt, in dem wir auch wohnten. Das Hotel liegt malerisch auf einer Düne direkt am Meer. Es wurde auf der Ruine eines deutschen Kommandobunkers aus dem zweiten Weltkrieg gebaut und hat deshalb den Vorteil gegenüber den anderen Hotels am Platze, viele Zimmer mit Meerblick bieten zu können. Auch unser Zimmer, der Spielsaal, Bar und Restaurant hatten einen wunderschönen Blick aufs Meer.
Das Hotel Hoge Duin, erbaut auf den Ruinen eines deutschen Kommandobunkers, hat aus fast allen Zimmern einen herrlichen Meerblick.
Unser Blick auf den Stand von Wijk aan Zee: die Tata Steel Chess-Flaggen zeigen eine vernünftige Brise, die mich als Nordlicht eigentlich hätte warnen sollen. Trotzdem lief ich nach dem Frühstück bei herrlichem Sonnenschein locker flockig los und vier Kilometer in Richtung Norden. Ich wunderte mich schon über das hohe Tempo, das ich locker gehen konnte. Die Ernüchterung kam dann, nachdem ich mich zur Rückkehr entschieden hatte und plötzlich realisieren musste, dass ich gegen den Wind zurücklaufen musste… Noch zwei Kilometer schaffte ich, dann hörte ich auf und schlich langsam, aber glücklich zurück…
Mit Pferdestärken gegen den strammen Nordseewind ist doch angenehmer, als mit „Mädchenstärken“…
Das Frühstücksgedeck im Hotel
Ist das Foto links oben gut zu erkennen? Ein wunderschöner Sonnenuntergang am Nordseestrand. Bildunterschrift: Zonsondergang gratis / Sonnenuntergang gratis – wie großzügig! Besonders Merijn van Delft amüsierte sich königlich über diesen seiner Aussage nach typisch "holländischen" Hinweis…
Nach der letzten Runde bekamen wir dann wirklich den schönen Sonnenuntergang von der Terrasse zu sehen - wie schön, dass er wirklich gratis war…!
Am 16. Januar eröffnete der Tatasteel-Repräsentant die 25. Edition des Journalisten Schaaktoernooi, der offiziellen Niederländischen Journalistenmeisterschaft.
Tata Steel Chess, lecker...
Blick in den Möwensaal, in dem das Journalistenturnier ausgetragen wurde.
Cees Visser
Cees Visser sitzt vor dem Turnierplakat des Hauptturniers (ich dachte immer, der Spieler rechts am Brett ist Bobby Fischer, aber es ist nur irgendein Modell). Er freute sich in der letzten Runde nach seinem unerwarteten Sieg gegen den bis dahin führenden Martin Voorn, dass er die magische 1900er-Grenze überschritten hat.
Ihre Berichterstatterin (Foto: Joachim Schulze), ebenfalls dekorativ vor schöner Kulisse und ausnahmsweise mit guter Stellung (nach 14. fxg7 bekommt Weiß klaren Vorteil).
Tanja Veenstra und Karel van Delft
Hier spielen Tanja Venstraa und Karel van Delft gegeneinander. Mein Schwiegervater Karel van Delft ist sehr umtriebig als Trainer, Coach und Autor in den Niederlanden aktiv. Er betriebt einen eigenen Blog ( www.chesstalent.com , www.schaaktalent.nl ), auf dem viele interessante Artikel zu diversen Schachthemen (Didaktik, Psychologie, Organisation u. v. m.) zu finden sind. Außerdem hat er einen kleinen Film mit schönen Eindrücken vom Turnier in Wijk aan Zee gemacht:
Der spätere Turniersieger Peter Boel spielt hier gegen Partie gegen René Nijland.
Alexander Münninghoff
Der bekannte niederländische Journalist Alexander Munninghoff erwischte nicht sein bestes Turnier und reiste unzufrieden vor der Siegerehrung ab. Deshalb kam ich leider nicht in den Genuss der Tradition, dass Alexander Munninghoff auf der Siegerehrung Gedichte rezitiert und auch die anderen Teilnehmer dazu animiert. Um mich nicht völlig zu blamieren, hatte ich mir schon ein paar Verse zurecht gelegt.
Turniersieger Peter Boel (New in Chess), der schon viele Male das Turnier gewann, mit dem Wanderpokal (links) und der Tata Steel-Trophäe für die Vitrine (echt schwer übrigens).
Aber natürlich beschränkten sich die Journalisten nicht auf das eigene Turnier im Meeuwenzaal im Hoge Duin – im Schachmekka ist es natürlich angesagt, so schnell wie möglich nach der eigenen Partie runter ins Dorf ins Moriaan zu gehen und den Meistern zu folgen:
Blick vom Hoge Duin aufs Dorf.
Über den Dünenweg geht es runter ins Dorf…
Ständig die Kirche und die Stahlindustrie im Blick…
Im Dorf dann pittoresker Niederländischer Charme…
De Moriaan – "the place to be" in Wijk aan Zee im Januar!
Anna Muzychuk gegen Merijn van Delft
Da sitzt Merijn van Delft und muss sich dem kritischen Blick von Sabino Brunello stellen – Remis ist’s doch geworden gegen die stark aufspielende Anna Muzychuk, die am Ende mit 8 aus 13 einen bärenstarken 4. Platz belegte.
Blick in den tollen Spielsaal, in dem die Meister zusammen mit zahlreichen Amateuren spielen.
Die Verpflegung im Spielsaal ist typisch Niederländisch…
…und muss natürlich getestet werden: Erwtensoep mit Broodje Kaas!
Abends treffen sich in den zahlreichen Restaurants und Bars des Örtchens die Schachspieler zum Essen, Reden und natürlich Zocken.
Überall sieht man Schachbretter und Trauben von Spielern, die analysieren oder blitzen.
Hier Merijn van Delft und Peter Boel
Eva Maria Zickelbein gegen René Nijland – die beiden spielen ähnlich kranke Eröffnungsvarianten und Theo Visschedijk kann da nur milde Schmunzeln…
Karel van Delft und Alexander Munninghoff.
Der bekannte Niederländische (Schach-) Fotograf Fred Lucas ( http://www.fredlucas.eu/ ) mit seinen Freunden.
Fazit: es lohnt sich für jeden Schachbegeisterten auf jeden Fall, nach Wijk aan Zee zu pilgern! Wer selbst gern spielt, macht bei einem der Tienkampen (10 Partien gegen ungefähr gleichstarke Gegner) oder bei einem der Vierkampen (vier Partien, verlängertes Wochenende) mit. Wer einfach nur Kiebitze und einmal die Weltspitze am Brett sehen möchte, kommt natürlich auch voll auf seine Kosten.
In einem Nebengebäude werden die Partien auf von Meistern kommentiert. Dazu noch das pittoreske kleine Dörfchen mit dem schönen Strand und dem herrlichen Meer, besser geht’s nicht! Und wer mit kulturinteressierter Familie anreist, kann ja auch mal einen Tag ins nahe Amsterdam und beispielsweise im gerade wiedereröffneten Rijksmuseum vorstellig werden!
Der Endstand des Journalistenturniers
Nr
|
Pno
|
Titel
|
Name
|
Rating
|
Fed
|
Score
|
TPR
|
RC
|
M/V
|
1
|
1
|
FM
|
Boel, Peter
|
2090
|
NED
|
6
|
2242
|
1933
|
M
|
2
|
2
|
|
Voorn, Martin
|
2025
|
NED
|
5,5
|
2146
|
1916
|
M
|
3
|
6
|
|
Visser, Cees
|
1897
|
NED
|
5
|
1988
|
1788
|
M
|
4
|
9
|
|
Vreeken, Kees
|
1901
|
NED
|
4,5
|
1970
|
1826
|
M
|
5
|
10
|
|
Konnen, Timo
|
1829
|
NED
|
4,5
|
1996
|
1894
|
M
|
6
|
7
|
|
Van de Groep, Sjaak
|
1926
|
NED
|
4
|
1931
|
1868
|
M
|
7
|
3
|
WFM
|
Zickelbein, Eva-Maria
|
1989
|
GER
|
4
|
1941
|
1891
|
V
|
8
|
4
|
|
Nijland, René
|
1964
|
NED
|
4
|
1898
|
1796
|
M
|
9
|
8
|
|
Berrevoets, Hans
|
1902
|
NED
|
3,5
|
1781
|
1707
|
M
|
10
|
5
|
|
Munninghoff, Alexander
|
1947
|
NED
|
3,5
|
1764
|
1677
|
M
|
11
|
18
|
|
Acohen, Ruben
|
1203
|
NED
|
3
|
1529
|
1809
|
M
|
12
|
13
|
|
Van den Belt, Peter
|
1752
|
NED
|
3
|
1762
|
1812
|
M
|
13
|
12
|
|
Berghuis, Kees
|
1771
|
NED
|
3
|
1736
|
1773
|
M
|
14
|
15
|
|
Van Delft, Karel
|
1619
|
NED
|
3
|
1539
|
1587
|
M
|
15
|
11
|
|
Bouwmans, Erik
|
1809
|
NED
|
2,5
|
1608
|
1692
|
M
|
16
|
14
|
|
Bons, Gerard
|
1653
|
NED
|
2
|
1527
|
1685
|
M
|
17
|
17
|
|
Meijer, Wim
|
1283
|
NED
|
1
|
1325
|
1733
|
M
|
18
|
16
|
|
Veenstra, Tanja
|
1433
|
NED
|
1
|
1284
|
1606
|
V
|
Fotos: Arno Vrins, Karel van Delft, Eva Maria Zickelbein