Spielen im Schachmekka

von Eva Maria Zickelbein
28.01.2014 – Auch als Nicht-Großmeister kann man Anfang des Jahres ins Schachmekka pilgern und in Wijk aan Zee an einem der zahlreichen Turniere für Amateure teilnehmen. Oder man weist wie Evi Zickelbein journalistische Tätigkeit nach und schreibt sich im Journalistenturnier ein. So oder so bleibt genug Zeit, um die ganz besonders böige Wijker Schachluft tief einzuatmen. Mehr...

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Pilgerfahrt ins Schachmekka

Wijk aan Zee 2014: Das Journalistenturnier




Jeder Schachspieler muss einmal in Moskau gewesen sein, sagten wir uns, und spielten im Jahr 2006 das Moskauer Aeroflot Open mit. Es war interessant und ich habe es nicht bereut, aber so richtig herzlich und bleibend in der Erinnerung war es auch nicht. Dass dies mit einem Trip nach Wijk aan Zee zum berühmten Tata Steel Chess Tournament, in diesem Jahr fand die 76. Auflage des Traditionsturniers statt, anders werden würde, war mir von vornherein klar. Im Jahr 2009 konnte ich bei einer kleinen Stippvisite schon einmal die berühmte Wijker Luft schnuppern, aber in diesem Jahr hatte ich das Glück, dass sich mein Mann Merijn van Delft für die C-Gruppe qualifiziert hatte und ganze drei Wochen vor Ort sein würde. Dass die C-Gruppe schließlich gestrichen wurde und Merijn van Delft und der andere niederländische Qualifikant, IM Etienne Goudriaan, dann in der B-Gruppe mitmischen durften, konnte vorher niemand ahnen. Mein Schwiegervater fragte mich jedoch sogleich, ob ich denn dann auch beim Journalistenturnier mitspielen würde: Ich erinnerte mich meiner gelegentlichen, aber doch regelmäßigen Beiträge für Chessbase.de, Schach, die Europarochade und natürlich auch das HSK-AKTUELL und auch Turnierchef Jeroen van der Berg hatte keine Einwände und so registrierte ich mich für die vom 16. bis 19. Januar stattfindende 25. Auflage des Journalistenturniers.

Das Turnier wurde mit 18 Teilnehmern und 7 Runden im Hotel Hoge Duin gespielt, in dem wir auch wohnten. Das Hotel liegt malerisch auf einer Düne direkt am Meer. Es wurde auf der Ruine eines deutschen Kommandobunkers aus dem zweiten Weltkrieg gebaut und hat deshalb den Vorteil gegenüber den anderen Hotels am Platze, viele Zimmer mit Meerblick bieten zu können. Auch unser Zimmer, der Spielsaal, Bar und Restaurant hatten einen wunderschönen Blick aufs Meer.
 

Das Hotel Hoge Duin, erbaut auf den Ruinen eines deutschen Kommandobunkers, hat aus fast allen Zimmern einen herrlichen Meerblick.

Unser Blick auf den Stand von Wijk aan Zee: die Tata Steel Chess-Flaggen zeigen eine vernünftige Brise, die mich als Nordlicht eigentlich hätte warnen sollen. Trotzdem lief ich nach dem Frühstück bei herrlichem Sonnenschein locker flockig los und vier Kilometer in Richtung Norden. Ich wunderte mich schon über das hohe Tempo, das ich locker gehen konnte. Die Ernüchterung kam dann, nachdem ich mich zur Rückkehr entschieden hatte und plötzlich realisieren musste, dass ich gegen den Wind zurücklaufen musste… Noch zwei Kilometer schaffte ich, dann hörte ich auf und schlich langsam, aber glücklich zurück…

Mit Pferdestärken gegen den strammen Nordseewind ist doch angenehmer, als mit „Mädchenstärken“…

Das Frühstücksgedeck im Hotel

Ist das Foto links oben gut zu erkennen? Ein wunderschöner Sonnenuntergang am Nordseestrand. Bildunterschrift: Zonsondergang gratis / Sonnenuntergang gratis – wie großzügig! Besonders Merijn van Delft amüsierte sich königlich über diesen seiner Aussage nach typisch "holländischen" Hinweis…

Nach der letzten Runde bekamen wir dann wirklich den schönen Sonnenuntergang von der Terrasse zu sehen - wie schön, dass er wirklich gratis war…!

Am 16. Januar eröffnete der Tatasteel-Repräsentant die 25. Edition des Journalisten Schaaktoernooi, der offiziellen Niederländischen Journalistenmeisterschaft.

Tata Steel Chess, lecker...

Blick in den Möwensaal, in dem das Journalistenturnier ausgetragen wurde.

Cees Visser

Cees Visser sitzt vor dem Turnierplakat des Hauptturniers (ich dachte immer, der Spieler rechts am Brett ist Bobby Fischer, aber es ist nur irgendein Modell). Er freute sich in der letzten Runde nach seinem unerwarteten Sieg gegen den bis dahin führenden Martin Voorn, dass er die magische 1900er-Grenze überschritten hat.

Ihre Berichterstatterin (Foto: Joachim Schulze), ebenfalls dekorativ vor schöner Kulisse und ausnahmsweise mit guter Stellung (nach 14. fxg7 bekommt Weiß klaren Vorteil).

Tanja Veenstra und Karel van Delft

Hier spielen Tanja Venstraa und Karel van Delft gegeneinander. Mein Schwiegervater Karel van Delft ist sehr umtriebig als Trainer, Coach und Autor in den Niederlanden aktiv. Er betriebt einen eigenen Blog ( www.chesstalent.com , www.schaaktalent.nl ), auf dem viele interessante Artikel zu diversen Schachthemen (Didaktik, Psychologie, Organisation u. v. m.) zu finden sind. Außerdem hat er einen kleinen Film mit schönen Eindrücken vom Turnier in Wijk aan Zee gemacht:

Der spätere Turniersieger Peter Boel spielt hier gegen Partie gegen René Nijland.

Alexander Münninghoff

Der bekannte niederländische Journalist Alexander Munninghoff erwischte nicht sein bestes Turnier und reiste unzufrieden vor der Siegerehrung ab. Deshalb kam ich leider nicht in den Genuss der Tradition, dass Alexander Munninghoff auf der Siegerehrung Gedichte rezitiert und auch die anderen Teilnehmer dazu animiert. Um mich nicht völlig zu blamieren, hatte ich mir schon ein paar Verse zurecht gelegt.

Turniersieger Peter Boel (New in Chess), der schon viele Male das Turnier gewann, mit dem Wanderpokal (links) und der Tata Steel-Trophäe für die Vitrine (echt schwer übrigens).

Aber natürlich beschränkten sich die Journalisten nicht auf das eigene Turnier im Meeuwenzaal im Hoge Duin – im Schachmekka ist es natürlich angesagt, so schnell wie möglich nach der eigenen Partie runter ins Dorf ins Moriaan zu gehen und den Meistern zu folgen:

Blick vom Hoge Duin aufs Dorf.

Über den Dünenweg geht es runter ins Dorf…

Ständig die Kirche und die Stahlindustrie im Blick…

Im Dorf dann pittoresker Niederländischer Charme…

De Moriaan – "the place to be" in Wijk aan Zee im Januar!

Anna Muzychuk gegen Merijn van Delft

Da sitzt Merijn van Delft und muss sich dem kritischen Blick von Sabino Brunello stellen – Remis ist’s doch geworden gegen die stark aufspielende Anna Muzychuk, die am Ende mit 8 aus 13 einen bärenstarken 4. Platz belegte.


Blick in den tollen Spielsaal, in dem die Meister zusammen mit zahlreichen Amateuren spielen.

Die Verpflegung im Spielsaal ist typisch Niederländisch…

…und muss natürlich getestet werden: Erwtensoep mit Broodje Kaas!



Abends treffen sich in den zahlreichen Restaurants und Bars des Örtchens die Schachspieler zum Essen, Reden und natürlich Zocken.

Überall sieht man Schachbretter und Trauben von Spielern, die analysieren oder blitzen.

Hier Merijn van Delft und Peter Boel

Eva Maria Zickelbein gegen René Nijland – die beiden spielen ähnlich kranke Eröffnungsvarianten und Theo Visschedijk kann da nur milde Schmunzeln…

Karel van Delft und Alexander Munninghoff.

Der bekannte Niederländische (Schach-) Fotograf Fred Lucas ( http://www.fredlucas.eu/ ) mit seinen Freunden.

Fazit: es lohnt sich für jeden Schachbegeisterten auf jeden Fall, nach Wijk aan Zee zu pilgern! Wer selbst gern spielt, macht bei einem der Tienkampen (10 Partien gegen ungefähr gleichstarke Gegner) oder bei einem der Vierkampen (vier Partien, verlängertes Wochenende) mit. Wer einfach nur Kiebitze und einmal die Weltspitze am Brett sehen möchte, kommt natürlich auch voll auf seine Kosten.

In einem Nebengebäude werden die Partien auf von Meistern kommentiert. Dazu noch das pittoreske kleine Dörfchen mit dem schönen Strand und dem herrlichen Meer, besser geht’s nicht! Und wer mit kulturinteressierter Familie anreist, kann ja auch mal einen Tag ins nahe Amsterdam und beispielsweise im gerade wiedereröffneten Rijksmuseum vorstellig werden!


Der Endstand des Journalistenturniers

 

Nr

Pno

Titel

Name

Rating

Fed

Score

TPR

RC

M/V

1

1

FM

Boel, Peter

2090

NED

6

2242

1933

M

2

2

 

Voorn, Martin

2025

NED

5,5

2146

1916

M

3

6

 

Visser, Cees

1897

NED

5

1988

1788

M

4

9

 

Vreeken, Kees

1901

NED

4,5

1970

1826

M

5

10

 

Konnen, Timo

1829

NED

4,5

1996

1894

M

6

7

 

Van de Groep, Sjaak

1926

NED

4

1931

1868

M

7

3

WFM

Zickelbein, Eva-Maria

1989

GER

4

1941

1891

V

8

4

 

Nijland, René

1964

NED

4

1898

1796

M

9

8

 

Berrevoets, Hans

1902

NED

3,5

1781

1707

M

10

5

 

Munninghoff, Alexander

1947

NED

3,5

1764

1677

M

11

18

 

Acohen, Ruben

1203

NED

3

1529

1809

M

12

13

 

Van den Belt, Peter

1752

NED

3

1762

1812

M

13

12

 

Berghuis, Kees

1771

NED

3

1736

1773

M

14

15

 

Van Delft, Karel

1619

NED

3

1539

1587

M

15

11

 

Bouwmans, Erik

1809

NED

2,5

1608

1692

M

16

14

 

Bons, Gerard

1653

NED

2

1527

1685

M

17

17

 

Meijer, Wim

1283

NED

1

1325

1733

M

18

16

 

Veenstra, Tanja

1433

NED

1

1284

1606

V

 

 

Fotos: Arno Vrins, Karel van Delft, Eva Maria Zickelbein


 

 


Eva Maria Zickelbein spielt seit vielen Jahren Schach und ist als Tochter von Christan Zickelbein fest mit dem Hamburger Schachklub verwachsen, für dessen Frauenbundesligamannschaft sie gespielt hat.

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