Sportminister Anurag Thakur eröffnet 1. Runde der Schacholympiade

von André Schulz
29.07.2022 – Um 15 Uhr Ortszeit wurde heute in Mahabalipuram bei Chennai die 44. Schacholympiade eröffnet. Indiens Sportminister Anurag Thakur machte in Begleitung weiterer Offizieller und zahlreicher Journalisten am Brett von Humpy Koneru den symbolischen ersten Zug. | Fotos: Lennart Ootes, Mark Livshitz

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Die 44. Schacholympiade in Indien wird wohl die prächtigste in der Geschichte dieses Wettbewerbs werden. Zur Eröffnungsfeier war sogar Indiens Premierminister Narendra Modi anwesend und unterstrich damit, welche Bedeutung diese Sportveranstaltung für Indien hat. Das ließ sich aber auch schon vorher erahnen, als zum Beispiel die ehrwürdige Napier Bridge im Schachbrettmuster angestrichen wurde.

Die Schacholympiade ist gemessen an der Teilnehmerzahl eine der größten Sportveranstaltungen der Welt. Etwa 1700 Aktive aus 188 Nationen nehmen teil. Es gibt  größere Sportveranstaltungen, die Olympischen Spiele natürlich mit 10.000 Teilnehmern oder mehr, aber auch die Asienspiele (ca. 9.000 Aktive), die World Student Games (ca. 8000 Aktive), die Pan American Games (ca. 6000 Sportler), die Commonwealth Games (ca. 5000 Aktive) und einige mehr. Aber die Schacholympiade ist eine internationale Sportveranstaltung in nur einer einzigen Sportart, dem Schach (Ja! Schach ist Sport!). Und in dieser Hinsicht sticht sie fast alle anderen Sportfeste aus. Bei der Fußballweltmeisterschaft sind "nur" ca. 750 Aktive beteiligt. Und selbst die gesamten Leichtathletikdisziplinen bringen es "nur" auf knapp 2000 Aktive. Nur die Weltmeisterschaften im Schwimmen sind noch etwas größer (ca. 2100 Aktive) als die Schacholympiade.

Und: Keine andere Sportart kann und wird mit so vielen Aktiven auf so engem Raum ausgetragen. Ein großes buntes Völkerfest!



Da Schach keine Kontaktsportart ist, gibt es auch keinerlei körperliche Auseinandersetzungen. Die Schacholympiaden sind sehr friedliche Begegnungen fast aller Völker dieser Welt. Schachspieler sind es gewohnt, erst nachzudenken, bevor sie einen etwas unternehmen. Politik spielt kaum eine Rolle. Manchmal werden die Konflikte außerhalb der Schachwelt aber doch auf die Bretter übertragen. So sind die Sportler aus dem Iran angehalten, nicht gegen Sportler aus Israel anzutreten. Wie sehr man sich mit solch einer Politik selber schadet, kann man bei Alireza Firouzja sehen, der seine Heimat verlassen hat, weil er ohne politische Einmischungen seiner Profession als Schachspieler nachgehen möchte. Bis auf weiteres wird es also keinen iranischen Schachweltmeister geben.

Das Geschehen in der übrigen Welt hat jedoch noch auf andere Weise Einfluss in der Schachwelt. Eigentlich sollte die 44. Schacholympiade 2020 in Khanty-Mansiysk stattfinden. Wegen der Pandemie wurde sie nach Moskau verlegt. Dann griff Russland im Februar 2022 unter Bruch des Völkerrechts und aller bestehenden Verträge die Ukraine an und verließ damit die Gemeinschaft der friedlichen Völker - und auch die Schachfamilie. Die FIDE entzog dem Russischen Schachverband das Gastgeberrecht und schloss auch die russischen Teams aus. Die weißrussischen Teams ebenso.

Ganz kurz vor Beginn der Schacholympiade zog noch Pakistan seine Teams zurück. Als Vorbereitung zur Schacholympiade hatten die Gastgeber einen olympischen Fackellauf durch ganz Indien organisiert. Dieser ging auch durch Gebiete der Provinz Kaschmir, die von Pakistan beansprucht werden und um die sich beide Länder streiten. Aus Protest verzichtete Pakistan kurzfristig auf die Teilnahme. 

Auch China nimmt an dieser Schacholympiade nicht teil. Über die Gründe kann man nur spekulieren. Wegen der anhaltenden Pandemie verfolgt China eine sehr restriktive Ausreisepolitik, was vermutlich der Grund für die Nichtteilnahme ist. Vielleicht gibt es auch hier politische Nebentöne, wer weiß? Die Beziehungen zwischen Indien und China sind nicht die besten.

Ohne die sonst mitfavorisierten Russen und Chinesen ist das US-Team nun der Topfavorit im offenen Turnier mit einem Schnitt von deutlich über 2700. Indien 1 ist Zweiter der Setzliste vor Norwegen. Frankreich wäre mit Maxime Vachier-Lagrave und Alireza Firouzja weit vorne, doch die französische Mannschaft ist zerstritten. Die beiden Topstars und einige weitere Top-Großmeister spielen nicht mit. 

Indien geht in beiden Wettbewerben mit je drei Teams an den Start. Indien 2 ist eine U20-Mannschaft. Den jungen Wilden kann man alles zutrauen.

Arjun Erigaisi

Deutschland belegt mit seiner ebenfalls zumeist noch jungen Mannschaft und dem Routinier Liviu-Dieter Nisipeanu Platz neun auf der Setzliste. Die deutschen Schachfreunde drücken ihnen die Daumen.

Im Frauenturnier führt Indien die Setzliste sogar an, noch vor der Ukraine. Der indische Schachverband nimmt die Heimolympiade sehr ernst und hat seine Teams zur Vorbereitung zehn Tage lang in ein Trainingscamp geschickt und dabei auch keine Kosten gescheut. Die Frauenteams erhielten beispielsweise Training von Boris Gelfand. Eine Goldmedaille im eigenen Land wäre natürlich das Größte!

Das deutsche Frauenteam nimmt Rang acht nach Eloschnitt ein, hat allerdings mit Elisabeth Pähtz eine Spielerin an Brett Eins, die mit ihrer Elozahl den Schnitt deutlich nach oben treibt. Die Erwartungen sollten also eher etwas geringer sein als der Eloschnitt aussagt.

Um 11.30 MESZ wurde am Freitag Vormittag die ersten Runde gestartet. Wenn man die Bilder sieht, kann man sagen, dass die Veranstaltung auch in der allgemeinen indischen Öffentlichkeit eine gewisse Aufmerksamkeit auf sich zieht.
 

Presseauflauf beim ersten Zug

 

 

Im Paarungssystem eines Turniers im Schweizer System spielen in Runde eins die Teams der ersten Hälfte der Setzliste gegen die der zweiten Hälfte. Die Nummer eins der Setzliste im Offenen Turnier, die USA, trafen so auf die Nummer 93, Angola. Die meisten Wettkämpfe sind nicht so spannend, da die Kräfteverhältnisse sehr ungleich sind und die Ergebnisse meist, nicht immer, sehr klar. Gelegentlich gibt es aber auch mal eine Überraschung, an einzelnen Brettern oder sogar im Mannschaftsergebnis.

Die deutschen Teams erhielten in der ersten Runde den Sudan (Männer) und Sambia (Frauen) als Gegner und lösten diese Aufgaben beide mit 4:0 problemlos. 4:0 war dann auch das Standardergebnis der meisten Matches in beiden Turnieren. 

Morgen, in Runde zwei, wird das dann schon anders aussehen.
 

Partien Open

 

 

Partien Frauen

 

 

Turnierseite...

Ergebnisse Offene Olympiade bei Chess-results.com...

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André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.