Richtigstellung:
Unter der Headline „Schach als Titelstory“ wird bei
www.chessbase.de in einer Reportage von Misha Savinov der Eindruck erweckt,
als sei Vladimir Kramnik im Zusammenhang mit dem Skandal um die 5. Partie
schlecht beraten gewesen. Unter anderem wird behauptet:
„Allerdings
trägt auch Carsten Hensel ein Teil der Verantwortung für die anschließenden
Probleme, die den Wettkampf beinahe zum Abbruch geführt hätten. Als
Delegationsleiter musste er sich an die Wettkampfregeln halten. Als Bürokrat,
wenn man so will. Alle Trümpfe waren in seiner Hand. Die öffentliche Meinung in
der ganzen Welt war auf Kramniks Seite. Er musste nur ein paar richtige Züge
machen, aber irgendwie wurden sie übersehen. Selbst später, als er schließlich
einen offiziellen Protest einreichte, musste ihn das neu gewählte Appeals
Committee an die erforderliche Kaution und andere Details erinnern … Um Gottes
Willen, RTFM! (Abkürzung für „Read the fucking manual“, etwa: „Lies das
verdammte Handbuch“.
Der hier geschilderte
Sachverhalt führt völlig in die Irre und an den Realitäten vorbei. Herr Savinov
ist in Elista vor Ort und hätte mich jederzeit zum Sachverhalt befragen können.
Auch der zuständige Chessbase-Redakteur hätte keine Probleme gehabt, mich vor
der Veröffentlichung zu kontaktieren. Mal abgesehen von weiteren polemischen
Äußerungen tragen derartige Veröffentlichungen lediglich zur Strategie der
Gegenseite bei, die von dem eigentlichen Sachverhalt ablenken möchte.
Richtig ist:
Die Entscheidung des Appeals
Committee, die dem Team Kramnik erst am Vormittag des Spieltages zugestellt
wurde, war endgültig und rechtskräftig. In 3.17.1. der Regeln heißt es: „The
written decision of the Appeals Committee arising from any dispute in respect of
these regulations shall be final“.
Gegen die Entscheidung des
Appeals Committees am Spieltag gibt es FIDE- intern keinerlei weitere
Rechtsmittel. Vladimir Kramnik hat im Wissen dessen entschieden, dass er zur 5.
Partie nur dann antreten wird, falls seine vertraglich vereinbarten Rechte im
Einklang mit den Regeln des Wettkampfes wieder instand gesetzt werden. In der
Tat hat das Komitee auf diesen mündlichen Protest vor Partie 5 im Spielsaal
reagiert, die Partie um 22 Minuten verschoben und die Meinung von FIDE-Präsident
Kirsan Iljumshinov eingeholt. Dieser hat die bereits rechtskräftige
Entscheidung des Komitees bestätigt. Der Rest ist bekannt.
Es ist unzweifelhaft, dass
die FIDE mit der Entscheidung des Appeals Committee den Vertrag in folgenden
Punkten gebrochen hat:
a)
All protests must be submitted in writing to the Appeals
Committee not more than 2 hours after the relevant playing session. If possible,
the Committee shall reach the decision not more than 2 hours after the
submission of the protest.
b)
After the World Chess Championship Committee agrees with the
Organizers on the arrangements in respect of the tournament hall, facilities
etc. etc. etc……., no objections from the participants shall be acceptable as
long as the conditions are in accordance with the rights of the players granted
in their agreements.
c)
FIDE shall provide a restroom and toilet for the players during
the WCC.
Der zu erwartende
Rechtsstreit richtet sich allein gegen die Vertragsbrüche des Komitees:
Zu a) Weder ist der
Topalov-Protest innerhalb von zwei Stunden nach Partie 4 eingereicht worden noch
hat ihn das Komitee innerhalb weiterer 2 Stunden entschieden, obwohl alle
Mitglieder waren vor Ort waren. Ich bin erst in der Nacht zur 5. Partie angehört
worden und habe gleich erklärt, dass eine Veränderung der Spielbedingungen
Vertragsbruch bedeutet.
Zu b) Hier wird eindeutig
ausgeführt, dass die vereinbarten Bedingungen ab einem bestimmten Zeitpunkt
nicht mehr ohne Zustimmung aller Parteien veränderbar sind – schon gar nicht
nach Beginn des Wettkampfes –, was dennoch geschehen ist.
Zu c) Im Vertrag von Herrn
Kramnik ist der Ruheraum nebst Toilette ausdrücklich vereinbart.
Nach unserer Auffassung hätte
das Appeals Committee den Topalov-Protest überhaupt nicht annehmen dürfen, und
schon gar nicht zu Gunsten der Gegenseite unter bewusstem Vertragsbruch
entscheiden dürfen. Die 5. Partie hätte unter diesen Bedingungen niemals
angesetzt werden dürfen. Die Entscheidung Vladimir Kramnik’s unter den so kurz
vor Beginn der Partie geänderten Bedingungen nicht anzutreten, war sein gutes
Recht.
Mit den Rücktritten der
Herren Makropoulos und Azmaiparashvili sowie durch das Widereinsetzen der
vereinbarten Spielbedingungen für Herrn Kramnik zur 6. Partie gestand die FIDE
klar ein, dass das Appeals Committee eine krasse Fehlentscheidung getroffen hat.
Nachdem FIDE das Appeals
Committee neubesetzt hat, erfolgte ein Protest von Herrn Kramnik, da wir sicher
waren, dass die neuen Mitglieder dieses Komitees die rechtswidrige Entscheidung
ihrer Vorgänger außer Kraft setzen und Partie 5 neu ansetzen können. Die
lapidare Ablehnung lautete jedoch, dass die Entscheidung des alten Komitees
rechtskräftig sei. Die Behauptung von Herrn Savinov, man habe mich an die
Hinterlegung der Kaution erinnern müssen, ist ebenso falsch. Die erforderliche
Kaution in Höhe von USD 5,000 wurde auf dem Protest selbstverständlich
gezeichnet. Es ist bemerkenswert, dass die Summe nicht einbehalten wurde,
insofern hat man den Protest immer als „vernünftig“ eingestuft. Wenn man ihn
aber schon als „vernünftig“ einstuft, hätte meines Erachtens das neue Komitee
auch die Pflicht und Schuldigkeit gehabt, den Sachverhalt zu prüfen.
Ich möchte darauf hinweisen,
dass das Team Kramnik alle rechtlichen Möglichkeiten unter Beratung des
deutschen Sportrechtsexperten Dr. Reinhard Rauball hier vor Ort in Elista
ausgeschöpft hat.
Da FIDE offensichtlich nicht
in der Lage und willens war, die rechtswidrige Entscheidung innerhalb der
eigenen Struktur zu korrigieren, wird Vladimir Kramnik nach Beendigung des
Wettkampfes die CAS Sportgerichtsbarkeit in Lausanne/Schweiz anrufen, die als
Gerichtsstand vereinbart wurde. Beginnend mit Partie 5 spielt Vladimir Kramnik
alle Partien unter Protest.
Elista, 6. Okotber 2006
Carsten Hensel
(Manager von Wladimir
Kramnik, klassischer Schach-Weltmeister)