Stellungnahme von Carsten Hensel

von ChessBase
06.10.2006 – In dem Bericht von Misha Savinov über den Verlauf der Krise in Elsita, den wir gestern veröffentlich haben, äußerte der Autor die Auffassung, der Manager von Vladimir Kramnik, Carsten Hensel, habe als Delegationsleiter zum kritischen Zeitpunkt am letzten Freitag nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen. In einer Richtigstellung widerspricht Hensel dieser Darstellung und listet noch einmal die Punkte auf, in denen die FIDE sich als vertragsbrüchig erwiesen hat. Nach dem Wettkampf wird Kramnik das CAS Sportgerichtsbarkeit in Lausanne/Schweiz anrufen, die als Gerichtsstand vereinbart wurde. Beginnend mit Partie 5 spielt Vladimir Kramnik alle Partien unter Protest. Richtigstellung...

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Richtigstellung:

 

Unter der Headline „Schach als Titelstory“ wird bei www.chessbase.de in einer Reportage von Misha Savinov der Eindruck erweckt, als sei Vladimir Kramnik im Zusammenhang mit dem Skandal um die 5. Partie schlecht beraten gewesen. Unter anderem wird behauptet:

Allerdings trägt auch Carsten Hensel ein Teil der Verantwortung für die anschließenden Probleme, die den Wettkampf beinahe zum Abbruch geführt hätten. Als Delegationsleiter musste er sich an die Wettkampfregeln halten. Als Bürokrat, wenn man so will. Alle Trümpfe waren in seiner Hand. Die öffentliche Meinung in der ganzen Welt war auf Kramniks Seite. Er musste nur ein paar richtige Züge machen, aber irgendwie wurden sie übersehen. Selbst später, als er schließlich einen offiziellen Protest einreichte, musste ihn das neu gewählte Appeals Committee an die erforderliche Kaution und andere Details erinnern … Um Gottes Willen, RTFM! (Abkürzung für „Read the fucking manual“, etwa: „Lies das verdammte Handbuch“.

Der hier geschilderte Sachverhalt führt völlig in die Irre und an den Realitäten vorbei. Herr Savinov ist in Elista vor Ort und hätte mich jederzeit zum Sachverhalt befragen können. Auch der zuständige Chessbase-Redakteur hätte keine Probleme gehabt, mich vor der Veröffentlichung zu kontaktieren. Mal abgesehen von weiteren polemischen Äußerungen tragen derartige Veröffentlichungen lediglich zur Strategie der Gegenseite bei, die von dem eigentlichen Sachverhalt ablenken möchte.       

Richtig ist:

Die Entscheidung des Appeals Committee, die dem Team Kramnik erst am Vormittag des  Spieltages zugestellt wurde, war endgültig und rechtskräftig. In 3.17.1. der Regeln heißt es: „The written decision of the Appeals Committee arising from any dispute in respect of these regulations shall be final“.

Gegen die Entscheidung des Appeals Committees am Spieltag gibt es FIDE- intern keinerlei weitere Rechtsmittel. Vladimir Kramnik hat im Wissen dessen entschieden, dass er zur 5. Partie nur dann antreten wird, falls seine vertraglich vereinbarten Rechte im Einklang mit den Regeln des Wettkampfes wieder instand gesetzt werden. In der Tat hat das Komitee auf diesen mündlichen Protest vor Partie 5 im Spielsaal reagiert, die Partie um 22 Minuten verschoben und die Meinung von FIDE-Präsident Kirsan Iljumshinov eingeholt. Dieser hat die bereits rechtskräftige Entscheidung des Komitees bestätigt. Der Rest ist bekannt.  

Es ist unzweifelhaft, dass die FIDE mit der Entscheidung des Appeals Committee den Vertrag in folgenden Punkten gebrochen hat:

a)      All protests must be submitted in writing to the Appeals Committee not more than 2 hours after the relevant playing session. If possible, the Committee shall reach the decision not more than 2 hours after the submission of the protest. 

b)     After the World Chess Championship Committee agrees with the Organizers on the arrangements in respect of the tournament hall, facilities etc. etc. etc……., no objections from the participants shall be acceptable as long as the conditions are in accordance with the rights of the players granted in their agreements.

c)      FIDE shall provide a restroom and toilet for the players during the WCC. 

Der zu erwartende Rechtsstreit richtet sich allein gegen die Vertragsbrüche des Komitees:

Zu a) Weder ist der Topalov-Protest innerhalb von zwei Stunden nach Partie 4 eingereicht worden noch hat ihn das Komitee innerhalb weiterer 2 Stunden entschieden, obwohl alle Mitglieder waren vor Ort waren. Ich bin erst in der Nacht zur 5. Partie angehört worden und habe gleich erklärt, dass eine Veränderung der Spielbedingungen Vertragsbruch bedeutet.  

Zu b) Hier wird eindeutig ausgeführt, dass die vereinbarten Bedingungen ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr ohne Zustimmung aller Parteien veränderbar sind – schon gar nicht nach Beginn des Wettkampfes –, was dennoch geschehen ist.

Zu c) Im Vertrag von Herrn Kramnik ist der Ruheraum nebst Toilette ausdrücklich vereinbart. 

Nach unserer Auffassung hätte das Appeals Committee den Topalov-Protest überhaupt nicht annehmen dürfen, und schon gar nicht zu Gunsten der Gegenseite unter bewusstem Vertragsbruch entscheiden dürfen. Die 5. Partie hätte unter diesen Bedingungen niemals angesetzt werden dürfen. Die Entscheidung Vladimir Kramnik’s unter den so kurz vor Beginn der Partie geänderten Bedingungen nicht anzutreten, war sein gutes Recht.  

Mit den Rücktritten der Herren Makropoulos und Azmaiparashvili sowie durch das Widereinsetzen der vereinbarten Spielbedingungen für Herrn Kramnik zur 6. Partie gestand die FIDE klar ein, dass das Appeals Committee eine krasse Fehlentscheidung getroffen hat.

Nachdem FIDE das Appeals Committee neubesetzt hat, erfolgte ein Protest von Herrn Kramnik, da wir sicher waren, dass die neuen Mitglieder dieses Komitees die rechtswidrige Entscheidung ihrer Vorgänger außer Kraft setzen und Partie 5 neu ansetzen können. Die lapidare Ablehnung lautete jedoch, dass die Entscheidung des alten Komitees rechtskräftig sei. Die Behauptung von Herrn Savinov, man habe mich an die Hinterlegung der Kaution erinnern müssen, ist ebenso falsch. Die erforderliche Kaution in Höhe von USD 5,000 wurde auf dem Protest selbstverständlich gezeichnet. Es ist bemerkenswert, dass die Summe nicht einbehalten wurde, insofern hat man den Protest immer als „vernünftig“ eingestuft. Wenn man ihn aber schon als „vernünftig“ einstuft, hätte meines Erachtens das neue Komitee auch die Pflicht und Schuldigkeit gehabt, den Sachverhalt zu prüfen.     

Ich möchte darauf hinweisen, dass das Team Kramnik alle rechtlichen Möglichkeiten unter Beratung des deutschen Sportrechtsexperten Dr. Reinhard Rauball hier vor Ort in Elista ausgeschöpft hat. 

Da FIDE offensichtlich nicht in der Lage und willens war, die rechtswidrige Entscheidung innerhalb der eigenen Struktur zu korrigieren, wird Vladimir Kramnik nach Beendigung des Wettkampfes die CAS Sportgerichtsbarkeit in Lausanne/Schweiz anrufen, die als Gerichtsstand vereinbart wurde. Beginnend mit Partie 5 spielt Vladimir Kramnik alle Partien unter Protest.

Elista, 6. Okotber 2006

Carsten Hensel

(Manager von Wladimir Kramnik, klassischer Schach-Weltmeister)

 

 

 


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