Offener Brief an die Landesverbände
Sehr geehrte Mitglieder des Deutschen Schachbundes,
Ich habe mich entschlossen, diesen Brief zu schreiben, um Euch einen Eindruck über die aktuelle Lage im Bereich Leistungssport zu vermitteln. Als Bundestrainer habe ich meine Aufgabe insbesondere darin gesehen, den Leistungssport mit allen mir möglichen Mitteln zu stärken, zu unterstützen und voranzubringen. Die jetzige Situation im Leistungssportbereich ist jedoch unerträglich und ich möchte nicht länger dabei zuzusehen, wie Alles allmählich demontiert wird, was ich in meiner Amtszeit als Bundestrainer aufgebaut habe.
Seit Januar 2014 bin ich als Bundestrainer für den DSB tätig. Geleitet von den Gedanken, die Leistungssportler auf ihren Weg nach oben mit allen Kräften zu unterstützen und eine optimale Teamatmosphäre zu schaffen, habe ich in 2014 und 2015 nicht nur verschiedene Lehrgänge sondern auch zahlreiche Einzeltrainings mit Kaderspielern durchgeführt. Darüber hinaus habe ich auch zusätzliche Trainingsmaßnahmen (Schachjahr Blübaum/Wagner) für unsere Jungtalenten der Prinzengruppe ins Leben gerufen.
Im Mai 2016 kam die WENDE. Die Ära des neuen Leistungssportreferenten Thomas Luther hatte begonnen. Leider lassen mich seine bisherigen Amtshandlungen befürchten, dass der Leistungssport unter seiner Regie nicht nachhaltig gefördert wird. Während seiner Amtszeit hat er u. a.:
1. Desinteresse an neuen Schachprojekten gezeigt,
2. Spieler und Trainer diskreditiert,
3. angedachte Fördermaßnahmen des DSB abgelehnt,
4. unzulässige Änderungen im Protokolls der KL-Sitzung vom Juni 2016 vorgenommen,
5. ist illoyal meiner Person gegenüber aufgetreten,
6. hat versucht, die Teilnahme von Kaderspielern an einem Schachlehrgang zu verhindern,
7. durch seine Einwände die Durchführung des Länderkampf gegen Aserbaidschan gefährdet,
8. zum Ausfall einer örtlichen KL-Sitzung beigetragen
9. die Nominierungen für das German Masters 2017 hinausgezögert
10. die Verteilung von Chessbase-Software verschleiert und
11. den rechtzeitigen Erwerb von Schachbüchern zu Trainingszwecken verhindert.
Detaillierte Ausführungen zu den vorgenannten Punkten finden Sie im Anhang.
Es wäre schön, wenn sich in diesem Jahr im Unterschied zu 2016, mehrere Kandidaten zur Wahl stellen würden, um einen Referenten zu finden, der den Leistungssport nachhaltig fördert und eine gute Zusammenarbeit im Team gewährleistet.
Dorian Rogozenco
02.03.2017
Anlage
1. Desinteresse an neuen Schachprojekten
Ende Mai 2016 sind während verschiedener Sitzungen und Gespräche zum Thema Leistungssport mehrere Vorschläge und Ideen hinsichtlich der Förderung von Kaderspielern diskutiert worden. Unter anderem ging es um 2 neue Schachjahr-Projekte mit Jan-Christian Schröder und eventuell mit Dmitrij Kollars sowie um neue individuelle Einzeltrainingspläne. Thomas Luther äußerte sich zu keinem der Projekte. Aufgrund dessen kam es nicht zur Umsetzung dieser.
2. Diskreditierung von Spielern und Trainern
Nach seinem Amtsantritt als Leistungssportreferent hielt es Thomas Luther für erforderlich, mehrere Trainer, Spieler und Funktionäre davon zu überzeugen, dass einige der Nationalspieler zu schlecht, zu alt oder einfach nur Fehl am Platze sind. Auch meine Person diskreditierte er. In seinen Augen sei es für den DSB peinlich, einen unqualifizierten und der deutschen Sprache nicht mächtigen Trainer als Bundestrainer für Deutschland einzustellen. Während einer Sitzung legte er mir sogar nahe, einen Deutschkurs zu besuchen.
Zu seiner 1. Kommissionssitzung im Juni 2016 in München erschien Thomas Luther in Begleitung des Nationalspielers Georg Meier. Er kritisierte meine Zweitnominierung für die Dortmunder Schachtage 2016 mit der Begründung, dass es sich bei dem Nominierten um einen "schwachen Spieler“ handeln würde. Dass er mit meinen Nominierungen für die Schacholympiade in Baku ebenfalls nicht einverstanden war, lasse ich an dieser Stelle unkommentiert.
3. Ablehnung von angedachten Fördermaßnahmen des DSB
Mein Vorschlag, den Weltklassetrainer Vladimir Chuchelov für die Durchführung von Lehrgängen und Seminaren mit Trainern und Kaderspielern zu gewinnen, wurden binnen weniger Sekunden mit nur einem Satz Luthers zerstört: "Er ist ein schlechter Trainer!" Zur Info: GM V.Chuchelov war über viele Jahre hinweg der Trainer von Fabiano Caruana, arbeitete mit Top Spielern wie Anish Giri, Teimour Radjabov, Hou Yifan und vielen anderen. Erklärungen für solche Behauptungen gab der neue Leistungssportreferent bedauerlicher Weise nie.
4. Unzulässige Änderungen des Protokolls der KL-Sitzung vom Juni 2016
Im Juli 2016 wurde dem Referent Leistungssport das Protokoll der KL-Sitzung vom Juni vom Protokollführer der Sitzung zur Verfügung gestellt. Thomas Luther machte sich die Mühe, das Protokoll zu korrigieren und an manchen Stellen sogar zu kürzen. Damit wurde es nicht nur überschaulicher, sondern man hatte das Gefühl, an einer komplett anderen Sitzung teilgenommen zu haben. Diese neue Version wurde im August an die KL-Mitglieder und Landesverbände verschickt. Erst aufgrund der Einwände anderer Kommissionsmitglieder wurde das Protokoll so geändert, dass es den tatsächlichen Sitzungsinhalt widerspiegelte. Den Landesverbänden liegt (nach meinem Kenntnisstand) bis heute nicht das korrekte Protokoll zur Sitzung vom Juni 2016 vor.
Seine „Fehlinterpretationen“ rechtfertigte Thomas Luther im Nachgang übrigens mit mangelndem Erinnerungsvermögen. Es wäre doch durchaus verständlich, so Th. Luther, dass man sich im August nicht mehr detailgenau an die Fakten vom Juni erinnert. Die ihm zur Verfügung stehende Vorlage des Protokollführers aktivierte scheinbar nicht sein Erinnerungsvermögen.
5. Illoyales Auftreten gegenüber meiner Person
Thomas Luther war während der Olympiade in Baku als Delegierter für die "FIDE Commission for the Disabled" vor Ort. Den Kontakt zu seinen Leistungssportlern suchte er dort nicht. Jegliche Begrüßungen seinerseits blieben aus. Erst nach der Olympiade fand er die Möglichkeit, einige Spieler zu befragen, ob es für sie in Ordnung wäre, wenn die Mannschaft zukünftig von einem anderen als den Bundestrainer begleitet wird.
Die Atmosphäre im Team während der Olympiade in Baku ließ ebenfalls zu Wünschen übrig. Vielleicht bedingt durch die Querelen im Vorfeld im Rahmen der KL-Sitzung, siehe Punkt 2. Es ging so weit, dass ein Nationalspieler den von mir nominierten Eröffnungstrainer ignorierte und auch Abstand von seinen Mannschaftskollegen nahm. Gestärkt und unterstützt vom Leistungssportreferenten fürchtete er keine Disziplinarmaßnahme als Konsequenz für sein unangebrachtes Verhalten während der Olympiade im Nachgang.
6. Ablehnung der Teilnahme von Kaderspielern an einem Schachlehrgang
Im Oktober 2016 hat Thomas Luther mit allen möglichen Mitteln versucht, die Teilnahme unserer Spitzenkader an einem vom Schachzentrum Baden-Baden organisierten Lehrgang mit Weltklassetrainer Vladimir Chuchelov zu verhindern. Als Begründung gab er erhöhte Reise- und Hotelkosten der Spieler an, obwohl diese Kosten bereits im Vorfeld eingeplant und somit gedeckt waren. Es kostete mich unheimlich viel Zeit und Energie, die Teilnahme der Kaderspieler doch noch zu ermöglichen. Erst die Drohung, an die Öffentlichkeit zu gehen, half.
7. Erschwerung des geplanten Länderkampfes mit Aserbaidschan
Im November 2016 entstand die Idee, im Herbst 2017 einen Frauen-Länderkampf in Baku gegen Aserbaidschan als eine Vorbereitungsmaßnahme für die Mannschaft-EM 2017 zu organisieren. Die Aserbaidschanischen Frauen hatten bei der Olympiade in Baku Platz 8. belegt und wären somit ein idealer Trainings-Partner für uns gewesen. Die Aserbaidschanische Seite hatte signalisiert, alle Kosten für das Deutsche Team in Baku zu übernehmen (Transfer, Übernachtung, Vollpension). Unsere Spielerinnen hatten sich bereit erklärt, ohne Honorar zu spielen. Allen war klar, wie wichtig diese Trainingsmaßnahme vor der Mannschaft-EM 2017 für die Mannschaft sein könnte. So ein Länderkampf hätte den traditionellen Vorbereitungslehrgang in Deutschland ersetzt und wäre auch nicht teurer gewesen. Thomas Luther hatte diesbezüglich jedoch ernsthafte Bedenken. Ein Länderkampf mit Aserbaidschan wäre schließlich eine politische Entscheidung, die wenn, nur das Präsidiums treffen könnte. Auch bräuchte man dafür einen Delegationsleiter, denn der Bundestrainer könnte diese Aufgabe laut Th. Luther nicht auch noch übernehmen. Ein Delegationsleiter war im Leistungssportbudget nicht einkalkuliert, so dass es bei der Organisation des Länderkampfes zum Stillstand kam. Erst mit Hilfe und Unterstützung durch den DSB Präsidenten konnten die Gespräche mit Aserbaidschan wieder aufgenommen werden. Allerdings ist momentan unklar, ob die Aserbaidschanische Seite immer noch zu einem Länderkampf bereit ist.
8. Ausfall einer örtlichen KL-Sitzung
Jedes Jahr werden zwei Kommissionssitzungen im Leistungssport durchgeführt, eine um Juni/Juli und die andere im Dezember. Wie unter Punkt 2 erwähnt, fand unsere erste Sitzung im Juni 2016 in München statt. Die 2. sollte auf Wunsch von Thomas Luther Mitte November in Hamburg stattfinden.
In der Vergangenheit war ausschließlich in zentralen Städten getagt worden, um die Anreisezeiten der Kommissionsmitglieder auf maximale 3-4 h zu begrenzen und die Kosten zu minimieren. Nachdem bereits die 1. Sitzung mit längeren Anfahrtswegen für manche Kommissionsmitglieder mit höheren Kosten verbunden war, waren einige Kommissionsmitglieder nicht damit einverstanden, dass die Sitzung in Hamburg stattfinden sollte. Andere Mitglieder fanden den Termin im November verfrüht, da in den Vorjahren stets die November-ELO-Liste für die Kadernominierung herangezogen worden war und von dieser Routine nicht einfach so abgewichen werden sollte. Die Kommissionsmitglieder stimmten sich deshalb untereinander ab und schlugen als neuen Termin den 7. oder 8. Dezember 2016 vor. Zu diesem Zeitpunkt waren alle verfügbar. Thomas verwies die Mitglieder lediglich auf die Satzungen und Ordnungen des DSBs, nach der der Vorsitzende die Sitzungen einzuberufen hat.
Mir ist bis heute nicht klar, ob Thomas die Sitzung nicht doch auf einen der beiden Tage im Dezember verlegen hätte können. Die Zeit für eine mehrstündige Telefonkonferenz mit 4 Kommissionsmitgliedern einschließlich meiner Person am 7. Dezember hatte er jedenfalls.
Die vom DSB auf den 1. Dezember festgesetzte Sitzung fand ebenfalls nicht statt, weil mehrere Mitglieder absagen mussten und andere gar nicht mehr darauf reagiert hatten.
Letztendlich fiel die Sitzung aus und die Kader wurden im Rahmen einer Abstimmung per Email nominiert. Offene Fragen, unklare Kandidaten etc. konnten somit nicht diskutiert werden.
9. Herauszögern der Nominierungen für das German Masters 2017
Im Januar 2017 hat es der Referent Leistungssport bei einer Telefonkonferenz abgelehnt, über die Nominierungen für das German Masters 2017 zu diskutieren. Dass dieser Punkt seit Dezember 2016 auf der Tagesordnung stand, war für ihn irrelevant. Argumente, wie Nachfragen des Veranstalters oder Trainingspläne der Sportler, ließen ihn kalt. Erst als ich ihm damit "drohte", seine Ablehnung im Protokoll festzuhalten, konnten wir letztendlich doch noch über die Nominierungen sprechen. Meine Nominierungsvorschläge wurden –für mich wenig überraschend– nur teilweise akzeptiert. Wer für das German Masters nominiert wird, steht in Folge dessen bis heute nicht fest, sodass die Veranstalter und auch Hauptsponsor des DSB, die UKA Meißen GmbH weiterhin im Dunkeln tappen.
Auch der Frauenkapitän für die nächste Mannschaft-EM wurde bis heute nicht festgelegt, weil die Diskussion darüber auf einen späteren Termin verschoben werden musste, da sich Thomas Luther zu meinen Vorschlägen nicht äußern konnte.
10. Festlegung der Kaderspieler, die mit Software von ChessBase versorgt werden
Der DSB hat einen Vertrag mit Chessbase, nach welchem A- und B- Kader sowie potentielle NationalspielerInnen und auch Trainer jährlich mit ChessBase Software versorgt werden. In diesem Jahr war ich erstmalig nicht in die Aufstellung der SpielerInnen und Trainer, die mit Trainingsmaterial ausgestattet werden sollten, eingebunden worden. Erst im Nachhinein erfuhr ich von manchen SpielerInnen, dass sie nicht mehr mit ChessBase Software versorgt werden. Mir ist unverständlich, dass die Auswahl der SpielerInnen und Trainer ohne Anhörung des Bundestrainers, der ständig mit den Kadern arbeitet, vorgenommen worden ist. Sogar die Geschäftsführung der ChessBase GmbH war von dem damit verbundenen Chaos irritiert und hatte schriftlich um Klarheit gebeten.
11. Erwerb von Schachbüchern zu Trainingszwecken
Zu Trainingszwecken bestelle ich einmal jährlich einige neue Schachbücher. Diese Bücher sind natürlich Eigentum des DSB, werden aber von mir anlässlich von Trainingsmaßnahmen mit den KaderspielerInnen genutzt. Am 3. Februar 2017 habe ich Thomas Luther um die Genehmigung gebeten, acht Bücher bestellen zu dürfen und um eine rasche und positive Antwort gebeten. Drei dieser Bücher benötigte ich dringend für die Vorbereitung von Elisabeth Pähtz auf die Frauen-WM (vom 11.2 bis 4.3.) im Iran. Die Antwort von Thomas Luther kam am 5. Februar und lautete wie folgt: "Ich schlage vor, diesen Antrag bei der nächsten Sitzung im März zu besprechen".