“Higher League” der Russischen
Meisterschaft in Tschechows Geburtsstadt
Sechs Runden wurden in der “Higher League”
der Russischen Meisterschaften bislang gespielt. Alleiniger Tabellenführer ist
der 18-jährige Sanan Sjugirov. Im Frauenturnier liegt nach fünf Runden Elena
Zaiatz an der Spitze.
Von Anna Burtasova
Tabelle nach der 7. Runde
Quelle: Chess-Results
Frauenturnier
Quelle: Chess-Results
Die “Higher League” der Russischen Meisterschaften ist ein großes und starkes
Qualifikationsturnier für das Superfinale und wird nach Schweizer System
gespielt. Allerdings kann nicht jeder einfach so teilnehmen – es gibt
Rating-Limits und Qualifikationsturniere. Infolgedessen ist die “Higher League”
für sich genommen schon ein sehr interessantes und starkes Turnier mit einem
Preisfonds von 2.500.000 Rubeln (etwa 62.500 Euro) bei den Herren (12.500 Euro
davon gehen an den Sieger) und 500.000 Rubeln (etwa 12.500 Euro) bei den Frauen
(2.500 für die Siegerin). Im Vorjahr gewann Ian Nepomniachtchi die “Higher
League”, um anschließend das Superfinale zu gewinnen und Russischer Meister 2010
zu werden.
62 Teilnehmer gehen an den Start und die
Setzliste wird von berühmten Großmeistern angeführt: Nikita Vitiugov (2733),
Dmitry Jakovenko (2732), Evgeny Tomashevsky (2707), Alexander Morozevich (!)
(2694), Vladimir Potkin (2682), Sergey Rublevsky (2682), Mikhail Kobalia (2679)
und Ernesto Inarkiev (2679). 48 der 62 Teilnehmer sind Großmeister.
Besonders gespannt sind die Zuschauer auf
das Abschneiden von Alexander Morozevich, der sich im letzten Moment zur
Teilnahme entschlossen hat und damit nach einer langen Pause erstmals wieder an
den Start geht.
Im Frauenturnier treten 34 Spielerinnen an und Favoritinnen sind Valentina
Gunina (2487), Elena Zaiatz (2430) und Ekaterina Kovalevskaya (2427), die alle
auch in der Russischen Frauennationalmannschaft spielen.
Dieses Jahr finden das Herren- und das
Frauenturnier im gleichen Ort statt – in der im Süden gelegenen Stadt Taganrog,
dem berühmten Geburtsort des russischen Dramatikers und Autors Anton Tschechow.
Letztes Jahr gab es beim Herrenturnier in
Irkutsk zahlreiche Remispartien, vor allem in der letzten Runde. Deshalb wurden
dieses Jahr ein paar neue Regeln eingeführt. Zunächst einmal wird nach
“Sofia-Regeln” gespielt – vor dem 40. Zug darf man nicht Remis anbieten oder
Remis annehmen (dreimalige Stellungswiederholung ausgenommen)! Eine weitere
“Neuerung” besteht darin, dass sich anders als bei vorherigen Turnieren, in den
es immer fünf Qualifikationsplätze gab, dieses Jahr nur drei Spieler für das
Superfinale qualifizieren. Diese Maßnahmen sollen das Turnier kämpferisch machen
und die Zahl schneller “Großmeisterremisen” verringern. Wenn man sich die
Partien anschaut, so scheint das bislang von Erfolg gekrönt zu sein! Die meisten
Remispartien waren ausgekämpft und lediglich zwei oder drei Partien endeten
schon früh mit Zugwiederholung.
Da die Frauen bislang immer gekämpft haben,
gibt es hier weiterhin fünf Qualifikationsplätze für das Superfinale.
Die Herren spielen 11 Runden – mit einem
Ruhetag am 21. Juni – die Frauen spielen 9 Partien und haben drei freie Tage.
Bei den Männern liegt der 18 Jahre alte
Sanan Sjugirov mit 5 aus 6 alleine an der Spitze. Er startete mit Siegen gegen
IM Andrey Stukopin, Ruslan Musaev und GM Igor Kurnosov mit 3 aus 3 gut ins
Turnier. Nach zwei Unentschieden mit GM Vadim Zvjaginsev und GM Maxim Matlakov
gewann Sjugirov in der sechsten Runde mit Schwarz eine wichtige Partie gegen
Evgeny Najer. Schwarz gewann irgendwann eine Figur, aber überraschenderweise
übersahen beide Spieler im Anschluss eine ziemlich leichte Möglichkeit, wie Weiß
sich ins Remis hätte retten können!
Najer – Sjugirov
30.
Lg4 Tc7
Diagramm nach 30… Tc7
31.
Le6?
Bei der anschließenden Analyse der Partie kam es
zu folgendem Austausch zwischen Najer und Sjugirov:
Najer: Was
ist mit Lb6?… Ich sah folgende Variante: 31. Lb6 Sxb6 32. axb6 Tc3 33. Dxe4 Dd8
34. Te1 Lf6 35. De8
Sjugirov: Ich
nehme mit 35. … Dxe8 und spiele nach 36. Txe8 Кf7
Najer: Dann
kommt 37. Tb8 Lxd5 38. b7
Sjugirov: Was
ist mit 38. … Tc7?
Najer: 39.
Tf8!
Sjugirov: …
Ah, dann kann ich mattsetzen! 38... Tc1 39. Кh2 Le5
Najer: Ja,
die Stellung ist wohl verloren. Ich habe auch an 31. Lxd7 Txd7 und 32. Dg4
überlegt, aber nicht gesehen, wie es weitergeht. 32. … Dc8 33. De6 Кg7 34. Ld4
und 34. …Кf8
Aber die
Antwort ist nicht allzu schwer, obwohl ein Figurenrückzug natürlich nicht immer
leicht zu sehen ist: 35. Le3! Das rettet die Partie!
Najer: Den
Läuferrückzug habe ich übersehen – eine wichtige Idee!
31…Kg7 32.Dd2 Se5
33.Kh1 Lc8 34.Lh6+ Kh8 35.Te1 Lxe6 36.dxe6 Kg8 37.Dd4 Db7 38.Dxe4 Dxe4 39.Txe4
Tc4 40.f3 Txe4 41.fxe4 Sc6 0–1
Mit diesem Sieg schob sich Sjugirov an die Spitze. GM Artem Timofeev aus Kazan
liegt einen halben Punkt dahinter. 11 Spieler haben vier Punkte – unter ihnen
Tomashevsky, Vitiugov, Alekseev und Morozevich.
Für Morozevich läuft das Turnier nicht so
gut, wie man es von einem Supergroßmeister erwarten könnte. Zudem verschweigt
das reine Ergebnis, dass Morozevich in einigen Partien glücklich ins Remis
entschlüpfen konnte, vor allem gegen GM Alexander Khalifman. Mit
Materialrückstand zu spielen wurde zu einem Markenzeichen Morozevichs in diesem
Turnier, allerdings zahlte sich sein aggressives Vorgehen nicht immer aus.
Im Frauenturnier liegt Elena Zaiatz mit 4,5
aus 5 alleine an der Spitze. Valentina Gunina und Daria Charochkina folgen mit 4
Punkten.
In der Runde vor dem Ruhetag gewann Zaiatz mit Schwarz gegen Marina Romanko.
Valentina Gunina kam gegen Evgenia Ovod zu
einem Sieg und liegt einen halben Punkt hinter der Spitzenreiterin.
Anastasiya Bodnaruk gewann in Runde vier
gegen Baira Kovanova und liegt mit 3,5 Punkten auf dem geteilten vierten Platz.
Elena Tomilova und Evgenia Ovod.
* * *
Die Eröffnungsfeier fand in einem der
schönsten Gebäude in Taganrog statt – dem Alferaki-Palast.
Bei der Eröffnungsfeier tanzten die
Schachfiguren.
Der Auftritt des Chors war wegen der Akustik
des Palasts besonders eindrucksvoll.
Tataina Kosintseva, Svetlana Matveeva und
Anastasiya Savina (die in der Deutschen Frauenbundesliga für Bad Königshofen
spielt) während der Eröffnungsfeier.
Ex-Europameisterin Tatiana Kosintseva und
Mitglied der Frauennationalmannschaft spielt bei den Männern mit und hat nach
sechs Runden 50 Prozent.
Evgeny Romanov
Mikhail Kobalia
Dina Belenkaya
Sergey Grigoriats
Igor Kurnosov
Igor Lysyj
Marina Romanko
Der Spielsaal
* * *
Taganrog liegt am nördlichen Rand der Bucht
von Taganrog (Asowsches Meer) und ist die führende Industriestadt der Region
Rostov. Die Stadt geht zurück auf die früheste griechische Ansiedlung im
nordwestlichen Gebiet des Schwarzen Meers und wurde vom griechischen
Geschichtsschreiber Herodot als Emporion Kremnoi erwähnt.
Denkmal Peters des Großen
Peter der Große weihte Taganrog am 21.
September 1698 als Kriegshafen ein und später ankerte hier die Flotte von
Katharina der Großen (1770–1783). Diese Flotte wurde später zur russischen
Schwarzmeerflotte.
Zahlreiche
russische und internationale Politiker und Künstler sind in Taganrog geboren
oder haben dort gelebt. Taganrog ist die Geburtsstadt von Anton Tschechow und
der Schauspielerin Faina Ranevskaya; spricht man von Taganrog, fallen einem
Berühmtheiten wie die russischen Zaren Peter I und Alexander I ein; der
italienische Revolutionär Giuseppe Garibaldi, der Komponist Peter Tschaikowsky,
der Kriegsheld Ioannis Varvakis, um nur ein paar zu nennen.
Natürlich ist die
Erinnerung an den herausragenden Dramatiker Anton Tschechow, der in Taganrog
geboren wurde, hier seine Jugend verbracht hat und hier mit dem Schreiben
begann, eine der größten Touristenattraktionen der Stadt. Die Organisatoren der
Meisterschaft luden alle Teilnehmer zu einem Besuch von Tschechows Geburtshaus
ein, sowie auch zu einem Besuch des größeren Hauses, in dem er lebte, nachdem
sein Vater durch den Handel mit Zucker, Kaffee, Tee und anderen
Kolonialprodukten reich geworden war. Auf dem Programm stand auch ein
Stadtrundgang, in dem gut erhaltene Gebäude aus dem 19. Jahrhundert an den Geist
der Zeit erinnern, als Taganrog einen rasanten Aufschwung erlebte.
Das Haus, in dem Tschechow am 17. Januar 1860 zur Welt kam. Ein ziemlich kleines
Haus mit vier schmalen Zimmern. Allerdings war der Garten groß.
Im Inneren des
Hauses. Hier verbrachte der spätere Autor einige Jahre seiner Kindheit.
Bald entwickelte
sich das Geschäft von Tschechows Vater, der als streng bekannt war, immer
besser, und er eröffnete einen Laden in einem großen Haus in der Stadtmitte.
Hier verbrachte Anton Tschechow seine Jugend. Die Familie war groß – sechs
Kinder. Anton war der dritte Sohn.
Das Geschäft von
Tschechows Vater. Die Kinder der Tschechow-Familien halfen im Geschäft ihres
Vaters mit. Schlechte Arbeitsbedingungen – große Hitze im Sommer,
unterschiedlichste Dämpfe und schwere Säcke – schadeten der Gesundheit der
Kinder und auch Anton hatte später eine eher schwache Konstitution.