Tata Steel Chess: Indische Spieler stark, Vidit bleibt in Führung

von André Schulz
18.01.2022 – An der Spitze des Masters gab es nach der vierten Runde keine Veränderungen an der Tabellenspitze. Vidit bleibt nach einem Remis gegen Esipenko vorne. Im Challengers kassierte Roven Vogel die erste Niederlage. Sein Gegner Erigaisi übernahm die alleinige Führung. | Fotos: Lennart Ootes, Jurriaan Hoefsmit (Tata Steel Chess Tournament 2022)

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Lange Tradition in Wijk aan Zee

Das Turnier von Wijk an Zee hat eine sehr lange Tradition, die bis in die 1930er Jahre zurückreicht. Der Hauptsponsor war immer der gleiche, die Stahlfabrik am Nordseekanal. Die Stahlerzeugung war der Motor der fortschreitenden Industrialisierung. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden überall in der Welt gewaltige Konstruktionen aus Stahl gebaut. Der Eiffelturm in Paris ist das weithin sichtbare Denkmal dieser Zeit.

Im Laufe der Jahrzehnte wechselte die Fabrik aber mehrfach den Besitzer und das Turnier den Namen.

Anfangs hieß die Fabrik Hoogovens und die Turniere, zu Beginn noch in Beverwijk gespielt, hießen entsprechend Hoogovens-Turniere. 

Dann wurde die Konkurrenz bei der Stahlproduktion immer größer. Und außerhalb Europas produzierten die Firmen billiger. Die niederländische Hoogovens fusionierte aus wirtschaftlichen Gründen mit British Steel zu Corus. Von 2000 bis 2010 hießen die Turniere in Wijk aan Zee deshalb Corus-Turniere. Dann kaufte die indische Firma Tata Corus auf und setzt die Schachtradition weiter fort.

Das Schachturnier passt gut zum Selbstverständnis des indischen Konzerns und es passt auch gut in die Zeit. Nirgendwo sonst auf der Welt wird derzeit so begeistert Schach gespielt wie in Indien. Mit "Tata Steel Chess India" hat der Hauptsponsor inzwischen auch einen Ableger des Turniers in seinem Heimatland geschaffen.

Der Auslöser dieses Schachfiebers, Vishy Anand, hat selber viele Jahre in Wijk sehr erfolgreich gespielt. In diesem Jahr ist der Vorgänger von Weltmeister Carlsen jedoch nicht dabei. Jüngere Spieler sind gefordert, auch aus Indien.

Der Sponsor wird sich über das Auftreten der indischen Spieler freuen. Im Masters vertreten Vidit und Praggnanandhaa die indischen Farben. Im Challengers sind die indischen GMs Erigaisi und Ganguly am Start.

Vidit ist hinter Anand derzeit die Nummer zwei des indischen Schachs. Mit Harikrishna hat das Land noch einen dritten Spieler über 2700 Elo in der Weltrangliste. In der Länderliste, nach dem Schnitt der zehn besten Spieler des Landes errechnet, nimmt Indien inzwischen Rang fünf ein, hinter Russland, den USA, China und der Ukraine. In der indischen Rangliste befinden sich viele sehr junge Großmeister, im Jahr 2000 und später geboren, die weiter nach vorne stoßen werden. Sehr bald wird Indien die Ukraine überholen und dann vielleicht auch China den dritten Platz streitig machen.

Mit 27 Jahren gehört Vidit Gujrathi schon zu den älteren der jungen indischen Großmeister. Seit einigen Jahren ist er auch Teil des Sekundanten-Teams von Anish Giri. Vidit startete mit einem Sieg gegen Sam Shankland in das diesjährige Tata Steel Turnier, spielte gegen Fabiano Caruana remis und besiegte in Runde drei Daniil Dubov. Damit glich Vidit quasi das Ergebnis im Duell "Carlsen-Team" gegen "Giri-Team" aus, denn Dubovs Chef hatte gegen Vidits Chef in Runde zwei gewonnen. Ein paar Matches in diesem inoffiziellen Wettkampf stehen aber noch aus. Viel wichtiger war aber, dass Vidit mit diesen 2,5 Punkten die Führung im Masters übernommen hat. Darüber wird sich auch der Sponsor freuen.

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Hinter Vidit folgten in der Tabelle fünf Spieler mit zwei Punkten, darunter befand sich auch Magnus Carlsen.

J. van Foresst und Magnus Carlsen

In der 4. Runde erhielt Vidit den russischen Nachwuchs-Großmeister Andrey Esipenko als Gegner. Esipenko, Jahrgang 2002, ist hinter Alireza Firouzja die Nummer zwei in der Liste der weltbesten Jugendlichen und ist immer für eine Überraschung gut. Im letzten Jahr besiegte er Carlsen, in Runde drei in diesem Jahr Karjakin. Die Partie wurde auf italienischem Gelände gespielt; vidit hatte Weiß, und endete remis.

Ohne Sieger blieben auch die Begegnungen zwischen Karjakin und Giri sowie Caruana gegen Dubov und Shankland gegen Rapport. Magnus Carlsen und Jorden van Foreest teilten ebenfalls den Punkt.

Jan-Krzystof Duda stand mit den schwarzen Steinen im Endspiel gegen Shakhryar Mamedyarov klar besser, doch dann verlor der polnische Spitzenspieler den roten Faden.

 

[Mit einem Bauern mehr und aktivem König steht Schwarz klar besser.]

28...e4? [Präziser war 28...Lg7 und 29.Sxf5 Txc2 30.Kxc2 Kxf5 ist nicht zu fürchten, da die weißem Türme nicht zusammenspielen.]

29.Sxf5 Kxf5 30.T3xe4 Txc2 31.Kxc2 [Hier hat Weiß viel mehr Spiel]

31...Lc5 [31...Th7!?]

32.g4+ Kg5 [32...hxg3 33.fxg3 Th2+=]

33.f4+ Sxf4 34.T6e5+ Kxg4 35.Txc5 [Auch hier ist das Endspiel noch ausgeglichen.]

35...Kf3? [Weiß bringt sich selber in Schwierigkeiten.]

[35...h3 führt zum Remis. 36.Tc7 (36.Te1 h2 37.Th1 Th7 38.Ta5 a6=) 36...h2 37.Te1 h1D 38.Txh1 Txh1 39.Txb7]

36.Tb4 [Es droht Tf5 mit Figurengewinn.]

36...h3 [36...Th7 37.Tf5]

37.Tc3+ [37.Tf5 Th4]

37...Kg4 38.Tcc4 Tf8 39.Txb7 h2 40.Th7 Kg3 41.Kb3 [41.Kb3 Kg2 (41...Sd3 42.Tch4) 42.Tc2+–+] 1–0

In der letzten Partie des Tages stand Praggnanandhaa gegen Nils Grandelius bei Redaktionsschluss im Turmendspiel auf Gewinn.

Grandelius und Praggnanandhaa

Masters

Ergebnisse

 

Tabelle

 

Partien

 

 

Challengers

Im Challengers lagen nach drei Runden drei Spieler mit 2,5 Punkten in Front: der junge tschechische Großmeister Thai Dai Van Nguyen, der ebenso junge indische Großmeister Erigaisi und der noch jüngere russische Großmeister Volodar Murzin.

Volodar Murzin

Die drei Spitzenreiter lieferten sich gegen verschiedene Gegner ein Fernduell um die alleinige Führung. Murzin spielte gegen l'Ami remis, Ngyuen teilte mit Shuvalova den Punkt.

Erigaisi kam zu einem Sieg gegen den einzige deutsche Teilnehmer in Wijk, Roven Vogel.

Vogel,Roven (2452) - Erigaisi Arjun (2629) [E94]

84th Tata Steel Challengers 2022 Wijk aan Zee (4.2), 18.01.2022

1.c4 Sf6 2.Sf3 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 5.d4 0–0 6.Le2 e5 7.0–0 Lg4 [Der Zug wurde beim Turnier im letzten Jahr durch die Partie Wojtaszek-Caruana bekannt.]

8.d5 [Die logischste Antwort. Wojtaszek spielte 8.Le3 und kam später in Schwierigkeiten.]

8...a5 9.Se1 Ld7 10.Sd3 Sa6 11.Lg5 h6 12.Le3 b6 13.Dd2 Kh7 14.f4

[Weiß möchte ausnutzen, dass kein schwarzer Springer schnell nach e5 kommen kann. 14.f3!?; Nach 14.b3 muss Weiß auch mit 14...Sxe4 15.Sxe4 f5 rechnen.]

14...exf4 15.Txf4 [Nun droht e5.]

15...De7 16.Taf1 g5 17.T4f2 Tae8

 

18.Lf3 

[Sofort 18.e5!? kam in Betracht:

a) 18...dxe5 19.d6 cxd6 (19...Dxd6 20.Txf6 Lxf6 21.Se4+–) 20.Txf6 Lxf6 21.Sd5+–

b) 18...Sg4 19.Lxg4 Lxg4 20.h3 Lh5 21.Se4 dxe5 22.Sf6+ Lxf6 23.Txf6 Lg6 24.h4 mit weißer Initiative. ) ]

18...Sg4 19.Lxg4 Lxg4 20.h3 Lh5 21.e5 [Hier weniger stark.]

21...Lg6

 

22.Tf5? [Ein Qualitätsopfer, das nicht zündet. Ein Versuch wert war 22.h4!? und falls 22...gxh4 so 23.e6 fxe6 24.Sf4]

22...Sb4 [Am besten.]

[Nach 22...Lxf5 23.Txf5 Dd7 24.Df2 Sb4 25.Sxb4 axb4 26.Se4 Txe5 27.Sf6+ Lxf6 28.Txf6 hält Schwarz mit 28...Txe3 29.Dxe3 Te8 einen Mehrbauern und Vorteil fest.;

22...Lxe5?! 23.Sxe5 Lxf5 24.Txf5 dxe5 25.Se4 Wäre hingegen im Sinne von Weiß gewesen, mit Kompensation für die Qualität.]

23.Sxb4 axb4 24.Se4 Lxf5 25.Txf5 Lxe5 [Damit ist die Partie gelaufen.]

26.Dc2 Kg8 27.Sf2 Lg7 28.Sg4 De4 29.Df2 h5 30.Txg5 hxg4 0–1

Zhu Jiner gewann nach drei Niederlagen gegen Maurizzi den ersten Zähler. 

Ergebnisse

 

Tabelle

 

Partien

 

Turnierseite...


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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