Tata-Steel-Turnier, Runde 8: Carlsen verliert, Firouzja führt

von Klaus Besenthal
24.01.2021 – In der 8. Runde des Tata Steel Chess Tournament in Wijk aan Zee haben heute zwei junge Männer für Furore gesorgt: Der 18-jährige Andrey Esipenko gewann in souveränem Stil gegen Weltmeister Carlsen, nachdem dieser sich lediglich eine kleine Ungenauigkeit erlaubt hatte, und der 17-jährige Alireza Firouzja griff sich mit seinem stark im Endspiel herausgespielten Sieg gegen Pentala Harikrishna gar die alleinige Tabellenführung. Die übrigen fünf Partien endeten remis. | Fotos: © Jurriaan Hoefsmit – Tata Steel Chess Tournament 2021

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Tata Steel Chess Tournament

Mit 5,5/8 liegt Firouzja nun also vorerst alleine an der Tabellenspitze. Einen halben Punkt zurück sind Esipenko, Caruana, Giri und van Foreest aber in Schlagdistanz - bei fünf noch zu spielenden Runden. Sechster ist jetzt Nils Grandelius mit 4,5/8. Ob der Schwede noch die Luft hat, sich ein weiteres Mal in den Kampf um die Tabellenspitze einzuschalten, bleibt abzuwarten. Carlsen und Harikrishna liegen mit ihren 4,0/8 bereits 1,5 Punkte hinter Firouzja und müssten schon eine gewaltige Siegesserie hinlegen, wenn sie das noch aufholen wollten.

Vachier-Lagrave ½-½ J. van Foreest

Maxime Vachier-Lagrave ist bei diesem Turnier bislang nicht richtig in Tritt gekommen. Auch heute hatte der Franzose gegen einen offenbar gut präparierten Jorden van Foreest wieder mit leichten Schwierigkeiten zu kämpfen, schaffte schließlich aber immerhin ein Remis:

 

Donchenko ½-½ Tari

Weiterhin auf seinen ersten Sieg warten muss Alexander Donchenko, dessen Weißremis gegen Aryan Tari eines von der eher entspannten Art war:

 

In Deutschland würden sich viele Schachfreunde freuen, wenn Alexander Donchenko bei diesem Turnier eine Partie gewinnen würde

Duda ½-½ Anton Guijarro

Es dauerte in dieser Partie unglaublich lange, bis das Zentrum geöffnet wurde. Eine Zeit lang war die Situation dann sehr interessant - Anton Guijarro schien eine große Chance auf Vorteil zu haben:

 

Harikrishna 0-1 Firouzja

Auch wenn die Computer hier und da einen Verbesserungsvorschlag haben: Der Sieg von Alireza Firouzja gegen Pentala Harikrishna war einfach unwiderstehlich. Das war Wasser auf die Mühlen der gar nicht so wenigen Leute, die in dem jungen Mann bereits den künftigen Weltmeister zu erkennen glauben!

 

17-jähriger Anwärter auf den Turniersieg: Alireza Firouzja

Esipenko 1-0 Carlsen

In der Sizilianischen Verteidigung wird der schwarze Bd6 häufig von seinem Le7 zuverlässig gedeckt. In dieser Partie gab es diesen Läufer aber nicht mehr, so dass d6 eine ernste Schwäche war. Als der Weltmeister diesen Umstand für einen Halbzug außer Acht ließ, wusste der 18-jährige Esipenko in beeindruckender, abgeklärter Manier davon zu profitieren:

 

Diesen jungen Mann sollte die Schachwelt künftig im Auge behalten: Andrey Esipenko

Grandelius ½-½ Wojtaszek

Wojtaszek verpasste zwischenzeitlich eine Gelegenheit, seinen Gegner ein Stück weit einzuengen, doch faktisch verlassen wurde die Remisbreite nie.

 

Caruana ½-½ Giri

Im Spitzenspiel der 8. Runde waren zwei Weltklassespieler zu besichtigen, die wohl vor allem eines nicht wollten: verlieren. So war dies ein Remis der kontrollierten Art. Interessant waren zwei Dinge: Caruanas ungewöhnlicher zweiter Zug und der Weitblick, mit dem er nach dem Verlust seines Bh4 genügend Kompensation zur Hand hatte.

 

Ganz vorne mit dabei: Caruana und Giri

Ergebnisse der 8. Runde 

 

Tabelle nach der 8. Runde

 

Partien

 

Turnierseite


Klaus Besenthal ist ausgebildeter Informatiker und ein begeisterter Hamburger Schachspieler. Die Schachszene verfolgt er schon seit 1972 und nimmt fast ebenso lange regelmäßig selber an Schachturnieren teil.

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Herbert Christmann Herbert Christmann 25.01.2021 07:13
@Krennwurzn In der Tat, überheblich war Carlsen nie. Mein Eindruck ist, dass er vollkommen überspielt ist (von MVL habe ich übrigens einen ähnlichen Eindruck).
Der Mann macht einfach zu viel (Schach und Geschäft). Lösung: 3 Wochen richtig Urlaub wirken Wunder. Sich abmelden. Kein Schachbrett oder Computer mitnehmen sondern statt dessen, wenn vorhanden, die Freundin, und in der wunderschönen norwegischen Landschaft spazieren gehen, tief durchatmen, Langlauf machen, das Leben so richtig genießen. Auch wir als Zuschauer profitieren davon, denn wir sehen danach wieder wunderbare Kampfpartien und Endspielwunderwerke von ihm.
crizzy crizzy 25.01.2021 12:56
Mit 7.- Dc7 statt Le7 vermeidet man 8.g4 wegen d5! 9.exd5 Lb4!
Fast 12 Minuten für 8.-b5, also raus aus dem Buch nach sieben Zügen, oder?
10.a3! ist eine Neuerung. Carlsen nimmt nach 7 Minuten den Bg5.
12.-Dh4? ist aggressiv und ein Tempoverlust nach Bauerngewinn, was häufig schief geht.
Statt dynamisches Sveschnikov spielt er aggressives Naidorf, was er offenbar nicht gut genug auf diesem Niveau kennt.
Nach 14.0-0-0 ist der weiße Vorteil und die Unterwicklung von Schwarz offensichtlich.
16.-Sc6? war dann die "Krönung", die bestraft wurde.
Ich muß an den Spruch denken: Rochiere nicht, wenn du einen besseren Zug hast. Hier gings nach hinten los.
So hätte er gegen Fabiano nie gespielt. Hier liegt eine Unterschätzung vor. Ein ego-getriebenes Wollen statt Können. Sorry.
Krennwurzn Krennwurzn 25.01.2021 12:32
Ich sehe keine "Überheblichkeit" bei Carlsen - eher ein Formsuchen!

Spielt er sicher, dann kommen nur gute aber brotlose Stellungen heraus und auch die wenigen (zufälligen) Chancen vergibt er auch gerne (Formkrise). Geht er hohes Risiko ein, dann geht das meist nach hinten los und er muss ums Remis kämpfen.

Ich sehe eher eine Formkrise bei Carlsen - ein Balanceproblem!
crizzy crizzy 25.01.2021 10:33
Partie Esipenko-Carlsen: Das typische ! Opfer ist Sd4xb5 nebst einsammeln von drei Bauern b5+a6+d6, meist steht die schwarze Dame auf c7. Hier schlägt Esipenko mit Sc3xb5, dann Sd4xc6 und Dc3 gewinnt die Figur durch Doppelangriff zurück. Das ist ein eher seltenes Motiv, was selbst der Weltmeister übersah. Carlsen hat den 18jährigen Esipenko dramatisch unterschätzt, hat schablonenhaft bis überheblich gespielt und Dd8-h4-e7 war ein kompletter Zeitverlust mit zwei Tempi. Der Weltmeister spielte bis auf die erste Partie gegen seinen Kronprinzen bisher wenig überzeugend, eher bräsig, hat reihenweise gute Stellungen wie gegen Anton, Duda und Donchenko verdorben. Mit Weiß nur 1,5 aus den letzten drei Partien. Ergebnis ist ein 7. bis 8.Platz mit gerade mal 50 Prozent.
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