ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024
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Vorsicht, Frau Weltmeisterin!
Im Herbst 2008 schien die Hierarchie im russischen Frauenschach geklärt. Alexandra Kosteniuk wurde souverän Weltmeisterin und schaltete die damals um einen Elopunkt bessere Tatjana Kosintsewa im Viertelfinale der Knock-out-WM problemlos aus. Die Dresdner Olympiade wurde mit Platz vier für beide gemeinsam ebenso zum unbefriedigenden Turnier wie bei den russischen Herren der Rang fünf. Ein halbes Jahr später hat sich die Lage gewandelt. Russland holte bei der Herren- und bei der Frauen-EM beide Einzeltitel und insgesamt vier Medaillen, und Tatjana Kosintsewa erlebte beim Aeroflot-Open und der Frauen-EM zwei Sternstunden in ihrer noch jungen Karriere. Weltmeisterin Alexandra Kosteniuk ist momentan vor allem mit Mutterpflichten und Aktivitäten zur Förderung des Schachsports beschäftigt, derweil sich im Norden Russlands die Kosintsewa-Schwestern nunmehr voll auf ihr Schach-Profitum fokussieren.
SM64-Mitarbeiterin Anna Burtasowa hatte zweimal die Gelegenheit, mit Tatjana Kosintsewa über Erfolge, Umfeld und Perspektiven zu sprechen. Außerdem zeigt die Aufsteigerin, die auf der April-Frauen-Weltrangliste als beste Russin mit Elo 2522 auf Platz 10, sechs Punkte und einen Platz vor Kosteniuk geführt wird, exklusiv zwei ihrer Partien.
Sie haben sich schon länger unter den 25 besten Frauen der Welt
eingerichtet, die Kosintsewa- Schwestern aus dem im russischen Riesenreich
sehr nördlichen Archangelsk. Es ist ein Auf und Ab, mal liegt die eine, die
um ein Jahr ältere Nadjeschda, vorne, dann wieder Tatjana, die souveräne
Einzel-Europameisterin von 2007 und nunmehr auch 2009. Sie lieben es,
gemeinsam Turniere zu bestreiten, denn eine von ihnen holte zumeist ein
gutes Ergebnis ab. Nadjeschda ist im Januar gerade 24 Jahre alt geworden und
die zwei Monate davor waren nicht zu übel für sie: bestes Ergebnis im
russischen Frauen- Team bei der Olympiade in Dresden und zum Jahresausklang
russische Einzelmeisterin in Moskau im berühmten Zentralclub.
Doch im Februar beim Aeroflot-Open war die Reihe wieder an Tatjana. Mit 5,5
Punkten aus 9 Partien erreichte sie eine Performance von 2702 – die
Herren-GM-Norm war in diesem Gütefeld schon eine Runde vor Schluss in
trockenen Tüchern! „Bereits seit 2004 spielen meine Schwester und ich beim
Areroflot-Open. Das A1-Open ist stets sehr gut besetzt, und es offeriert
beste Möglichkeiten, sein Spiel zu verbessern und seine Fähigkeiten
auszureizen. Aber in diesem Jahr fiel uns die Entscheidung nicht leicht. Die
vergangenen Jahre spielten wir in der obersten Gruppe nicht so toll, und
daher erwogen wir, diesmal eventuell für das A2-Open zu melden. Aber dann
entschlossen wir uns doch für die A1-Kategorie, wo man wirklich jede Partie
ausspielen muss und Erfahrungen gegen stärkste Gegnerschaft sammelt.“
Mit ihren Wertungszahlen gehörten die Schwestern zu den wenigen Teilnehmern
mit Elo unter 2550, denn das Feld ist hochwertig zusammengestellt; der
Sieger erhält einen Freiplatz für das Dortmunder Super-Turnier im Sommer.
Als Mitglieder der Nationalmannschaft sind die Kosintsewas natürlich in der
glücklichen Lage, berücksichtigt zu werden. Anno 2006 ging es Weltmeisterin
Alexandra Kosteniuk ebenso und damals holte sie 5 Punkte und eine
Wertungsperformance von 2657. In diesem Jahr wurde die Messlatte noch höher
gelegt! „Ich weiß gar nicht mehr genau, welches überhaupt mein bestes
Resultat beim Aeroflot- Open war. Das Turnier war immer hart, und ich hatte
zuvor niemals die 50-Prozent-Hürde geschafft“, resümiert Tatjana, die heuer
den zehnten Platz unter 78 Teilnehmern teilte. „Diesmal hatten wir
unmittelbar davor eine wirklich gute Trainingseinheit, und ich schätze, dass
dies viel zu unserem Abschneiden beigetragen hat.“
Der Start verlief jedoch nicht optimal: Nach zwei Remisen gegen die
arrivierten GMs Wladimir Potkin und Tigran Petrosian setzte es eine
Niederlage gegen das philippinischen Ausnahmetalent Wesley So (siehe letzte
Ausgabe, Seite 17). „Ich spielte wenig kreativ, und mein Gegner bekam in
Runde drei die Freiheit, seine Pläne durchzusetzen, und ihm fiel sogar ein
hübsches Figurenopfer zu. Ich hätte sehr genau verteidigen müssen, aber in
Zeitnot misslang mir das. Unmittelbar nach der Partie war ich sehr
aufgebracht, aber nach der ruhigen Analyse sah ich ein, welche Fehler ich
begangen hatte. Daher hat sich die Enttäuschung nicht so sehr eingegraben.
Es lag an meinem schwachen Spiel, nicht an Glücksumständen oder
irgendwelchen zufälligen Faktoren.
Für die verbleibenden sechs Runden nahm ich mir vor, ruhiger zu spielen und
die Stellungen richtig einzuschätzen, d. h. nicht zu überdrehen, um etwas
zurückzugewinnen. Das klappte und ich kam in einen Sog, wobei sich
Partiegeschehnisse zu meinen Gunsten wendeten. Insbesondere im
Aufeinandertreffen mit dem polnischen GM Mateusz Bartel gingen wir über eine
lange Distanz, und ich errang die Initiative und letztendlich beging er
einen Fehler, und ich holte den vollen Punkt. So trat ich mit Zuversicht zum
Treffen mit GM Vadim Milov an, welches ich hier analysiere. Natürlich
stimulierten diese beiden Gewinne meine Moral, und dieser Zustand ließ auch
bis Turnierende nicht nach.“ Tatjana schaffte ihre erste Herren-GM-Norm,
will aber nicht unerwähnt lassen, dass dies für sie nicht an erster Stelle
stand. „Für dieses Turnier habe ich mir keine spezielle Vorgabe gesetzt, es
ging mir nur darum, gutes Schach zu zeigen und in Form zu kommen. Gegen Ende
des Turniers wurde ich von allen Seiten auf die Normchance hingewiesen, aber
da ich keinen Gedanken daran verschwendet hatte, spielte es für mich auch
keine Rolle, welches Ergebnis ich brauchte. Ich möchte behaupten, dass diese
Norm vielmehr ein zusätzlicher Bonus für meine gute Vorstellung war, was
mich dann aber umso glücklicher stimmt.
Nach dem Ende des Turniers wurde ich wiederum von mehreren darauf aufmerksam
gemacht, dass mein Abschneiden das beste Ergebnis einer Frau in der
Geschichte dieses Turniers war. Mir ging es nie darum; ich für mein Teil
befand mich nie in einem Wettrennen um so ein Ziel.“ Aber vor Ort war jedem
Beobachter klar, wie stolz ihr Coach Juri Dochojan, der vormals bis 2005
viele Jahre Garry Kasparow als Chef-Trainer betreute, über das Abschneiden
seines nunmehr bereits längerfristigen Schützlings war. Jeden Tag konnte man
ihn in der Nähe der Live-Übertragung aus dem Turniersaal beobachten, und die
Zuschauer waren ebenfalls im Unterstützerumfeld, wie Tatjana über ihren
Norm-Lauf anmerkt: „Klar, ich wusste, dass die Chance viel versprechend
waren, aber ich habe das für die Vorbereitung auf die nächste Partie nicht
ins Kalkül gezogen. Mein Ding war es einfach, Schach auf einem guten Niveau
zu zeigen!“ Leider konnte ihre ältere Schwester diesmal nicht Schritt
halten. Nach drei Remis in den ersten vier Runden verlor Nadjeschda gegen
den russischen GM Dmitri Bocharow in der Schlussrunde, was ihr mit drei
Punkten eine Performance knapp unterhalb ihrer Erwartung einbrachte. „Ich
würde nicht meinen, dass mich meine Schwester während des Turniers zu sehr
unterstützte“, erläutert die diesmal erfolgreichere Tatjana mit einem
Lächeln. „Wir helfen uns zwar gegenseitig, versuchen unsere Stimmung
gegenseitig hoch zu halten, und wir sind uns gegenseitig gute
Sparringspartnerinnen, aber im Turnierverlauf ist es natürlich so, dass jede
sich auf ihr eigenes Spiel konzentriert. Nadjeschda hatte ebenfalls ihre
entscheidenden Partien und Momente, wir bereiten uns ohnehin gemeinsam vor
und trainieren zusammen!“
Ab Mitte des Turniers musste Tatjana keine Niederlage mehr quittieren, sie
teilte erfolgreich die Punkte mit gestandenen Großmeistern wie Konstantin
Landa, Alexander Rjasantsew and Alexej Alexandrow und machte in der siebten
Runde den vollen Punkt gegen GM Jewgeni Romanow. „Wenn du spielst, denkst du
nicht daran, dass ein starker Großmeister vor dir sitzt. Du musst einfach
dein Spiel durchziehen. Hinterher ist es natürlich eine Genugtuung, zu
wissen, welche Kaliber man da vor sich hatte. Aber ich muss noch an so
vielen Dingen feilen. Selbst in diesem erfolgreichen Turnier ist mir bewusst
geworden, wie viele Probleme ich noch in meiner Spielanlage habe. Um mich
auf das nächste Leistungsniveau zu hieven, muss ich weiterhin viel lernen,
noch bin ich meines Erachtens nicht auf der nächsten Leistungsebene
angekommen. Aber ich habe jetzt mehr Zeitressourcen; im Juni 2008 habe ich
gemeinsam mit meiner Schwester an der Universität von Archangelsk mein
Jura-Examen abgelegt. Nun wollen wir uns dem Schachspiel widmen und häufiger
unter professionellen Bedingungen spielen.“ Die 22-Jährige bilanziert kurz
und bündig: „Ohne die Studienbelastung eröffnen sich uns mehr
Möglichkeiten.“
...
Tatjana im Schlussspurt den Frauen-EM-Titel in St. Petersburg (siehe SM64
Nr. 4/2009, S. 48-50). Nachdem sie lange im vorderen Mittelfeld dümpelte,
reichten zum Abschluss vier Siege in Folge, um die Armenierin Lilit
Mkrtchian einzuholen und mit 1,5:0,5 den Stichkampf zu gewinnen. Da fällt
die Rückschau natürlich entsprechend froh aus, zumal sich Interviewerin und
Befragte von vielen gemeinsamen Jugendturnieren kennen.
Frage: Herzlichen Glückwunsch zum zweiten EM-Titel. Wie war die
Stimmung als Du in St. Petersburg eintrafst?
Kosintsewa: Ich war bereit, den Kampf anzunehmen. Leider konnte meine
Schwester nicht mitkommen, da sie unmittelbar zuvor krank wurde. Ich wollte
trotzdem gutes Schach zeigen.
Frage: War der Titel oder die WM-Qualifikation Dein oberstes Ziel?
Kosintsewa: Ich wollte den ersten Platz und Bestleistung am Brett.
Frage: Was war anders, allein bei einem Turnier zu sein?
Kosintsewa: Wirklich, ich war ganz auf mich gestellt, was zunächst
ungewöhnlich war. Es ist immer besser, eine nahestehende Person um sich zu
haben. Aber ich gewöhnte mich langsam daran und war täglich mit meiner
Schwester über Telefon oder E-Mail in Kontakt. Ich schaffte mir meinen
eigenen Tagesrhythmus und bald waren hinderliche Gedanken vergessen. Leider
konnte auch mein Coach Juri Rafaelowitsch (Anm. Dochojan) nicht mitreisen.
Aber er rief ebenfalls an und gab Empfehlungen, so dass ich dann doch nicht
ganz von meinen treuen Unterstützern getrennt war.
Frage: Hattest Du Probleme, Deinen Turnieralltag einzurichten und wie
bewertest Du die Organisation?
Kosintsewa: Ich fand die Organisation sehr gut und mir gefiel alles. Das
Hotel war gut und nur zehn Minuten Fußweg vom Spielort entfernt. Ich kann
nicht sagen, dass mich irgendetwas störte oder ablenkte.
Frage: Was waren die Gründe für den schwachen Start?
Kosintsewa: Es ging tatsächlich nicht gut los. Erst zwei Remis und danach
ein Sieg und erneut ein Unentschieden. Ich hatte also 2,5 Punkte aus vier
Partien, aber nicht das bereitete mir Sorge, sondern dass ich nicht zu
meinem Spiel fand. Ich erkannte, dass ich zu wechselhaft und unkonzentriert
spielte, und selbst elementare Taktik übersah. Zu diesem Zeitpunkt musste
etwas passieren, um auf mein übliches Leistungsniveau zu kommen.
Frage: Und wie ist Dir das gelungen?
Kosintsewa: Ein erster Ansatz ergab sich in der vierten Runde in der Partie
gegen Olga Iljuschina. Aufgrund meines erfolglosen Anrennens geriet ich in
eine sehr schwierige, fast aussichtslose Lage. Aber in Zeitnot wurde meine
Gegnerin nervös. Sie wiederholte die Züge und es war ein Remis, obwohl meine
Stellung immer noch unangenehm war. Nach dieser Partie fand ich meine innere
Ruhe und verstand, dass ich mit schwachem Spiel nichts erreichen werde und
dass ich vor allem meine Unruhe abstellen musste. Am nächsten Tag gewann ich
mit den schwarzen Steinen gegen Olga Girya und anschließend eine gute Partie
gegen Jelena Zaiatz. Aber gerade als ich an die Rückkehr meines Glücks
glaubte, unterlag ich in Runde 7 gegen Tatjana Schadrina. Ich denke, dieser
Rückschlag war der Wendepunkt in meinem Turnier.
Frage: Weil Du wütend geworden bist?
Kosintsewa: Ich musste alles noch gelassener angehen, die Partien besser
nachbereiten und die Schwachstellen beheben. Wenn ich wütend werde, hilft es
niemals. Ich musste ausgeglichener sein, einfach hinsetzen und mein Spiel
machen.
Frage: Und wie half Dir ausgerechnet die Niederlage dabei?
Kosintsewa: Die Partie gegen Tatjana begann günstig für mich; ich erlangte
Eröffnungsvorteil. Dann brachte ich ein meiner Ansicht nach interessantes
Bauernopfer und erlangte gute Kompensation. Aber mit einem dummen Zug
misshandelte ich die gesamte Stellung. Die Stellung wurde schwierig, obwohl
ich an eine Verteidigung glaubte. Aber dann beging ich einen weiteren
Rechenfehler und verlor. Ich ging hinterher alles nochmals durch und
beschloss, nicht mehr an den Bock zu denken. Der Abstand zur Tabellenführung
betrug bereits 1,5 Punkte. Ich wollte das Turnier nur noch gut über die
Bühne bringen und besseres Niveau zeigen. Ich hörte auf, nervös zu sein.
Frage: Wann hattest Du das Gefühl, es doch noch nach vorne zu
schaffen?
Kosintsewa: In den letzten vier Partien dachte ich überhaupt nicht mehr
daran. Die Führenden waren weit weg, und es war zudem eine große Gruppe. Ich
spielte einfach Partie um Partie und versuchte, die vorherigen Fehler zu
vermeiden. Der Abstand zur Spitze schmolz mit jedem Tag. Und zur letzten
Runde wollte es das Paarungssystem, dass ich gegen die alleinige
Tabellenführerin Ekaterina Kowalewskaja antreten musste. Plötzlich hatte ich
eine entscheidende Partie vor mir.
Frage: Die Du streng auf Gewinn angelegt hast?
Kosintsewa: Nein, nein, so würde ich es nicht sagen. Ich wollte nicht auf
Teufel komm raus den Gewinn anstreben. Ich motivierte mich wie üblich und
ging mit dem Gedanken ans Brett: ‚Was passieren soll, wird passieren.‘
Bedenkt man meinen Start, so war das Szenario ohnehin eine wundersame
Wendung, so dass ich einfach nur mit einer guten Partie abschließen wollte.
Frage: Du hast den Tie-Break ziemlich überzeugend gewonnen, oder?
Kosintsewa: Lilit Mkrtchian ist eine starke, erfahrene Spielerin. Sie liegt
mir nicht eben als Gegnerin, und in unseren letzten Turnierpartien trug sie
die Siege davon. Ich versuchte das auszublenden. Die erste Partie, in der
ich Schwarz hatte, war sehr zerfahren. Lilit machte eine Reihe schneller
Angriffszüge, aber es stellte sich heraus, dass sich die Stellung bereits zu
meinen Gunsten gewendet hatte. Ich erlangte eine völlig gewonnene Stellung,
übereilte die Sache aber und gestattete Gegenspiel. Doch sie spielte auch
schwach, und letztlich gewann ich. Das alles lief überhaupt nicht glatt.
Dann hatte ich die weißen Steine, erreichte einen Eröffnungsvorteil und
konnte beruhigt das notwendige Remis ansteuern.
Frage: Außer Dir, Natalia Pogonina und Hoang Thanh Trang erreichte
keine der Top- Ten-Gesetzten ihre Erwartungen in St. Petersburg. Hast Du
dafür eine Erklärung?
Kosintsewa: Einige waren nicht in Form oder konnten keinen Turnierrhythmus
finden. Die EM ist kein so schlechtes Turnier, da kann ein Leistungsabfall
schon passieren.
Frage: Schlechte Form kann passieren, aber gleich sieben von zehn
Spielerinnen?
Kosintsewa: Natalia Zhukova begann beispielsweise mit zu vielen Remisen. Bei
den anderen bin ich mir nicht sicher, aber gewiss hat jede ihre eigenen
Gründe, warum es nicht lief.
Frage: Hast Du die parallel in Budva stattfindende EM der Herren
verfolgt?
Kosintsewa: Ja sicher, ich bin jeden Tag im Internet gesurft und schaute
nach den Partien.
Frage: Motivierte Dich der Sieg von Jewgeni Tomaschewski ein weiteres
europäisches Gold nach Russland zu holen?
Kosintsewa: Nein, daran dachte ich zu diesem Zeitpunkt nicht, denn da war
mein Ziel noch nicht so hoch gesteckt. Aber ich möchte die Gelegenheit
nutzen, Jewgeni zu seinen außergewöhnlichen Sieg zu gratulieren.
Frage: Habt ihr daran gedacht, wie 2006 in Kusadasi am
Herren-Wettbewerb teilzunehmen?
Kosintsewa: Nein, diesmal gab es keine derartigen Überlegungen, denn wir
haben die Frauen-EM letztes Jahr wegen unseres Universitätsstudiums
verpasst, so dass es diesmal galt, sich für die Frauen-WM zu qualifizieren.
Frage: Hast Du Dir vom Preisgeld selbst ein Geschenk gemacht?
Kosintsewa: Nein, ich habe noch überhaupt nicht daran gedacht, für was ich
das Geld ausgebe (lacht).
Frage: Lass’ uns die EM und St. Petersburg verlassen. Hast Du bereits
den Führerschein?
Kosintsewa: Nein, aber es gibt ernsthafte Überlegungen, die Prüfung zu
machen.
Frage: Was machst Du sonst in Deiner Freizeit?
Kosintsewa: Ich bereite mich immer intensiv auf die Turniere vor, so bleibt
nicht viel Freizeit. Aber ich habe keine ungewöhnlichen Hobbies, ich lese
und höre Musik.
Frage: Was liest Du?
Kosintsewa: Das letzte Buch war von Bernard Werber.
Frage: Ein momentan populärer Autor. Magst Du Science-Fiction?
Kosintsewa: Ich denke, seine Bücher fallen nicht so genau in dieses Genre.
Es ist ja eine Mischung aus philosophischen Betrachtungen und Fantasiewelt.
Klassische Science- Fiction-Literatur sagt mir nicht so zu.
Frage: Wie steht es mit der Musik?
Kosintsewa: Moderne Tanzmusik.
Frage: Aus den Charts?
Kosintsewa: Scheinbar (lacht). Mir gefällt, wenn etwas eingängig ist und
lyrisch klingt.
Frage: Hast Du bei den Turnieren einen speziellen Ablaufplan?
Kosintsewa: Nichts, was man besonders nennen kann. Ich versuche, etwas zu
laufen, weil ich das als gut für die Gesundheit erachte. Außerdem gehe ich
früh schlafen.
Frage: Und daheim: Schach, Schach und nochmals Schach?
Kosintsewa: Zu allererst nutze ich daheim die Gelegenheit, länger
auszuschlafen, insbesondere jetzt, wo das Studium vorbei ist. Während eines
Turniers stehe ich für gewöhnlich früh auf, um mich vorzubereiten. In
Archangelsk mache ich natürlich überwiegend Schach, denn es ist mein Beruf
und dem kann ich nun mehr Zeit widmen. Aber ich treffe auch Freunde.
Frage: Hast Du die gleichen Freunde wie Deine Schwester?
Kosintsewa: Nein, unsere Freunde sind völlig verschieden. Wir gingen in der
Schule in andere Klassen und studierten auch an der Uni in unterschiedlichen
Gruppen. Einige Zeit hatten wir die gleichen Kurse, aber die Freunde blieben
die alten, und es sind keine Schachspieler darunter.
Frage: Wie haltet ihr euch körperlich fit?
Kosintsewa: Nadja besucht ein Fitness- Studio, aber ich habe damit vor
Kurzem aufgehört.
Frage: Ihr spielt wenig bei den Turnieren in Europa und bevorzugt die
offiziellen Wettbewerbe.
Warum? Kosintsewa: Dennoch haben wir einen ausgefüllten Jahresplan. Es gibt
ja fast jeden Monat ein Turnier und wir versuchen, die wichtigsten
auszuwählen, und wir brauchen ja auch Zeiten zum trainieren.
Frage: Was motiviert Dich am Schach, was ist die Triebkraft? Ist es
einfach so, dass Du das Spiel sehr liebst?
Kosintsewa: Das gibt es einen ganzen Komplex an Gründen. Beispielsweise ist
das Reisen interessant, die Gelegenheit neue Plätze zu sehen. Aber der
wichtigste Beweggrund bleibt die Aktivität selbst, d. h. alles was mit
Schach zusammenhängt. Es ist für mich z. B. schwierig, über längere Zeit
keine Figur anzufassen. Ich habe das Verlangen, ein Brett zu nehmen und
etwas anzuschauen.
Die Fotos sind nicht Bestandteil des Originalartikels, sondern entstammen
verschiedenen Berichten der ChessBase-Webseite.