Tomashevsky ist Europameister

von ChessBase
18.03.2009 – Nach 11 Runden mit langen Partien war heute noch einmal für einige Spieler ein langer Schnellschachkampftag angesagt. Unter den elf punktgleichen Spielern an der Tabellenspitze wurde ein K.-o.-Turnier zur Ermittlung der Medaillenränge veranstaltet. Mit dabei war auch Arkadij Naidistch, der aber in der zweiten Runde trotz dreier Remis gegen Vladimir Malakhov ausschied, weil er die entscheidende Blitzpartie mit Weiß hätte gewinnen müssen. Malakhov kam bis ins Endspiel, wo er auf Evgeny Tomashevsky traf. Dort gewann Tomashevsky die erste Partie, überschritt aber in der zweiten in Remisstellung offenbar die Zeit. So wurde die 10. Europameisterschaft schließlich durch eine Blitzpartie entschieden. Hier musste Tomashevsky mit Weiß und einer Minute mehr Zeit gewinnen, während Malakhov ein Remis reichte. In Gewinnstellung (Matt in 6) stellte Malakhov dann einen Turm ein und verlor die Partie. Europameister wurde Evgeny Tomashevsky. Silber: Vladimir Malakhov. Bronze: Baadur Jobava.Turnierseite...Bericht, Bilder, Partien, etc...

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Die 10. Europameisterschaft in Budva
Von André Schulz
Fotos: Nebojsa Baralic (Turnierseite)

Elf Spieler beendeten das Turnier nach den 11 regulären Runden mit 8 Punkten. Im letzten Jahr gab es nur einen Spieler der Spitzengruppe, der sich der obligatorischen Remisorgie in der Schlussrunde versagte - Sergei Tiviakov. Prompt wurde er Europameister. In diesem Jahr endeten alle vier Partien an den Spitzentischen remis, allerdings manche erst nach längerem Kampf. Trotzdem: Zahlreiche ungespielte Schlussrunderemisen im nachfolgenden Feld mit einigen wenigen proforma Zügen machen die letzte Runde dieser ansonsten sehr interessanten und spannenden Europameisterschaft zu einer Farce. Auch wenn die fehlende Motivation an den unteren Brettern und die gebotene Vorsicht an den oberen Brettern verständlich ist, sollte man sich seitens der ECU vielleicht überlegen, ob das Format nicht verbessert werden kann. Besonders für die Spieler an der Tabellenspitze ist die Situation in der Schlussrunde allerdings sehr speziell. Spielt man auf Risiko, dann ist man in diesem Fall mit 8,5 Punkten vielleicht Europameister. Verliert man aber, dann fällt man mit 7,5 Punkten u.U. sogar aus der Qualifikation für den World Cup. Wer würde das Risiko gerne eingehen? Bei einem Teilnehmerfeld von über 300 Spielern kann es aber doch nicht die einzige Lösung sein, alle - Spitzenspieler, sonstige Profis und Amateure - in ein großes Open zu stecken und zu glauben, 11 Runden seien ausreichend, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Die 12. Runde - die Runde der Stichkämpfe dauerte schließlich den ganzen letzten Tag. Am Ende entschieden Schnellschach- und Blitzpartien über die Europameisterschaft - die 11 Runden mit langen Partien zuvor wurden zu einer Art Vorturnier degradiert.


Inarkiev und Grachev


Jobava hat ein Auge für die Kamera


Kobalija

Besonders aus deutscher Sicht war diese Europameisterschaft sehr interessant: Mit Georg Meier und Arkadij Naidisch spielten zwei deutsche Nationalspieler im obersten Bereich des Feldes. Meier hatte den besseren Start und war bis zu seiner einzigen Niederlage in Runde neun gegen Ivan Sokolov immer ganz vorn dabei. In der Schlussrunde musste er gewinnen, um die Qualifikation für den World Cup und damit die Teilnahme am WM-Zyklus zu schaffen - und das gelang dem Trierer. Bei einer Eloleistung von 2727 wird er sich um fast 20 Elopunkte verbessern.

Nach seinem Wechsel zu Werder Bremen hat Georg Meier dort einen Dreijahresvertrag erhalten, der ihm ein gewisses Einkommen sichert und hat jetzt etwas Luft, um vielleicht den Sprung ins Profitum zu schaffen. Das Bremer Modell ist einzigartig und vielleicht richtungweisend dafür, wie die Bundesliga - ihrem eigenen Auftrag gemäß - auch in Deutschland geborene Talente fördern kann, um ihren Fans vielleicht einmal eine Reihe einheimischer Spitzenspieler als mögliche Stars oder Idole anzubieten.

Arkadij Naiditsch spielte ebenfalls immer oben mit. Anfangs lag er hinter seinem Kollegen Georg Meier, doch dann tauschten die beiden deutschen Spitzenspieler die Plätze und am Ende schloss Naiditsch mit 8 Punkten als geteilter Erster ab. Mit einer Eloleistung von 2767 vor den Stichkämpfen wird er etwa 10 Punkte hinzugewinnen und dabei seinen Platz in der Gruppe der Supergroßmeister weiter ausbauen. Besonders in der vorletzten Runde, als der Dortmunder den Spitzenmann Jobava in nur 18 Zügen vom Brett fegte, zeigte der 24-Jährige sein großes Potenzial.

Mit Igor Khenkin spielte ein weiterer deutscher Nationalspieler bei der Europameisterschaft mit. Doch nach einer Niederlage in Runde Drei steckte Khenkin im Mittelfeld fest und schaffte es nicht, sich aus diesem zu befreien. Am Ende erzielte er 6,5 Punkte, was bei dem Riesenfeld in Budva Platz 91 bedeutete.


Die Stichkämpfe

In den Stichkämpfen um den Titel besiegte Malakhov in der ersten Runde Nyback, Guseinov setzte sich im Blitzen gegen Grachev durch und Jobava setzte sich ebenfalls im Blitzen gegen Kobalija durch. In der zweiten Stichkampfrunde kamen zu den drei Siegern der Runde 1 die fünf Erstplatzierten des Feldes, um weiter per Schnellschach im K.-o.-System einen Europameister zu ermitteln.


Grachev gegen Guseinov


Nyback unterlag Malakhov


Tomy Nyback sorgte für großes Interesse Finnland

Arkadij Naiditsch zog hier erst in der Entscheidungspartie gegen Malakhov den Kürzeren, als er mit 6 gegen 5 Minuten und den weißen Steinen nicht gewinnen konnte, was er aber gemäß dem Reglement musste. Naiditsch spielte remis, also verlor er.


Arkadij Naiditsch

Ins Finale kamen schließlich mit Vladimir Malakhov und Evgeny Tomashevsky zwei Russen. Tomashevsky gewann Partie Eins mit den schwarzen Steinen, überschritt dann aber mit Weiß in Remisstellung die Zeit. So wurde die Europameisterschaft schließlich im Blitzen entschieden. Hier stellte Malakhov mit Schwarz dann in Gewinnstellung seinen Turm ein und verlor.

Die Bronzemedaille ging an Baadur Jobava, der gegen Ernesto Inarkiev den Wettkampf um Platz drei gewann.


Baadur Jobava
 

 

Endstand nach 11 Runden:

Rk.   Name FED Rtg Pts.  TB1   TB2   TB3  Rp n w we w-we K rtg+/-
1 GM Sokolov Ivan NED 2657 8,0 63,0 76,5 5 2763 11 8 6,53 1,47 10 14,7
2 GM Inarkiev Ernesto RUS 2656 8,0 62,5 76,0 6 2778 11 8 6,30 1,70 10 17,0
3 GM Naiditsch Arkadij GER 2693 8,0 62,5 76,0 5 2767 11 8 6,97 1,03 10 10,3
4 GM Tomashevsky Evgeny RUS 2664 8,0 62,0 75,5 5 2724 10 7 6,20 0,80 10 8,0
5 GM Navara David CZE 2638 8,0 60,5 74,0 6 2747 11 8 6,44 1,56 10 15,6
6 GM Malakhov Vladimir RUS 2692 8,0 60,5 73,5 5 2749 11 8 7,20 0,80 10 8,0
7 GM Grachev Boris RUS 2655 8,0 60,0 73,0 6 2726 11 8 6,97 1,03 10 10,3
8 GM Jobava Baadur GEO 2669 8,0 59,5 71,5 7 2765 11 8 6,66 1,34 10 13,4
9 GM Kobalia Mikhail RUS 2634 8,0 59,0 72,0 5 2748 11 8 6,38 1,62 10 16,2
10 GM Guseinov Gadir AZE 2661 8,0 57,5 70,0 5 2718 11 8 7,23 0,77 10 7,7
11 GM Nyback Tomi FIN 2644 8,0 54,5 66,5 6 2716 11 8 6,98 1,02 10 10,2
12 GM Meier Georg GER 2608 7,5 63,5 76,5 5 2727 11 7,5 5,66 1,84 10 18,4
13 GM Nijboer Friso NED 2559 7,5 62,0 74,0 5 2739 11 7,5 4,72 2,78 10 27,8
14 GM Fedorchuk Sergey A UKR 2633 7,5 61,5 75,5 6 2714 11 7,5 6,26 1,24 10 12,4
15 GM Timofeev Artyom RUS 2671 7,5 61,5 74,0 4 2712 11 7,5 6,86 0,64 10 6,4
16 GM Sjugirov Sanan RUS 2562 7,5 61,5 73,5 6 2746 11 7,5 4,66 2,84 10 28,4
17 GM Bartel Mateusz POL 2594 7,5 60,5 73,5 4 2727 11 7,5 5,47 2,03 10 20,3
18 GM Mamedov Rauf AZE 2638 7,5 59,5 72,5 4 2713 11 7,5 6,34 1,16 10 11,6
19 GM Areshchenko Alexander UKR 2673 7,5 59,0 70,5 5 2675 11 7,5 7,35 0,15 10 1,5
20 GM Stevic Hrvoje CRO 2592 7,5 59,0 70,5 5 2699 11 7,5 5,86 1,64 10 16,4
21 GM Vitiugov Nikita RUS 2687 7,5 58,5 71,5 4 2703 11 7,5 7,24 0,26 10 2,6
22 GM Dreev Alexey RUS 2688 7,5 58,0 71,0 4 2698 11 7,5 7,32 0,18 10 1,8
23 GM Bologan Viktor MDA 2687 7,5 58,0 70,5 5 2710 11 7,5 7,16 0,34 10 3,4
24 GM Kurnosov Igor RUS 2602 7,5 57,5 70,5 5 2692 11 7,5 6,11 1,39 10 13,9
25 GM Lupulescu Constantin ROU 2608 7,5 57,5 69,0 4 2640 10 6,5 6,05 0,45 10 4,5
26 GM Papaioannou Ioannis GRE 2609 7,5 56,5 69,0 5 2707 11 7,5 6,00 1,50 10 15,0
27 GM Mikhalevski Victor ISR 2608 7,5 56,0 69,0 6 2667 11 7,5 6,59 0,91 10 9,1
28 GM Motylev Alexander RUS 2676 7,5 56,0 68,5 5 2655 11 7,5 7,69 -0,19 10 -1,9
29 GM Pashikian Arman ARM 2621 7,5 55,0 67,0 5 2652 11 7,5 6,98 0,52 10 5,2
30 GM Nisipeanu Liviu-Dieter ROU 2675 7,5 53,5 66,0 5 2671 11 7,5 7,47 0,03 10 0,3
31 GM Petrosian Tigran L ARM 2623 7,5 52,5 63,5 6 2645 11 7,5 7,11 0,39 10 3,9
32 GM Svetushkin Dmitry MDA 2593 7,5 51,5 62,5 5 2589 11 7,5 7,44 0,06 10 0,6
33 GM Sakaev Konstantin RUS 2619 7,5 51,0 63,0 4 2637 11 7,5 7,16 0,34 10 3,4
34 GM Savchenko Boris RUS 2654 7,5 50,0 61,0 7 2596 11 7,5 8,09 -0,59 10 -5,9

...

306 Spieler

Quelle: Chess-results.com

 

 

Stichkämpfe um den Titel

Runde 1 15 min + 5 sec 5/4 min Final Result
Nyback Tomi 0 ½   ½
Malakhov Vladimir 1 ½  
Grachev Boris 0 1 0 1
Guseinov Gadir 1 0 1 2
Kobalia Mikhail 1 0 0 1
Jobava Baadur 0 1 1 2
Runde 2      
Jobava Baadur 1 1   2
Sokolov Ivan 0 0   0
Inarkiev Ernesto ½ ½ 1 2
Guseinov Gadir ½ ½ 0 1
Malakhov Vladimir ½ ½ ½ 1 ½
Naiditsch Arkadij ½ ½ ½ 1 ½
Tomashevsky Evgeny ½ 1   1 ½
Navara David ½ 0   ½
Runde 3 - Halbfinale      
Jobava Baadur 1 0 0 1
Tomashevsky Evgeny 0 1 1 2
Inarkiev Ernesto 0 ½   ½
Malakhov Vladimir 1 ½   1 ½
Runde 4 - Finale      
Malakhov Vladimir 1 0 0 1
Tomashevsky Evgeny 0 1 1 2
Spiel um Platz Drei      
Jobava Baadur 1 1   2
Inarkiev Ernesto 0 0   0

Stichkämpfe:

 

Die montenegrinischen Organisatoren in Budva haben eine ganz ausgezeichnete Europameisterschaft auf die Beine gestellt. Nach allem, was man sehen konnte, waren die Bedingungen für die Spieler sehr gut. Ganz besonders muss aber die aktuelle Berichterstattung auf der Webseite des Turniers gelobt werden. Der Service für die interessierten Schachfreunde war herausragend: Live-Übertragungen der Spitzenbretter, aktuelle Bilder zu jeder Runde, Ergebnisse, Tabelle und Partienotationen bald nach Rundenende sieht man zudem noch in dieser sehr zuverlässigen Weise sehr selten bei solch großen Veranstaltungen. Die zugeschaltete öffentliche Zugangsstatistik zeigte vor dem Stichkampftag etwa eine halbe Million Besucher auf der Turnierwebseite. Mit knapp 60.000 kam ein Löwenanteil aus Deutschland. 

 

1. Deutschland 58.385 12,8 %
2. Niederlande 31.973 7,0 %
3. Russische Föderation 31.433 6,9 %
4. Jugoslawien 22.730 5,0 %
5. Polen 19.962 4,4 %
6. Tschechische Republik 19.041 4,2 %
7. Spanien 17.416 3,8 %
8. Finnland 16.792 3,7 %
9. zr 16.725 3,7 %
10. Italien 14.288 3,1 %
  Der Rest 205.674 45,3 %
  Gesamt 454.419 100,0 %
 

Quelle: http://webstats.motigo.com/s?id=4577889
 

Die Statistik zeigt eindrucksvoll, in welchen Ländern sich die Schachfreunde für diese Europameisterschaft besonders interessierten. Und dabei dürfte das Abschneiden der eigenen Spieler im Verlauf des Turniers wohl eine gewisse Rolle gespielt haben. Die Statistik zeigt aber auch, in welcher Größenordnung Schachfreunde solche Turnierseiten besuchen und räumt mit einigen Märchen auf, die von manchen Organisatoren gerne erzählt werden. In diesem Zusammenhang sei noch einmal an die "52 Mio. Besucher" erinnert, die angeblich bei der Schacholympiade in Dresden gezählt wurden. Die halbe Million Besucher auf der Webseite der Europameisterschaft in Budva sind hingegen real. Und es ist eine ordentliche Zahl, die auch erreicht wurde, weil die Webseite hier etwas zu bieten hatte.

 

 

 

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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