Torre & Cavallo – ein Italienisch Schnellkurs für Schachspieler

von Roger Lorenz
24.09.2025 – Schachspieler sind beim Lernen einer Sprache im Vorteil. Wenn sie mit Hilfe eines Schachmagazins beginnen, wissen sie schon in etwa, worum es geht. Roger Lorenz lernte auf diese Weise im Urlaub Italienisch - mit Hilfe des Magazins Torre e Cavallo. Jetzt kann er (fast) flüssig italienische Partiekommentare verstehen und lädt zum Mitmachen ein.

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Torre & Cavallo – ein Italienisch Schnellkurs für Schachspieler

Wer schon mal in Italien im Urlaub war und sich dort eine Stadt besichtigt hat, kennt diesen Anblick.

Typischer italienischer Zeitungskiosk

Fast auf jedem Platz – egal ob in einer Großstadt oder einer Kleinstadt – befindet sich ein solcher Zeitungs-Kiosk (im Italienischen Edicola genannt). Diese Kioske verkaufen neben Zeitungen und Zeitschriften auch Bücher, Spielzeug und andere Artikel.

Gefühlt werden in diesen Kiosken hunderte unterschiedliche Zeitungen und Zeitschriften verkauft. Ich habe mich dort schon häufiger nach Schachzeitschriften umgeschaut. Aber obwohl ich schon oft sowohl bei den Sport- als auch den Knobel- und Rätselmagazinen gesucht habe, konnte ich bisher keine Schachzeitschrift finden.

Bei meinem letzten Italienurlaub ist mir dann der Zufall zur Hilfe gekommen. Nichts ahnend trank ich einen Espresso mit Blick auf einen solchen Kiosk und schaute mir die Cover der Magazine an. Dabei fiel mein Blick auf dieses Magazin.

Pferdemagazine in einem Edicola

Die abgebildete Person auf dem oberen Magazin sieht sehr nach einem Schachspieler aus, so dass ich auch mit sehr begrenzten Italienischkenntnissen auf ein Schachmagazin tippte. Eine kurze Internetrecherche bestätigte die Vermutung, es ist wirklich eine Schachzeitschrift. Torre & Cavallo ist die einzige regelmäßig erscheinende Schachzeitschrift in italienischer Sprache. Ganz nebenher habe ich bei der Recherche folgende Vokabeln gelernt.

   

Scacco Schach
Torre Turm
Cavallo Pferd, Springer

   

Wie man auf dem Bild sehen kann, hat der Kioskbesitzer das Magazin bei den Pferdezeitschriften einsortiert. Ich vermute mal, dass er dieses aufgrund des Wortes “Cavallo” im Titel gemacht hat. Wenn andere Kioskbesitzer das genauso handhaben, ist es nicht verwunderlich, dass ich die Zeitschrift in anderen Kiosken nicht gefunden habe.

Eine solche Gelegenheit konnte ich mir nicht entgehen lassen und habe daher die Zeitschrift für 7,50€ gekauft. Das Heft umfasst 60 Seiten und bietet eine gute Mischung aus nationalen und internationalen Turnierberichten, sowie Training Tutorials (Taktik, Mittelspiel und Endspiel). Positiv finde ich die große Anzahl von Fotos und die Tiefe der Partieanalysen. Die Analysen werden häufig durch Diagramme ergänzt, was einem die Möglichkeit gibt, diese auch ohne Brett nachvollziehen zu können. Der junge Mann auf dem Cover der Zeitschrift ist übrigens Gabriel Urbani, der gerade die italienische U 18 Meisterschaft gewonnen hat.

Beim Durchblättern fällt auf, dass die meisten Eröffnungsnamen einfach ableitbar sind. Lediglich der italienische Name für die königsindische Verteidigung hat mich überrascht.

   

Siciliana Sizilianisch
Gambetto di Donna Damengambit
Gambetto di Re Königsgambit
Inglese Englisch
Italiana Italienisch
Nimzo-Indiana Nimzo-Indisch 
Königsindisch  Est-Indiana 
Läuferspiel Partita di Alfiere

   

So ganz nebenbei hat man so auch die italienischen Namen für die Figuren gelernt. Es fehlt jetzt noch Pedoni für den Bauern und man kann den kompletten Figurensatz (Re, Donna, Torre, Alfiere, Cavallo und Pedoni) auf Italienisch aufsagen. Mit den Adjektiven bianco und nero kann man zusätzlich noch die weißen und schwarzen Steine unterscheiden.

Im Zeitalter von KI ist es keine Schwierigkeit mehr, fremdsprachige Artikel direkt zu übersetzen. Z.B. kann man eine Seite mit dem Smartphone scannen und dann von dem KI-Agenten seiner Wahl (Gemini, OpenAI, Perplexity, Claude, ...) übersetzen lassen. Mehr Spaß macht es aber, wenn man versucht ohne sie klarzukommen. Machen wir mal den Selbsttest anhand der Partie Donchenko – Kiolbasa, die auf Seite 6 des Magazins analysiert wird. Nach 9... g5 stand diese Stellung auf dem Brett.

Zu dieser Stellung lautet der italienische Kommentar:

Il Nero accetta di aggredire immediatamente sull'ala di Re. Un piano rischioso ma dinamico che è stato usato in passato da top player.

Ich musste die folgenden Wörter nachschlagen.

  

sull'ala Auf dem Flügel
piano Plan (kann aber auch langsam bedeuten)

   

Mit diesem erweiterten Wortschatz versteht man, dass der Schwarze sofort (immediatamente) auf dem Königsflügel (sull'ala di Re) aggressiv (aggredire) wird und dieser Plan (piano) riskant (rischioso), aber dynamisch (dinamico) ist und auch schon von Top-Spielern genutzt wurde.

Fünf Züge später zog Schwarz 14... Tg8 und es entstand diese Stellung.  

Zu diesem Zug lautet der italienische Kommentar:

Il Nero sposta la Torre, ma forse senza una chiara idea. Era piu prudente consolidarsi prima, ad esempio con 14... Df6.

Hier musste ich meinen Wortschatz wie folgt erweitern.

  

spostare ziehen (z.B. einer Schachfigur)

  

Damit wird klar, dass der Schwarze den Turm ohne eine klare Idee (senza una chiara idea) gezogen hat und es klüger (prudente) gewesen wäre, sich zunächst mit einem Zug wie z.B. 14... Df6 zu konsolidieren (consolidarsi).

Wer selber ausprobieren möchte, wie gut er die italienischen Kommentare verstehen kann, der kann die ganze Partie nachspielen. Ich habe in dieser die Kommentare aus der Zeitschrift übernommen. Und wenn man nicht weiterkommt, dann einfach die KI fragen.

   

   

Bologan behandelt auf der DVD alle schwarzen Antworten nach 3.Lc4, vor allem 3...Lc5, und erläutert dabei alle wichtigen Möglichkeiten für Weiß.

Jetzt sollte nichts mehr dagegensprechen, sich beim nächsten Italienurlaub ein Exemplar von Torre & Cavallo zu kaufen und dieses dann auf einem der vielen schönen Piazzas zu lesen. Dann fehlt nur noch ein lokales Erfrischungsgetränk, dass man sich (wenn man in Begleitung ist) mit "Vorrei due Aperol Spritz, per favore" bestellen kann. In diesem Sinne Prost oder Cin cin!

Typische italienische Aperitivos


Roger Lorenz studierte Informatik in Bonn in den 1980ern und arbeitete später viele Jahre als Projektmanager und Berater. Im Ruhestand hat er nun mehr Zeit für seine Hobbies wie Schachspielen, Schachgeschichte und Schachengines. Er ist Mitglied des Schachklubs Bonn-Beuel und der Chess History and Literature Society. Kontaktieren kann man ihn über seine Homepage.