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In jüngster Zeit hat die Italienische Eröffnung (1.e4 e5 2.Sc3 Sc6 3.Lc4) an Beliebtheit dazugewonnen. Dies liegt zum größten Teil darin begründet, dass Weiß die typischen “Knet”-Stellungen aus der Spanischen Partie mittels des modernen d2-d3 erreichen möchte, auch wenn er dabei ein Tempo verlieren sollte. Dieser Aufbau scheint besonders effektiv gegen die schwarze Antwort 3…Lc5 zu sein, da Schwarz den Zug d2-d3 nicht unmittelbar bestrafen kann. Zudem trägt der Zug 3…Lc5 nichts unmittelbares zum schwarzen Gegenspiel bei, da nicht die nötigen Felder kontrolliert werden.
Dem will IM Robert Ris mittels der Variante 3…Sf6!? Abhilfe schaffen, indem er das Feld d5 unter direkte Kontrolle nimmt und Schwarz die Option eines schnellen …d7-d5 gibt. Die Frage, die sich nun stellt ist: “Warum spielen 3…Sf6 folglich nicht alle Spieler?”
Die Antwort liegt im Abspiel nach 4.Sg5! verborgen, welches bereits seit Jahrzehnten von Theoretikern diskutiert wird und meiner Meinung nach zu abartig wilden Komplikationen führt, besonders nach dem Hauptzug 4…d5, um die Drohungen auf f7 zu parieren. Die von IM Robert Ris vorgeschlagene Variante war mir selber nicht bekannt, da ich mich nie intensiv mit den Alternativen für Schwarz beschäftigt habe und stattdessen lieber 3…Lc5 gewählt habe.
Dementsprechend gehe ich an diese DVD mit großer Vorsicht heran, was ihren theoretischen Gehalt anbelangt, da diese Variante wirklich kritisch ist und sich Schwarzspieler aus guten Gründen dem eher populäreren 3…Lc5 zuwenden. Das schreibt die Variante um 3…Sf6 jedoch nicht ab. Im Gegenteil, diese Variante besitzt, wie ich nach der intensiven Durchsicht der DVD definitiv sagen kann, enormen praktischen Wert und riesiges Potential taktische Verwicklungen zu schaffen. Dies im Raum stehend spreche ich der Variante höhere Erfolgschancen zu, wenn sie als Überraschungswaffe bei Langzeitpartien bzw. als Hauptwaffe bei Schnell- bzw. Blitzpartien genutzt wird. Der Grund ist, dass die einzelnen Züge, besonders die natürlichsten und ‘menschlichsten’ sehr schnell das Ende der Partie bedeuten können (für beide Seiten!). Wenn sich Weiß auf die Variante nach 4.Sg5 einlässt und das machen nahezu 100% der Spieler, gegen die ich diese Variante, nach dem Studium der DVD, eingesetzt habe, dann muss er sich auskennen, da sonst der Zug Sg5 einen Tempoverlust bedeutet und Schwarz direkt mit seinem aktiv platzierten Springer Gegenspiel initiiert. Dadurch hat man bei einem unvorbereiteten Gegner gute Chancen die Initiative selber an sich zu reißen und um den vollen Punkt zu spielen. Auf einem Level von <2100 kann es gut sein, dass Schwarz derjenige ist, der mit einem Eröffnungsvorteil herauskommt, sollte Weiß auch nur einen Moment unachtsam sein.
Doch wie möchte Robert Ris diese Variante für Schwarz schmackhaft machen? Zu diesem Zweck hat er sich die Variante mit 4…Lc5!? zurechtgelegt, welche als “Traxler Gegenangriff” bekannt ist. Anstatt sich also auf die Komplikationen nach 4…d5 einzulassen, begegnet Schwarz der Drohung auf f7 gelassen mit einer Gegendrohung auf f2. Dies geschieht häufig unter materiellen Opfern, für die Schwarz jedoch geradliniges Gegenspiel erhält.
Stellung nach 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Sf6 4.Sg5! Lc5!?
Nun teilt sich die Variante in mehrere Abspiele auf:
A) 5.Sxf7
B) 5.Lxf7+
Ich würde von jedem Klubspieler erwarten die Variante A zu wählen, da diese am verlockendsten wirkt. Doch genau hier liegt der Hund begraben und gibt Schwarz sein Gegenspiel.
A) 5.Sxf7 Lxf2!
Hier wiederum teilt sich der Ast in folgende Optionen auf:
A1) 6.Kxf2
A2) 6.Kf1/Ke2
Um nicht zu viel zu verraten sei gesagt, dass Schwarz nun nach 6.Kxf2 Sxe4! interessantes Gegenspiel einleiten kann, welches Schwarz mehr Spaß versprechen sollte, da Weiß einen dünnen Pfad beschreiten muss, wenn er nicht untergehen möchte.
Aber auch das andere Abspiel mit 5.Lxf7+ hat seine Berechtigung. Weiß nimmt einen Bauern mit Schach und zieht danach den Läufer zurück (da sonst …h6 drohen würde, wonach der Springer, der Verteidiger des Läufers, die Deckung aufgeben müsste). Hier werden vom Autor zwei Abspiele tiefgehend untersucht:
B) 5.Lxf7+ Ke7
B1) 6.Ld5
B2) 6.Lb3!?
6.Ld5 wird vom Autor auf zwei Kapiteln/Clips untersucht, während der Zug 6.Lb3 lediglich einen Clip erhält. Aber besonders der Zug 6.Lb3 wirkt nach dem Ansehen der DVD trickreicher, da Weiß die Drohung gegen f7 erneuert, ohne dabei den Verteidiger des Springers abtauschen zu lassen. Und hier findet sich auch die Stelle, an der ich aus theoretischer Sicht das Problem sehe, da Weiß laut Analysen auf dem Clip definitiv mit einem Vorteil aus der Eröffnung kommt. Ich werde kurz die Hauptvariante anführen:
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Sf6 4.Sg5 Lc5 5.Lxf7+ Ke7 6.Lb3 Tf8 7.O-O d6 8.Sc3 De8 9.Sd5+ Kd8 10.Sxf6 gxf6 11.Sf3 Dh5 12.c3 Lg4 13.h3 Lxf3 14.Dxf3 Dxf3 15.gxf3 f5
Hier gibt IM Ris zwei Varianten an. Die Neuerung für Weiß 16.f4!?N, die er tiefer analysiert und die einmal vorgekommene Partiefortsetzung 16.d3.
... In meinen Augen stellt die Variante nach 3…Sf6 und 4…Lc5 eine rein praktische Waffe dar und zielt darauf ab, Weiß nach 4.Sg5 unter konkrete Probleme zu stellen. Dass dies der Fall ist, wird in den einzelnen Videoclips deutlich, da IM Robert Ris die logischen Züge erklärt, die Spieler, welche von dieser Variante überrascht wurden, höchstwahrscheinlich wählen würden. Und Fallstricke gibt es entlang dieses dünnen Bergpfades reichlich! Weiß muss konkretes Theoriewissen besitzen und zudem am Brett mutig genug sein, um die dynamischen und höchst komplizierten Stellungen korrekt behandeln zu können, etwas, dass auf Klubniveau sehr selten ist und selbst auf höherer Ebene nicht jedermanns Sache sein dürfte.
Aber ein Repertoire wäre kein Repertoire, wenn man nur die kritische Fortsetzung untersuchen würde. Daher befinden sich auf der DVD auch die Abspiele mit einem frühen d2-d3 und dem energischeren d2-d4. Gegen den Aufbau mit d2-d3 wählt der Autor nicht etwa den unmittelbaren Gegenstoß …d7-d5, welcher vollends zufriedenstellend ist, sondern eine trügerische Idee, die darauf abzielt, keine ‘einfachen’ Stellungen zu erzeugen und stattdessen einen Stellungstyp mit mehr Komplexität zu erzeugen. Die Empfehlung lautet …Le7 und im folgenden die Idee …0-0, …Sh5/Se8, …f7-f5. Ein Plan, der mir in dieser Stellung nicht geläufig war, da ich ihn immer für etwas fragwürdig hielt, aber einer, der laut den Analysen des IMs durchaus Chancen besitzt. Weiß kann dadurch leicht einem Angriff ausgesetzt sein, den typischerweise 1.d4 aus der Königsindischen Eröffnung kennen. Nach 4.d4 hingegen nimmt der Autor auf d4 heraus und erklärt, wie sich Schwarz gegen die zahlreichen Ideen des Weißen zu verteidigen hat.
Das Englisch des Autors ist gut verständlich und sollte wie allgemein üblich mit normalen Schulenglisch verstanden werden. Die im Anhang angeführten Teststellungen dürften ihr taktisches Auge auf eine harte Probe stellen, mit dem Sie ihr soeben erworbenes Wissen direkt am Brett testen können.
Fazit:
Ein in sich stimmiges Repertoire, welches enormen praktischen Gehalt aufweist und sich auf Klubniveau als Geheimwaffe herauskristallisieren könnte, da Weiß konkrete Probleme bekommt, die mit viel Zuversicht und Wissen konkret angegangen werden müssen, wenn er nicht mit einer 0 nach Hause fahren möchte. Uneingeschränkte Empfehlung für alle Youngsters und Spieler <2100, die eine Überraschungswaffe suchen und gerne taktische Verwicklungen anstreben.
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Zur Originalrezension von Lukas Wedrychowski...