Das Tschigorin Memorial in
St. Petersburg
Von Misha Savinov

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Erneut war St. Petersburg
Gastgeber eines großen Offenen Turniers, zwar nicht ganz so spektakulär, wie die
Russische "Higher League" im Mai, wo Spieler wie Khalifman,
Dreev, Sakaev, Epishin an den Start gegangen waren, aber dennoch sehr
stark besetzt. 35 Großmeister, nicht mit gerechnet Andrey
Kornev, der trotz 2582 und vieler Normen bisher titellos ist, und 31
Internationale Meister gingen an den Start.

Herbst in St. Petersburg

Bücherstand
Die meisten stammten aus den
Ländern der ehemaligen UdSSR mit zwei Ausnahmen: dem spanische Amateur
De Luna (1938) und IM Rashid
Ziatdinov (2464) aus den USA, der allerdings früher ebenfalls Bürger der
Sowjetunion war.
Man fragt, sich warum im Vergleich zum
Aeroflot Open so wenige Spieler aus anderen Ländern mitspielten. OK, der erste
Preis in Höhe von 2000 Dollar war nicht besonders hoch, aber ein solches Turnier
ist auch ein gutes Training. Man trifft auf gute Gegner und hat Gelegenheit,
Normen zu machen. Im nächsten soll die Attraktivität durch höhere Preisgelder
noch gesteigert werden.

Bühne im Tschigorin Klub
Als eigenständiges Turnier mit großer
Tradition war das Tschigorin Memorial diesmal auch Qualifikationsturnier für das
Russische Pokalfinale (ein Rundenturnier, das im Dezember stattfinden soll).
Fünf Spieler waren vorberechtigt. Außerdem gehörte das Turnier zur ACP-Tour,
Spieler konnten also ACP-Punkte für die Gesamtwertung gewinnen. Es gibt Pläne,
dass der Sieger der Tour Herausforderer von Kramnik werden könnte.
Ich will hier nicht den gesamtem Verlauf des
Turniers dokumentieren. Seltsamerweise wollen manche Schachfreunde sich lieber
19-zügige Remisen anschauen, sobald dort das "Linares-Etikett" aufgeklebt wird,
statt spannendes Kampfschach auf einem Open zu verfolgen. Vielleicht resultiert
das aber auch aus einem Fehler der Schachjournalisten, die sich zu sehr auf
diese großen Turniere konzentrieren, statt sich um die vielen Open zu kümmern,
wo wahre Zeitnotschlachten, große Emotionen, unerwartete Ergebnisse und
unerklärliche Fehler zu sehen sind. Milos Forman könnte daraus einen Abend
füllenden Film machen, der alles bietet: eine einzigartige Geschichte, viele
verschiedene Charakter, extreme Spannung, Liebe und Hass und zahlreiche
Höhepunkte. Wer möchte, für den startet ein ähnliches Ereignis unmittelbar im
Anschluss, aber in einem anderen Land. Schach ist völlig unterbewertete große
Unterhaltung. Leider versäumen wir Schachjournalisten es, richtig zu "wühlen"
und die Dinge richtig zu bewerben. Stattdessen wird Schach als esoterisches
Spiel für einen ausgewählten Zirkel dargestellt. Man wendet sich nur den
Turnieren mit großem Prestige zu, nennt jemanden "Drawnik", schlägt die
Drei-Punkteregel vor, um Kurzremise zu vermeiden und verschickt den gewohnten
wütenden Bericht über den gewohnten langweiligen Tag.
Beim Fußball freuen wir uns auch auf die
Spiele der Champions League, aber deshalb verlieren wir ja die normalen Spiele
auch nicht aus den Augen. Hinzu kommt noch, dass auf Schach übertragen Real
Madrid gegen AC Milan oft genug im 17.Zug mit remis durch Vereinbarung endet.
Auch in den Open gibt es Kurzremisen, bei Weitem aber nicht in der Anzahl wie
auf den Prestigeturnieren. Meist wird kompromissloses
Kampfschach gespielt.

WGM Maria Kursova und einer der jüngsten Zuschauer. Das Turnier fand im
Tschigorin Schachklub statt, eine der stärksten Schachschulen in der Stadt, dies
ist vermutlich einer der Schüler.

Die Kaffee-Ecke, unterschätze niemals den Kaffeefaktor.
Ich muss mich für meine langen Ausführungen
entschuldigen, aber unter dem Eindruck von Linares, Dortmund und Brissago
scheint es fast, als wäre das professionelle Schach am Ende, doch in
Wirklichkeit, glaube ich, ist das gar nicht der Fall.
Der St. Petersburger
Evgeny Alekseev und Ernesto Inarkiev aus
Elista waren die Top gesetzten Spieler, mit je 2604
Elo. Wer findet das 2600 "schwach" ist, dem sei noch gesagt, dass Inarkiev bei
der Europameisterschaft der Vereine in der Türkei am vierten Brett eine
Performance von 2794 spielte. Leider war Ernesto
(tatsächlich nach Che Guevara benannt) sehr müde und verlor drei Partien in St.
Petersburg.
Die meisten Großmeister gewannen ihre
Partien der ersten Runden, wie üblich auf Offenen Turnieren. Einige
Überraschungen gab es aber doch: Denis Khismatullin (2552)
verlor gegen WIM Irina Vasilevich (2277), die
einen tödlichen Angriff gegen Sizilianisch dirigierte. Igor
Yagupov (2509) verlor mit Schwarz gegen den "Candidate
Master" Alexey Bryndin
(2215). Bryndin spielte mit zwei Bauern weniger und profitierte später
von einem Fehler des Großmeisters im Endspiel, als er dessen Springer fangen
konnte. Yagupov stand danach unter Schock und ging
noch gegen zwei andere schwächere Spieler unter. Aber er spielte das Turnier zu
Ende im Gegensatz zu anderen GMs, die ausschieden, nachdem ihre Chancen auf ein
Preisgeld verschwunden waren. Der junge Ukrainer Andrey Vovk
(2243) setzte seinen Landsmann Alexander Areshchenko
(2580) matt. Die Vovk-Brüder waren mit ihrem ultra-aggressiven Stil zu
Anfang des Turniers sehr erfolgreich. "Vovk" ist übrigens ukrainisch für "Wolf".
Nach drei Runden hatten noch 5 Spieler 100%:
Efimenko, Bocharov, Kokarev, Gavliov und
Ziyatdinov. Zakhar Efimenko und
Dmitry Bocharov waren unter den Top 10 gesetzten Spielern und galten nun
als heiße Anwärter auf den Turniersieg. In Runde vier allerdings standen beide
schlecht gegen zwei IMs, schafften aber immerhin noch je ein Remis.
After 3 rounds there were
5 players with 100% score: were among top 10 rated players, so
naturally they were considered to be early favorites. However, they failed to
confirm their good form in the 4th round, as both quickly reached
(although defended) inferior positions against IMs.
In Runde fünf kam für Inarkiev der
Wendepunkt, als er die erste seiner drei Niederlagen hinnehmen musste. Sein
Gegner GM Vladimir Belov übernahm mit Efimenko,
Bocharov und Sergey Ivanov die Spitze.

Sergey Ivanov meditiert vor dem Tschigorin Portrait

Vladimir Belov liest das Bulletin

Noch kann man die Figuren ungestraft berühren:
Spartak Vysochin

Grandmaster Leonid Yurtaev: kreatives Schach

IM Novikov (links) vs. GM
Grigoriants (Harley)
In Runde sechs gab es einige hart umkämpfte
Remise. Für die einzige Entscheidung and er Spitze sorgte Efimenko, der gegen
Ivanov seine Dame verlor.
Ivanov,S (2553) -
Efimenko,Z (2594) [E55]
Chigorin Memorial St. Petersburg, 21.10.2004
1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 Lb4 4.e3 0-0 5.Ld3 d5 6.Sf3 c5 7.0-0 dxc4 8.Lxc4 Sbd7 9.De2
b6 10.Rd1 cxd4 11.Sxd4 Lb7 12.e4 Lxc3 13.bxc3 Qe7 14.f3 Rfc8 15.a4 Se5 16.La3
Dc7 17.Lb3 Sc4?? 18.Sb5 Dc6
19.Lxc4 Dxc4 20.Rd8+ Rxd8 21.Dxc4
Rac8 22.De2 Schwarz gab auf.
Der kompromisslose Dmitry
Bocharov hatte die Chance, Ivanov in der folgende Runde abzufangen, aber
sein Angriff war nicht gut vorbereitet und verflüchtigte sich bald. Schließlich
konnte Schwarz seinen Materialvorteil realisieren. Sergey
Ivanov gewann seine sechste Partie in Folge. Eine herausragende Leistung
für einen schon "alten" Spieler - Ivanov ist 43 Jahre alt - , besonders da
Schach für ihn nur ein Hobby ist und er hauptberuflich als Merketing Direktor in
einer St. Petersburger Fabrik arbeitet,
Spartak Vysochin
aus der Ukraine stoppte Ivanovs Höhenflug und nahm ihm ein Remis in Runde acht
ab. Da der frühere St. Petersburger Meister mit einem Punkt Vorsprung führte,
konnte er sich das Remis leisten. Von den übrigen Mitbewerbern schaffte nur
GM Alexey Bezgodov in achten Runde einen Sieg und war
nun Ivanovs engster Verfolger.

Letzte Runde: Bezgodov - wie kann man die
Maginotlinie durchbrechen?

IM Konstantin Maslak, ein bekannter Internetspieler und Trainer.

Vitiugov - Areshchenko in der letzten Runde

Die 17-jährige Maria Fominykh (2309) will Journalistin
werden
In der neunten Runde musste sich das Turnier
in der direkten Vergleich der beiden entscheiden. Bezgodov
führte die weißen Steine. Beide Spieler gelten als gute Theoretiker und diesmal
gewann Bezgodov das Theorieduell. Ivanov wählte eine
Variante, die als ausgeglichen gilt, doch in Wirklichkeit bekommt Schwarz das
schlechtere Endspiel ohne Gegenspiel. Ivanov verteidigte sich hartnäckig und
nach 4,5 Stunden erzielte er das Remis. Dadurch wurde er zum alleinigen Sieger
des Turniers, Bezgodov wurde Zweiter.

Sieger Sergey Ivanov beim Interview
Rangliste der ersten zwanzig Preisträger:
1 Ivanov (2553) - 7S,
2 Bezgodov (2546), and 3 Vitiugov (2458) - 7,
4 Efimenko (2594), 5 Vysochin (2582), 6 Bocharov (2574), 7 Belov (2552), 8
Lutsko (2520), 9 Kokarev (2495), 10 Alekseev (2604), 11 Vorobiov (2524), 12
Smikovski (2503), 13 Ovetchkin (2473), 14 Kruppa (2547), 15 Silivanov (2295 - 1st
prize under 2300), 16 Khismatullin (2552), and 17 Tunik (2476) - all 6S,
18 Popov (2583), 19 Kuzubov (2530), 20 Geller (2489)... - 6, etc.
Den Juniorenpreis gewann der 14-jährige
IM Ildar Khairullin, den Frauenpreis
WGM Irina Slavina
Einer der Sponsoren spendete 500 Dollar für
den Schönheitspreis. Ich möchte betonen, dass dieser Preis eine große Motivation
für viele Spieler war. Ansonsten hätten sie in den letzten Runden ohne Aussicht
auf einen Preis sicher nur noch halbherzig gespielt. Die Jury entschied, den
Preis zu teilen zwischen IM Roman Ovetchkin und
Julia Gromova (2156, 131.-146.).
Ovetchkin spielte eine schöne Opferpartie und die 16-jährige Gromova überspielte
GM IM Kurenkow positionell.


Zwischen der letzten Partie und der Preisverleihung veränderten die Spieler
plötzlich ihre Erscheinung und wirkten wie die Zigeuner in den Filmen von
Emir Kusturica - freundlich, humorvoll, charmant und
spontan. Leute, die mit ganzem Herzen ihren Art zu leben genießen und sich aber
in Kürze davon machen werden..

Die St. Petersburger
Anna Dushenok and Evgeny Alekseev

Nikita Vitiugov bekommt den dritten Preis von IM
Andrey Petelin, Vizepräsident des St. Petersburger
Schachverbandes

Die Gewinner des Schönheitspreises:
Roman Ovetchkin and Julia Gromova