Gibraltar 2014: ... und Schluss!
Das Tradewise Chess Festival ist inzwischen das interessanteste Open überhaupt und - zusammen mit den London Chess Classic - das bedeutendste Turnier auf britischem Boden. Es findet allerdings nicht auf den britischen Inseln, sondern an der Südspitze der Iberischen Halbinsel statt. Seit 1704 haben die Briten hier das Sagen und 1713 trat Spanien Gibraltar im Frieden von Utrecht offiziell ab. Versuche, den Felsen zurück zu erobern, zuletzt in der Franco-Zeit, scheiterten allesamt. Entspannt nachbarschaftlich ist das Verhältnis zwischen Spanien und Britisch-Gibraltar nicht. Die Spanier fahren ab und zu mit ihrer Marine durch britische Hoheitsgewässer und handeln sich offizielle Potestnoten ein. Gibraltar hat dafür die Grenze geschlossen. Wer nach Spanien fährt oder von dort nach Gibraltar will, muss anderthalb Stunden Wartezeit an der Grenze in Kauf nehmen. Aufgrund seines Sonderstatus - hier gilt EU-Recht größtenteils nicht - haben einige Firmen hier ihren Sitz genommen, die sich Steuervorteile verschaffen wollen oder an Dienstleistungen verdienen, z.B. im Finanz- oder Glücksspielbereich, die in der EU verboten sind. Millionäre können hier ihre Steuern unabhängig von ihrem Vermögen oder Einkommen pauschal entrichten. Allerdings sei Gibraltar so unattraktiv, meinte ein Kommentator, dass man sich fragt, warum man dort überhaupt Steuern zahlen muss.
Auch Schach ist bisweilen ein Glücksspiel, zumindest für Spieler außerhalb des Profiniveaus, aber im Allgemeinen hat es doch den Anstrich einer anständigen Beschäftigung und so ist es für die Regierung von Gibraltar ein willkommener Kontrast zu den sonstigen Aktivitäten im Ort, die oftmals schon "Geschmäckle" haben, wenn man sie noch gar nicht genau beleuchtet hat. Das Turnier wird also ordentlich unterstützt und die Organisatoren haben ein gutes Händchen für eine attraktive Gestaltung im "Caleta"-Hotel. Haupttrumpf ist der Preisfonds. Er betrug in diesem Jahr an die 130.000 Pfund nur für das Masters-Turnier. Besonders schlau war es, dass man hier von Anfang an auch für die Frauen hohe Sonderpreise auslobte, was dazu führte, dass viele Topspielerinnen zum Turnier anreisten, was die Attraktivität zusätzlich erhöhte und dem Turnier eine besondere Note verlieh.
[Die Regierung von Gibraltar hat auf einige Fehler in dem einleitenden Teil des Artikels aufmerksam gemacht und bittet um Korrektur:
"Nicht Gibraltar behindert den Verkehr an der Grenze sondern Spanien mit willkürlichen Grenzkontrollen die es im August einführte. Die Situation an der Grenze ist von der EU Kommission begutachtet worden und beide Seiten müssen nun Maßnahmen treffen um einen flüssigeren Grenzverkehr zu garantieren. Das nachbarschaftliche Verhältnis zu Spanien ist eng und geprägt von verwandtschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen – Gibraltars Bevölkerung ist zweisprachig. Die Probleme werden von einigen der spanischen Regierungen ausgelöst.
Gibraltar ist Vollmitglied der EU (als Überseegebiet des Vereinigten Königreichs), ist aber nicht Teil der Zoll und Mehrwertsteuerzone, ähnlich wie Helgoland in Deutschland oder die Kanarischen Inseln, Ceuta und Melilla in Spanien. Die Finanz- und Glücksspieldienstleistungen werden unter voller Beachtung von EU-Recht abgewickelt. Dienstleister die in Gibraltar angesiedelt sind haben das Recht ihre Leistungen in allen EU-Staaten anzubieten. Gibraltar ist vielleicht eine der wenigen EU-Territorien die 100% der EU-Richtlinien in nationales Recht umgesetzt haben.
Gibraltars Steuerrecht ist EU- und OECD konform."
Miguel Vermehren
Director
HM Government of Gibraltar Information Service in Spain]
Mehrere Hundert Spieler nahmen diesmal am Turnier teil, im Masters waren es 250 Spieler. Mit Blitzturnieren, einer "Battle of the sexes" oder Teamblitz-Turnieren hält man die Spieler auch abends bei Laune. Das muss man auch, denn wer kein Schiff besitzt, um wegzufahren, findet am Ort nur wenig Unterhaltungsangebote.
Pressechef John Saunders hat einige denkwürdige Partien der letzten beiden Runden und des Stichlkampfes kommentiert:
Runde 9
Runde 10
Das Turnier wurde in einem Stichkampf zwischen Ivanchuk, Vitiugov und Cheparinov entschieden. Der Bulgare war per Los für das Finale gesetzt und besiegte dort Vitiugov.
Kommentare zum Stichkampf:
Bilder von der Schlussfeier:
Ivan Cheparinov
Cheparinov und Marya Muzychuk
Ray Keene freut sich mit den Frauen
Judit Fuchs hat auch gut abgeschnitten
Thomas Henrichts auf Augenhöhe mit Simen Agdestein
Nikita Vitiugov und Vassily Ivanchuk
Starker Nachwuchs: Richard Rapport und Wei Yi
Sophie Triay hat viele Fotos gemacht
Abschlusstabelle nach Zweitwertung (Performance)
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Cheparinov gewann den Stichkampf und wurde Turniersieger. Beste Frau war Mariya Muzychuk.
Alle Partien...
Fotos: John Saunders, Sophie Triay
Turnierseite...
Huffington Post: Steuerfluchtinsel Gibraltar...