Turings vermisste Erinnerungsstücke wiedergefunden

von André Schulz
21.01.2020 – Alan Turing, genialer Mathematiker, Vordenker der Computertechnologie, Codebreaker und Autor des ersten Computer-Schachprogramms, wählte 1954 den Freitod. Einige seiner persönlichen Erinnerungsstücke verschwanden 1984 aus einem Archiv. Nun sind sie wieder aufgetaucht.

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Der englische Mathematiker Alan Turing (1912-1954) hat Außergewöhnliches geleistet. Er war ein herausragender Mathematiker und vor dem Zweiten Weltkrieg schuf die theoretischen Grundlagen der Computertechnologie. Im Zweiten Weltkrieg setzte er seine eigenen Ideen beim Versuch, die deutschen Codes zu knacken, selber in die Praxis um, und baute Maschinen, die als Vorläufer der Computer angesehen werden. Während seiner Arbeit in der Decodier-Zentrale in Bletchley Park notierte er auf einem Stück Papier das erste Schachprogramm, noch bevor es dafür die geeigneten Maschinen gab. 

Nach dem Krieg wurde er vom Englischen Geheimdienst unter Druck gesetzt, da er wegen seiner Homosexualität als Sicherheitsrisiko galt. 1954 wählte Alan Turing den Freitod.

Turings hinterließ eine Reihe von Erinnerungsstücke, die seine Mutter nach Turings Tod der Sherborne School übereignet hatte. Turing war Schüler des Internats gewesen. Zu den Hinterlassenschaften gehörte Turings Promotionssurkunde der Princeton University, seine Medaille des Order of the British Empire, die er 1946 für seine Verdinste im Krieg erhalten hatte, eine Reihe von Fotos, verschiedene Zeugnissen, Briefe und Schrifstücke aus seiner Zeit an der Sherborne School. 

Die Stücke wurden an der Sherborne School wenig professionell in einer Holzkiste aufbewahrt. 1984 wurde an Sherborne School eine Frau vorstellig, die sich mit dem Namen Julia Turing vorstellte und angab, sie sei die Tochter von Alan Turing. Sie gab an, an einer großen Studie über Alan Turing zu arbeiten und erhielt Zugang zu den Erinnerungsstücken. Nach ihrem Besuch waren die Erinnerungsstücke verschwunden. In der Kiste, in der die Stück aufbewahrt wurden, lag nun ein Zettel: "Bitte verzeihen Sie mir, dass ich diese Materialien in meinen Besitz genommen habe. Sie werden unter meiner Obhut gut aufgehoben sein und sollen eines Tages alle an diesen Ort zurückgebracht werden".

Da es keine Inventarliste der Erinnerungstücke gab, wusste man an der Sherborne School nicht, was alles verschwunden war. Dies konnte nur anhand einer notdürftigen Liste geschätzt werden, die aus der Erinnerung aufgestellt wurde. Nach einiger Zeit erhielt die Schule eine Päckchen, indem sich eine große Zahl der vermissten Stücke befanden. Wegen der fehlenden Inventarliste wusste man aber nicht, ob die Rücksendung alle "ausgeliehenen" Stücke enthielt. Tatsächlich fehlten einige Dokumente und Stücke.

Im Januar 2018 wollte Julia Turing, ursprünglich hieß sie wohl Schwinghamer, hatte ihren Namen aber 1988 in Julia Turing geändert, der Universität von Colorado Boulder Erinnerungsstücke von Alan Turing leihweise zur Verfügung stellen. Da sie sich weigerte, davon Fotos machen zu lassen, wurde die Universität misstrauisch. Bei Nachforschungen stellte die Universität fest, dass es sich um Dokumente und Stücke handelte, die 1984 aus der Sherborne School verschwunden waren und nicht zurück gegeben wurden. Die Stück wurden beschlagnahmt und vom U.S. Department of Homeland Security in Denver aufbewahrt.

Der Vorgang liegt nun schon über zwei Jahre zurück, wurde aber erst jetzt bekannt. Bisher wurden die Gegenstände offenbar auch noch nicht an Sherborne School zurück gegeben.

Ihr Wert der Turing Hinterlassenschaft kann nur geschätzt werden. Im Jahr 2015 wurde eines von Turings Notizbüchern aus dem Jahr 1942, das nicht an der Sherborne School aufbewahrt wurde, für über eine Million US-Dollar versteigert. 

 

Artikel bei Planet Princeton...

Meldung in The Denver Post...

Sherborne School...


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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