HIM-Rocker
finden Anand "cool“
Chess-Classic Mainz: Burton holt im Simultan ein Remis /
Naiditsch deklassiert in U20-WM Harikrishna
Von Hartmut Metz
Der erste WM-Titel
bei den Chess Classic Mainz (CCM) ist dem deutschen Schach kaum mehr zu nehmen:
Der Dortmunder Arkadij Naiditsch führt in der Clerical Medical
U20-Weltmeisterschaft im Chess960 3,5:0,5 gegen den Inder Pentala Harikrishna.
Die deutsche Nummer eins benötigt so am zweiten Tag nur noch einen Punkt aus
vier Chess960-Partien, in denen die Startaufstellung der Figuren stets aus 960
Möglichkeiten ausgelost wird. „Im vierten Durchgang hatte ich etwas Glück. Ich
stand zunächst verloren. Aber als Harikrishna die Zeit überschritt, besaß ich
schon Vorteil“, berichtet der deutsche Spitzenspieler. Das Duell zuvor hatte
Naiditsch in leicht besserer Stellung friedlich beendet. In den zwei ersten
Vergleichen enteilte der Weltranglisten-46. der Nummer 25 auf dem Globus. „Die
zwei Partien spielte ich gut“, resümierte Naiditsch. Für Harikrishna, der wenige
Tage vor den CCM mit einem souveränen Turniersieg in Tschechien für Aufsehen
gesorgt hatte, wird es schwer, in den verbleibenden vier Begegnungen noch das
Ruder herumzuwerfen. „Ich konzentriere mich jetzt auf das morgige FiNet Open, um
nächstes Jahr Herausforderer zu werden und Revanche zu nehmen“, hakte Pentala
Harikrishna die U20-WM bereits ab.
Noch völlig offen
ist dagegen das Match der Damen: Äußerst achtbar schlägt sich bisher die
Erfurterin Elisabeth Pähtz. Gegen die Weltranglistendritte Alexandra Kosteniuk
verteidigte die deutsche Spitzenspielerin ein 2:2.
Organisator Hans Walter Schmitt mit Elisabeth Pähtz und Alexandra
Kosteniuk
Die Russin ging
zunächst in Front. Nach einem Remis in einer mit vielen Fehlern behafteten
zweiten Partie glich die Weltranglisten-22. aus. Anschließend trennten sich die
beiden Großmeisterinnen wieder mit einem Unentschieden.
"Duell der Grazien"
In der Senioren-WM
führt der Oberhausener Vlastimil Hort gegen den Ungarn Lajos Portisch mit
2,5:1,5. Beide Protagonisten haben eine besondere Beziehung zum „Fischer Random
Chess“, wie das modifizierte Chess960 früher hieß. In Budapest spielten sowohl
Portisch als auch Hort gegen Erfinder Bobby Fischer diese Schach-Variante. „In
einer normalen Partie konnte ich Fischer nie schlagen“, erzählte der mehrfache
WM-Kandidat Portisch und ergänzte stolz, „aber im Fischer Random Chess, das
Fischer inzwischen nur noch spielt, habe ich ihn auch mal bezwungen.“
Für Organisator
Hans-Walter Schmitt ginge ein Traum in Erfüllung, könnte er den inzwischen in
Island lebenden Bobby Fischer zurück ans Brett holen. Einstweilen boten Hort und
Portisch, der die erste und vierte Begegnung verlor und die dritte gewann, aber
auch eine gute Show. Schließlich sind beide Legenden, die schon anno 1963 in
Kecskemet (Ungarn) zusammen ein Turnier gewannen!
In der ersten von
zwei Pressekonferenzen kündigte Schmitt an, Chess960 weiter noch bekannter und
beliebter machen zu wollen. Die Sieger der Clerical Medical WM-Zweikämpfe seien
für 2007 als Titelverteidiger gesetzt. Die Sieger im morgen beginnenden FiNet
Chess960-Open bekommen das Recht als Herausforderer.
Zum Auftakt der
Wettbewerbe in Mainz gab Schnellschach-Weltmeister Viswanathan Anand ein
Simultan gegen 40 Amateure. 31 Duelle entschied der „Tiger von Madras“ zu seinen
Gunsten. Ulrich Gass (SC Eppingen) stellte nach 4:20 Stunden als Letzter den
Widerstand ein. Peter Backhaus aus Osnabrück konnte den Weltranglistenzweiten
schlagen. Die Mannheimer Frauen-Bundesligaspielerin Annette Busch, Rudolf
Weinzierl (TSV Rohrbach), Franz Rudolf (Satranc Club 2000 Köln-Mühlheim), Eric
Zweschper (SVG Eppstein), Volker Kropp (SC Mainz-Mombach) und Carsten Sausner,
der seinen Platz über Ebay ersteigert hatte (das Höchstgebot lag dort bei 250
Euro), durften sich über eine Punkteteilung freuen. Dies gilt ebenso für Gavin
Greif. Der Achtjährige von Makkabi Frankfurt, der mit fünf bereits mit Schach
begann, „vergaß im zehnten Zug, das Remis anzubieten“. Als der Knirps sein
Versäumnis drei Züge später nachholte, willigte der freundliche „Tiger von
Madras“ ein.
Unter den acht
Spielern, die ein Remis erkämpften, befand sich außerdem Keyboarder Burton von
der finnischen Rockband HIM. Bassist Mige unterlag dagegen in 29 Zügen ebenso
wie der Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel, der sich 41 Züge lang erbittert,
aber vergeblich wehrte.
Der Mainzer OB Jens Beutel beim Simultan gegen Anand
„Anand liegt
mir nicht so“, hatte der erfahrene Oberliga-Spieler schon vor dem Duell geunkt.
Seine Befürchtung, dass er nicht wie gegen Wladimir Kramnik oder Garri Kasparow
remisieren konnte, bewahrheitete sich dann tatsächlich.
Mige und Burton von HIM holten =,5 Punkte
Obwohl Burton und
Mige unterschiedliche Resultate erzielten, erklärten sie einmütig: „Es war
großartig!“ Mige hatte „nie erwartet, etwas gegen Anand zu holen. Ich wollte nur
eine Spalte durchhalten“, sagte der HIM-Bassist und tippte auf die Stelle in
seinem Formular, das Zug 20 anzeigt. Im Chess960 heute gegen Levon Aronjan legt
er die Messlatte für sich gleich hoch. Mit Burton war sich Mige einig: „Anand
ist ein wirklich netter Kerl, ein richtiger Gentleman! Er läuft nicht nur durch
die Reihen, sondern schaut einen auch mal an“, freuten sich die Weltstars.
Das tägliche
Training, wenn die Rockband auf Tour ist, brachte vor allem Burton Erfolg. „Ich
hätte nie gedacht, dass ich ein Unentschieden schaffe! Ich wollte wie Mige auch
nur 20 Züge überleben. Das Remis ist für mich wie ein Sieg! Ich kann’s noch
immer nicht glauben. Ich machte kaum einen Fehler“, sprudelte es aus Burton
heraus. In der Schlussstellung im 32. Zug besaß Anand gewiss noch Vorteil, den
er in einer Turnierpartie versucht hätte umzusetzen. Aber der freundliche Tiger
ist kein Egoist und Selbstdarsteller wie etwa Kasparow, der selbst in Simultans
keine kleinen Geschenke macht. Burton, der vom Aussehen her Johnny Depp als Jack
Sparrow in „Piraten der Karibik“ doubeln könnte, und Mige dankten es auf ihre
Weise: „Das war wirklich cool. Natürlich kommen wir nächstes Jahr wieder“,
versprachen beide. Mige will noch mehr trainieren, um dann „auch wie Burton ein
Remis zu schaffen“.