Simultan mit Kasimdzhanov
Von Jamshid Begmatov
Es begann mit einer Telefonnachricht, die mich Sonntag
morgen um 10 geweckt hat, definitiv zu früh, wenn man die Nacht zuvor bis
vier Uhr morgens auf dem ChessBase Server geblitzt hat. Grummelnd fragte ich
mich, warum ich das Telefon nicht abgestellt hatte, bevor ich ins Bett ging,
las aber dann doch die Nachricht, die von meinem jungen Freund dem
Internationalen Meister Anton Filippov stammte. “Kasim gibt heute um 14 Uhr
ein Simultan. Wäre ein guter Bericht für ChessBase” lautete der Text...
Ich rief sofort den Schachklub an, um zu fragen, ob
beim Simultan noch ein Brett für mich frei war. “Aber Du bist nicht in der
Nationalmannschaft” lautete die überraschende Antwort! Ich fragte noch
einmal nach, und sie bestätigten, dass Rustam Kasimdzhanov, der
FIDE-Weltmeister von 2004, ein Simultan gegen die usbekische
Nationalmannschaft gab.
Ein paar Hintergrundinformationen zu Rustam
Kasimdzhanov: Hier habe ich etwas über Schreibweise und
Aussprache
seines Namens geschrieben:
Rustam Kasimdzhanov (usbekische Schreibweise: Rustam
Qosimjonov), geboren am 5. Dezember 1979, ist ein Schachgroßmeister aus
Usbekistan, lebt aber zur Zeit in Deutschland.
Zu Rustams besten Ergebnissen zählen:
·
Erster bei der Asienmeisterschaft 1998;
·
Zweiter bei der Jugendweltmeisterschaft 1999;
·
Bronzemedaille mit einem Ergebnis von 9,5/12 an Brett Eins für
Usbekistan bei der Schacholympiade 2000.
·
Erster in Essen 2001;
·
Erster in Pamplona 2002;
·
Erster mit 8/9 beim Vlissingen Open 2003;
·
Geteilter Erster mit Liviu Dieter Nisipeanu mit 6/9 in Pune
2005
·
Erster beim Corsica Masters Turnier 2006.
Rustam hat auch an den berühmten Turnieren in Wijk aan
Zee (1999 und 2002) und Linares (2005) teilgenommen, wenngleich ohne
herausragende Ergebnisse. Aber sein bislang bestes Ergebnis ist der Sieg bei
der FIDE-Weltmeisterschaft 2004, die er auf brillante Weise gewonnen und
dabei Alejandro Ramirez, Ehsan Ghaem Maghami, Vasily Ivanchuk, Zoltan Almasi,
Alexander Grischuk, Veselin Topalov und Michael Adams geschlagen hat.
Rustams höchste Elo-Zahl waren 2706 Punkte auf der
FIDE-Rangliste vom Oktober 2001.
Zurück zum Simultan.
Die Mannschaft bestand aus vier Mitgliedern des
usbekischen Männerteams: GM Saidali Yuldashev (Iuldachev auf der FIDE-Liste),
seine augenblickliche Zahl beträgt 2518; GM Shukhrat Safin, 2460; IM Anton
Filippov, 2486; und IM Sergey Kayumov, 2438. Damit hatten Rustams Gegner
eine durchschnittliche Elo-Zahl von 2476 – nicht schlecht für ein Simultan!
Um im letzten Moment noch für ein wenig mehr Stimmung zu sorgen, fragte
Nafisa Muminova, die usbekische U-20 Mädchenmeisterin, Elo 2138, ob sie bei
dem Spektakel dabei sein könnte und Rustam war einverstanden.
Bevor die Partien anfingen sprach ich mit Spielern,
Experten und Zuschauern und sie beurteilten Rustams Chancen recht
zurückhaltend. Ich gebe zu, dass ich der Meinung war, er würde
Schwierigkeiten haben, ein ausgeglichenes Ergebnis zu erzielen. Aber die
Wirklichkeit verläuft manchmal als unsere Erwartungen …
Glauben Sie mir, drei Siege und zwei Unentschieden ohne
eine einzige Niederlage ist ein absolut großartiges Ergebnis für ein solches
Simultan!
Saidali und Rustam sind seit vielen Jahren Freunde und
Mannschaftskollegen, aber heute sind sie Rivalen.
Saidali verteidigt ein schweres Endspiel, das
schließlich Remis wurde. Er ist der Cheftrainer der usbekischen
Nationalmannschaft.
Rustam war entschlossen, die Partie gegen Safin zu
gewinnen – was er auch tat.
Ganz auf die Partie konzentriert. Die Dinge sahen für
dieses junge Mädchen am Anfang und im Mittelspiel ziemlich gut aus…
IM Anton Filippov: nun gut, nun gut, nun gut … schauen
wir einmal, was ich hier machen kann … tatsächlich lehnte Anton das
Remisangebot Rustams ab, als die Stellung ziemlich unklar war.
Sie haben nicht wirklich geglaubt, dass er schläft,
oder? Nein, er hat einfach nur mit geschlossenen Augen nachgedacht.
IM Sergey Kayumov ist in einer schwierigen Stellung in
Gedanken vertieft. Sie zu retten erwies sich als zu schwer.
Schauen Sie nur ihre Augen an. Sie war so voller
Optimismus, dass sie Rustam direkt ins Gesicht geschaut hat, während er
überlegte…
Und Rustam blieb zunehmend länger bei Nafisa stehen.
Wie er nach der Partie erklärte, musste er ab einem bestimmten Zeitpunkt
lauter “einzige” Züge finden.
Aber es ist nicht leicht, gegen einen Ex-Weltmeister zu
spielen. Nafisa wirkt bereits traurig und scheint darauf eingestellt, die
Partie aufzugeben. Aber sie lieferte Rustam die schwerste Partie des
Simultans. Bravo Nafisa!
Hat ebenfalls Schwierigkeiten … Großmeister Shukhrat
Safin.
Schlussstand und Einzelergebnisse:
Rustam Kasimjanov |
2682 |
½-½
|
Anton Filippov |
2486 |
Nafisa Muminova |
2138 |
0-1
|
Rustam Kasimjanov |
2682 |
Rustam Kasimjanov |
2682 |
½-½
|
Saidali Yuldashev |
2518 |
Shukhrat Safin |
2460 |
0-1
|
Rustam Kasimjanov |
2682 |
Rustam Kasimjanov |
2682 |
1-0
|
Sergey Kayumov |
2438 |
Endstand: 4:1 (+3 =2) |
Bevor Rustam am nächsten Tag wieder nach Deutschland
zurückflog, interviewte ich ihn. Das Interview war kurz, aber interessant.
Jamshid: Rustam, wie kam die Idee zu dem Simultan
zustande? Wessen Idee war das?
Rustam: Das letzte Mal, als ich nach Taschkent kam,
sprach ich mit dem Sportminister, und wir kamen zu dem Schluss, dass Schach
in unserem Land stärker gefördert werden muss. Dies ist der erste Schritt
unserer Förderpläne, die wir in den nächsten Jahren hoffentlich umsetzen
können. Ich hoffe, es gibt noch sehr viel mehr interessante Veranstaltungen.
Außerdem war es ein sehr interessantes Experiment. Ich habe ein solches
Simultan noch nie zuvor gespielt.
Ok, Du hast heute ein großartiges Ergebnis
erzielt, aber offen gestanden, welche Erwartungen hattest Du vor den
Partien?
Ich wusste, das wird ein sehr schwerer Wettkampf, und
das war er auch! Aber ich habe mich über das Ergebnis gefreut, das ich,
ehrlich gesagt, nicht erwartet hatte.
Was sagst Du zu den einzelnen Partien? War
irgendeine Partie besonders schwer?
Nun, alle waren schwer. Besonders hervorheben würde ich
meine Partie gegen Nafisa. Ab einem bestimmten Zeitpunkt fühlte ich, dass
ich sehr vorsichtig spielen musste, um die Partie zu halten. Später wurde
sie vielleicht zu optimistisch und überschätzte ihre Chancen, was
schließlich zur Niederlage führte. Aber sie hat großes Potenzial. Anton
spielte ebenfalls sehr gut und lehnte mein Remisangebot in einer unklaren
Stellung ab. Die Partie gegen Saidali war wie gewöhnlich interessant. Es ist
immer interessant, gegen seinen Trainer zu spielen (ein Scherz).
Wenn sich die Gelegenheit ergibt, hättest Du
Interesse, ein ähnliches Simultan zu spielen, vielleicht international, über
das Internet?
Ich spiele nicht allzu viel Internetschach. Es ist
großartig und ich spiele mit großem Vergnügen online, aber bei ernsthaften
Wettkämpfen sehe ich meine(n) Gegner doch lieber vor mir. Nicht nur aus
Angst vor möglichem Betrug. Ich messe der Psychologie im Schach viel
Bedeutung bei und beim Internetschach gibt es keine psychologische
Kommunikation.
Ok, sprechen wir noch über andere Dinge. Möchtest
Du Dich zu Topalovs Team und deren Lage äußern?
Darüber wurde schon genug gesagt. Können wir das Thema
übergehen?
Sicher. Welche Pläne hast Du in der nächsten
Zukunft?
Nun, erst einmal steht mir in Elista das
Qualifikationsturnier zur Weltmeisterschaft bevor. Mein erster Gegner ist
Boris Gelfand. Wenn ich weiterkomme, spiele ich gegen den Sieger des
Wettkampfes Kamsky gegen Bacrot. Danach sehen wir weiter.
Vielen Dank für das Gespräch.
Über den Autor:
Jamshid arbeitet als Berater für Wirtschaftsfragen für
das Büro der Europäischen Kommission in Taschkent in Usbekistan. Er
beschäftigt sich leidenschaftlich gern mit Schach und digitaler Fotographie.
Jamshid hat außerdem eine Reihe von Artikeln auf der ChessBase-Webseite
veröffentlicht und live im Fernsehen über die FIDE-Weltmeisterschaft 2004 in
Libyen berichtet, die von seinem Landsmann Rustam Kasimjanov gewonnen wurde.