Die letzte Partie des Abends zwischen Hikaru Nakamura und Gukesh Dommaraju endete mit einem Höhepunkt, der die ungewöhnliche Atmosphäre des Abends unterstrich. Nachdem er sich den Sieg gesichert hatte, hob Nakamura den König seines Gegners hoch und warf ihn in die jubelnde Menge. Dann riss er seine Arme zum Jubel empor – ein Bild, das den Versuch der Organisatoren, Schach als energiegeladenes Arena-Erlebnis zu präsentieren, auf den Punkt brachte.
Nakamuras „Königswurf“ löste eine Kontroverse aus, die IM Levy Rozman, alias Gotham Chess, einer der Teilnehmer des Matches, im Folgenden erläutert.
Das Format der Veranstaltung war ebenso unkonventionell wie ihre Präsentation. An jeder der fünf Partien nahm jeweils ein Vertreter der beiden Länder teil. Die Matches wurden nacheinander gespielt. So konnte das Publikum jeden Zug live verfolgen. Die Zeitkontrolle betrug 10 Minuten pro Seite, mit einer Sekunde Aufschlag, der aber erst addiert wurde, wenn die Uhr eines Spielers unter eine Minute fiel – eine unorthodoxe Einstellung, die von den meisten Standard-Schachuhren nicht einmal unterstützt wird.
Remisangebote und Aufgabe waren verboten. Alle Partien mussten bis zum Ende gespielt werden und endeten mit Schachmatt, Zeitüberschreitung oder einer theoretisch remisigen Stellung wie beispielsweise zwei bloßen Königen. Im Falle eines Remis wurde der Wettbewerb mit schnelleren Partien fortgesetzt – zunächst mit einer Fünf-Minuten-Partie und, falls erforderlich, mit einem Ein-Minuten-Bullet-Stechen. So gab es am Ende auf jeden Fall einen Sieger.
Die Spieler betraten die Bühne in ihren Team-Trikots, gingen durch einen Korridor aus Fans und begrüßten die Zuschauer mit „High-Fives“, bevor sie ihre Plätze einnahmen. Damit gaben sie den Ton für einen Abend vor, der sich deutlich von der ruhigen, klassischen Atmosphäre der meisten Elite-Veranstaltungen unterschied.


Fabiano Caruana und Sagar Shah kommen auf die Bühne. | Fotos: Ashwin Subramanian
Die erste Begegnung bestritten Fabiano Caruana und Arjun Erigaisi. Der amerikanische Routinier übernahm dabei in einem langen strategischen Kampf nach und nach die Kontrolle. Die Live-Kommentare und die Reaktionen des Publikums verliehen der Partie eine ausgesprochen interaktive Atmosphäre, und Caruana nutzte seinen Vorteil nach 60 Zügen, um dem Team USA eine frühe Führung zu verschaffen.

Fabiano Caruana schlug Arjun Erigaisi. | Foto: Ashwin Subramanian
Es folgte das Duell zwischen den beiden 15-Jährigen Tanitoluwa Adewumi und Ethan Vaz, die beide bereits als Wunderkinder gelten. Adewumi, der 2019 erstmals internationale Aufmerksamkeit erlangte, nachdem er eine New Yorker Jugendmeisterschaft gewonnen hatte, während er in einem Obdachlosenheim lebte, setzte sich in einem wilden taktischen Kampf durch. Vaz, der in der Vergangenheit vorübergehend der jüngste IM der Welt war, als er den Titel im Alter von zwölf Jahren errang, lehnte eine dreifache Wiederholung ab und opferte eine Qualität, um Aktivität zu suchen.
Doch der Angriff des indischen Wunderkindes geriet ins Stocken, und Adewumis Konter erwies sich als entscheidend, wodurch die USA ihren Vorsprung verdoppelten.

Tanitoluwa Adewumi | Foto: Ashwin Subramanian
Das dritte Match zwischen Carissa Yip und Divya Deshmukh war das kürzeste des Abends. Yip, dreimalige US-Meisterin, erreichte direkt nach der Eröffnung eine Gewinnstellung und sicherte sich den Sieg, als Divya in einer verlorenen Stellung die Zeit ablief. Dieses Ergebnis sicherte dem Team USA, das dadurch bereits mit 3:0 führte, den Gesamtsieg.

Carissa Yip | Foto: Ashwin Subramanian
Im vierten Spiel sorgten die Online-Persönlichkeiten Levy Rozman und Sagar Shah für den unbeschwertesten Moment des Abends. Um das Publikum zu unterhalten, ließ Rozman die Zuschauer seinen ersten Zug wählen. Diese entschieden sich für 1.f4, was zu einer ungewöhnlichen Stellung führte. Die verflachte jedoch schnell zu einer Zugwiederholung – allerdings erst, nachdem Rozman die Zuschauer gefragt hatte, ob sie einem Remis zustimmen würden.
Es folgte eine Revanche mit fünf Minuten Bedenkzeit: Shah verschaffte sich einen klaren Vorteil, indem er früh einen Bauern gewann, aber als beide Spieler unter zehn Sekunden fielen, kam es zu chaotischen Zuständen. Shah stieß versehentlich Figuren um und Rozman erhielt eine Zeitgutschrift. In der folgenden hektischen Situation verlor Shah eine Figur und überschritt schließlich die Zeit. Die USA bauten also ihre Führung auf 4:0 aus.

Levy Rozman | Foto: Ashwin Subramanian
Schließlich betraten Hikaru Nakamura und Gukesh Dommaraju die Bühne für das Spitzenspiel. Ihre erste Partie, ein Läuferendspiel, endete friedlich. In der folgenden Partie entschied sich Nakamura jedoch für das unorthodoxe 1.b4 (die Spieler durften in aufeinanderfolgenden Partien nicht denselben ersten Zug spielen). Gukesh gewann bald die Oberhand und schien kurz vor dem Sieg zu stehen. Aber extremer Zeitdruck spielte erneut eine entscheidende Rolle: Der Weltmeister übersah eine Verteidigungsmöglichkeit und geriet in ein Mattnetz, gerade als ein Remis durch Wiederholung in greifbarer Nähe war.
Der Sieg bescherte dem Team USA ein überragendes 5:0-Ergebnis und besiegelte einen unvergesslichen Abend für die Gastgeber. Nakamuras theatralische Geste mit dem besiegten König war ein unmissverständliches Symbol dafür, wie weit sich die Veranstaltung von den üblichen Konventionen entfernt hatte.

Hikaru Nakamura | Foto: Ashwin Subramanian

Gukesh Dommaraju | Foto: Ashwin Subramanian
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