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Schach-Großmeister Utut Adianto spielt zum insgesamt achten Mal am Bieler Schachfestival. Wichtiger als die persönlichen Resultate sind dem indonesischen Großmeister die Fortschritte seiner Nachfolger.
Utut Adianto ist in seiner Heimat ein Star. 1995 wurde der Schach-Großmeister in Indonesien zum Sportler des Jahres gewählt. Spätestens seit sein Gesicht in diversen Werbeclips für Produkte des Alltags erschienen ist, kennt ihn dort jedes Kind. Nachdem er viele internationale Großerfolge gefeiert hatte, bestritt Adianto im November 2008 am Korea Open in Seoul seine letzte gewertete Schachpartie. Mit der Wahl 2009 in die Regierung Indonesiens fehlte ihm fortan die Zeit für den Schachsport. «Ich betreibe ihn daneben nur noch als Hobby», so Adianto. Bei seiner achten Teilnahme in Biel hat er am Meisteropen mit Siegen gegen den Deutschen Holger Rasch und den Schweizer Roger Gloor ein erfolgreiches Comeback gefeiert. Ein schöner Ferienbeginn für den Gewinner des Bieler Meisteropens von 1994 und Zweiten des Großmeisterturniers von 1995. Am Vortag sei er mit seiner Frau und der gemeinsamen Tochter am Bielersee gewesen. «Die Region ist sehr schön. Alles ist sauber und gepflegt, während wir in Jakarta gegen Umweltverschmutzung und Armut anzukämpfen haben.»
Seit Adianto Politiker ist, will er seinen Landsleuten zu einem besseren Leben verhelfen. Der Schachsport sei ein probates Mittel, um Kinder aus armen Gesellschaftsschichten und deren Familien zu unterstützen. Das Regierungsmitglied, dessen Verantwortungsbereiche der Sport, die Erziehung und der Tourismus sind, sitzt im Budgetkomitee und hat Gelder für die nationale Schachausbildung gesprochen. «In den Schulen wird Schach als Wahlfach angeboten. » Schach fördere die Konzentration und Beharrlichkeit, an einer Sache zu arbeiten. Es hole die Jugendlichen von der Straße und biete ihnen eine sinnvolle Beschäftigung, von der sie später einmal leben könnten. Der stellvertretende Vorsitzende des indonesischen Schachbundes ist Mitbegründer einer Schachschule in Jakarta. Dort erhalten die jungen Talente eine fundierte Grundausbildung. «Ich war ein Autodidakt und habe mir alles selber beigebracht», erinnert sich Adianto an seine schwierigen Anfänge. Da der Schachsport einhergehend mit der Digitalisierung und den immer besseren Computerprogrammen eine bedeutende Entwicklung gemacht habe, werde ein Alleingang heute kaum mehr von Erfolg gekrönt. «Wir brauchen Lehrer und die gängigen Hilfsmittel», sagt Adianto. «Und vor allem genug Geld, denn eine fundierte Schachausbildung ist kostspielig.» Teuer seien die Reisen ins Ausland sowie Kost und Logis an den Turnierorten. «Nur an den Turnieren mit Partien gegen starke internationale Konkurrenten können sich unsere Spieler die nötige Erfahrung holen.»
Aus Indonesien angereist ist Adianto mit fünf Spielern und sechs Spielerinnen, die dem staatlichen Schach-Förderprogramm angehören. «Der Staat übernimmt ihre Finanzierung. Ich dagegen berappe meine Reise selber, denn für mich sind es in Biel ja Ferien », meint der Hobbyspieler mit einem Lächeln. Zum Team gehören der russische Schachlehrer und Großmeister Ruslan Scherbakov sowie zwei Journalisten. Einer von ihnen macht Beiträge für das indonesische Staatsfernsehen, der andere beliefert mit seinen Artikeln alle wichtigen Zeitungen des Landes. Die Spieler sind von der Schule dispensiert worden, um sich voll auf ihre Turniereinsätze zu fokussieren. Der Schulstoff wird in einem auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Lehrplan individuell erarbeitet und Prüfungen später nachgeholt. Adianto erkennt viel Potenzial. «Wir brauchen neue Idole im Land», sagt der 48-jährige Vorreiter, der seine ruhmreichste Zeit am Brett hinter sich hat. «Mit ihnen lässt sich der Schachsport besser vermarkten.» Biel sei ein guter Ort, um die Jungen vorwärtszubringen. «Hier gibt es diverse Turniere mit klassischen und modernen Schacharten sowie viele Teilnehmer aus der ganzen Welt. Ideale Voraussetzungen, um viel zu lernen.» Großmeister Susanto Megaranto, der ebenfalls das Meisteropen bestreitet, ist eines der hoffnungsvollsten Talente und könnte bald in die Fußstapfen seines Vorbilds treten. «Der Weg ist noch lang», sagt Adianto und will weiterhin alles dafür tun, Schach in Indonesien noch populärer zu machen. Francisco Rodríguez
Interview: Francisco Rodriguez
Fotos: Peter Samuel Jaggi, Schachfestival Biel