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Vaile Fuchs: Frei sein
Kurz nach ihrem Abitur, es war im Jahr 1998, ließ sich die Hamburgerin Vaile
Fuchs von ihrer Mutter nach Schweden fahren und dort, wo die großen
Straßen enden, zusammen mit ihren beiden Pferden Cara und Marina aussetzten. Als
Pferdenärrin hatte sie den Plan gefasst, auf dem Rücken ihrer Tiere durch "die Wildnis" zu reiten, und Schweden, wo es viel Fläche und wenig
Menschen gibt, bot sich als Abenteuerspielplatz an. Inspiriert durch Jugendromane wie Ronja Räubertochter hatte
das Mädchen, bzw die junge Frau, die vage Idee, hier die große Freiheit zu
genießen und auf der Schwelle zum Erwachsenwerden vielleicht zu sich
selbst zu finden. Gut zehn Jahre später hat die Schauspielerin und Musikerin Vaile Fuchs dieses Abenteuer in
Worte gefasst und zwischen zwei Buchdeckel gepresst bei Knaur verlegt.
"Frei sein" ist ein amüsantes Buch und könnte als witzige Anleitung verstanden
werden, wie man so ein "Survival-Training" besser nicht organisieren sollte. Wie
sich beim Lesen herausstellt, war nämlich der schlimmste Feind, dem Vaile in der
schwedischen Wildnis begegnen konnte, sie selbst. Mit verblüffender Naivität,
die von der Autorin mit viel Selbstironie dargestellt wird, hatte die junge Vaile
ihr Abenteuer vorbereitet und man fragt sich beim Lesen, wie es möglich war,
dass sie es überleben konnte.
Im Grunde fingen die Probleme schon damit an, dass man Pferde im dichten Gehölz
überhaupt nicht reiten kann. Erst recht nicht, wenn man auf dem einem Pferd sitzt
und ein zweites als Packpferd hinterher zieht.
Bleibt man stecken, ist das
Manövrieren mit den schweren Tieren äußerst mühselig.
Wenn man dann auch noch die Orientierung verliert, sollte nicht ausgerechnet
ein Plan für Fahrradtouren das Hilfsmittel sein, auf das man hauptsächlich
angewiesen ist. Sonst wird man nämlich von allen größeren Höhenunterschieden des
Untergrundes unangenehm überrascht, besonders weil Pferde ja auch keine
Kletterziegen sind.
Wenn manche Männer "Freiheit" genießen wollen, ist eine Motorradtour eine Möglichkeit,
danach zu suchen. Alle 300 km hält man an und tankt, vielleicht so 15 Liter.
Auch Pferde haben Durst und zwar viel. Der Leser staunt, wenn er erfährt, dass ein Pferd pro Tag
nicht weniger als 50 Liter Wasser braucht. Bei zwei
Pferden benötigt man also 100 Liter Wasser am Tag. Deswegen also die großen
Tränken vor den Saloons in jedem Western. Im schwedischen Wald sucht man die
aber natürlich vergebens und muss was anderes finden.
100 Liter Wasser
Unbedingt sollte man es alleine im Wald auch vermeiden, sich am abendlichen Feuer nach dem
Tageswerk die Zeit mit Schnitzarbeiten und einem Taschenmesser zu vertreiben.
Sie ahnen es: Im Nu ist die Klinge vom Holz abgerutscht und
der Stahl steckt im Oberschenkel der Abenteurerin. Das blutet ziemlich und zum
Glück wohnen in Schweden doch ein paar Menschen, die helfen können.
Die Zeltbesitzerin - verblutet?
Auch Ernährungsfragen werden in Vails Buch "Frei sein" ausführlich geklärt. So erwies sich der vorherige
Kauf eines halben Kilos Parmesan - wegen der langen Haltbarkeit bis 2030 - als
eher unnütz, während Klöße im Kochbeutel unterwegs prima zu verarbeiten sind.
Zubereitungstipp:
Erst im Wasser aufquellen lassen, dann erwärmen, falls überhaupt.
Dann nehme ich doch lieber die Klöße
In Bezug auf die Ausrüstung
gibt es ebenfalls zahlreiche wertvolle Hinweise. Das mitgenommene Geo-Heft, "Wie überlebe ich in
der Wildnis", fand allerdings nur Verwendung im Lagerfeuer.
Ein ständiges Problem für Pferdebesitzer, die sich mit ihren Tieren gerade
irgendwo in einem Wald in Schweden aufhalten, und wahrscheinlich nicht nur dort,
ist die Frage, was mache ich mit dem Tier, wenn ich schlafe und es nicht
weglaufen soll. Da gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, von denen sich die
meisten allerdings aus unterschiedlichen Gründen und mit teilweise gefährlichen
Auswirkungen für die Gesundheit der Tiere oder deren Besitzerin als Irrweg erweisen. Eine überraschende
Erkenntnis für Nichttierhalter ist, dass Pferde ziemlich schlau sind (oder
dumm?) und sich durch ein knackendes Geräusch mit den Fingernägeln einen
Stromgeber einer elektrischen Umzäunung vormachen lassen. Das sind diese blauen
Batterien, die einen dünnen Draht eines Gatters elektrisch laden. Die Batterie
kann man natürlich nicht mitnehmen, weil sie viel zu schwer ist. Allerdings
merkt selbst ein Pferd irgendwann, dass ihm hier ein X für ein U vorgemacht
wird.
Und doch, es gibt auch echte Gefahren. So leben in Schweden tatsächlich noch
Bären. Die Pferdebremsen sind so groß wie Hubschrauber und der organisierte
Angriff von Waldameisen auf die Verpflegung und deren Besitzerin ist schwerer zu
verteidigen als ein Königsangriff von Kasparov, besonders wenn man als
herzensguter Tierliebhaber kein Tier verletzten möchte. Vailes Buch ist voll mit
solchen Episoden.
Nach der Schauspielschule in New York fand Vaile Fuchs als "langmähnige
Blondine" ein Engagement in der ARD-Soap Marienhof (als Jessy), stieg aber
aus dieser TV-Fabrik
nach einer Reihe von Folgen wieder aus. Danach spielte sie u.a. in einigen
Tatorten mit, die sie jedoch meist nur als Opfer zu verlassen imstande war.
Vielleicht liegt Vailes größeres Talent in der Musik. Inzwischen hat sie
drei CDs produziert, mit zumeist ruhigen, poetischen Stücken, die sie allesamt
selbst geschrieben hat. Die jüngste CD erschien gerade am 22. Oktober. Hier
singt sie erstmals in deutscher Sprache.
Im Buch findet natürlich auch die reale Welt außerhalb der schwedischen Wälder
gelegentliche Erwähnung.
Auch hier gibt es eine Reihe von Gefahren zu meistern und der eigene Platz in
dieser Wirklichkeit ist selbst ohne tollpatschige Pferde wohl viel schwerer zu finden
als ein solcher irgendwo fernab der Hauptverkehrsstraßen.
Nach einem kleinen Konzert in Mannheim ließ sich Hobby-Schachspielerin Vaile vom Musikjournalisten Chris Glaub in den Chaos Schachcluv Mannheim locken.
Später war sie gern gesehener Gast bei den Chess Classic in Mainz, auf der Schacholympiade in Dresden und bei verschiedenen Schachveranstaltungen in Hamburg.
Bei einem Treffen mit Schachfan Smudo war die Künstlerin mal wieder viel zu anständig und meldete dem Fanta Vier- Sänger artig, dass dieser soeben seine Dame eingestellt hatte: "Ich kann ja hier deine Dame schlagen."Oh", sagte Smudo, der übrigens im nächsten Schach-Magazin 64 (Dezember 2010) mit einem Interview vertreten sein wird, "Entschuldigung!", setzte die Dame woandershin, nahm Vaile später alle ihre Steine weg und setzte Sie matt.
Vaile be Myspace... Vaile bei Youtube... "Frei sein" bei Droemer-Knaur...
Vaile Fuchs: Frei sein, Droemer-Knaur, 285 Seiten, 16,99 Euro
André Schulz
Fotos: vaile.de, chessbase.de