ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024
ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan
Das folgende Interview erschien in gekürzter Form im Neuen Deutschland. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Schachspiele für den Flug zum Mars
Interview von Dr. René Gralla mit Hans L.
Bodlaender
Spitze
Ohren sind ihm noch nicht gewachsen. Dabei würden die - als Beigabe zum scharfen
Verstand des Vulkaniers Mr. Spock - sicher helfen, mit dem bizarren "3D-Star
Trek-Schach" klar zu kommen: Das ist nämlich eine Mattjagd auf sieben (!)
Ebenen, und dieses Raumschach ist eine der Varianten des ewigen Spiels, die der
Niederländer Hans Leo Bodlaender auf seinen Webseiten zusammen mit sechs
ehrenamtlichen Autoren vorstellt und analysiert. Angefangen hat das 1995, und
mittlerweile ist die Homepage
www.chessvariants.org
das Online-Lexikon schlechthin für verschiedene Schachversionen. Von regionalen
Besonderheiten wie Chinas Xiangqi oder Äthiopiens Senterej bis hin zu Science
fiction und den trickreichen Hakenschlägen der kleinen Grünen Männchen auf dem
10x10-"Jetan"-Brett, das angeblich vom Roten Planeten stammt:
Alles
findet seinen Platz bei Hans Bodlaender. Dazu Historisches wie das
mittelalterliche "Kurierschach", das groß und bunt gewesen ist und so witzige
Typen wie den "Schleich" kannte: eine echte Herausforderung auf 96 Feldern und
in Sachsen-Anhalts berühmtem Schachdorf Ströbeck lange gepflegt. Ob
Schachspieler, die oft ihre vergleichsweise beschaulichen 64 Quadranten nur
mühsam unter Kontrolle halten, das eigentlich alles wissen müssen - oder erst
recht viel besser wissen sollten - , das hat sich Dr. René Gralla vom
44-jährigen Computerwissenschaftler Hans L. Bodlaender aus Utrecht erklären
lassen.
Auf Ihrer Website finden wir so überraschende Dinge wie "3D-Star Trek-Schach",
"Jetan - Das Mars-Schach", ja sogar "Eishockey-Schach". Was haben Puck und
Schläger noch mit Schach zu tun?
Ehrlich gesagt habe ich selber keine Ahnung vom "Eishockey-Schach", schließlich
gibt es rund 1000 Varianten auf meinen Internetseiten ...
... wir haben nachgesehen und können Ihnen ein paar Tipps zu geben:
Eishockey-Schach wird gespielt auf einem üblichen Brett mit zusätzlichen
Markierungen, vor allem für die Tore. Die Zahl der Figuren ist reduziert, den
Puck symbolisiert ein schwarzer Bauer ...
... aha, okay. Nun, es gibt eben einige Varianten, die sich sehr stark an das
bekannte Schach annähern, und andere, die ziemlich weit weg sind vom Schach.
Wie viele Ihrer Varianten beherrschen Sie persönlich?
Ein paar Dutzend.
Bringen Sie die nicht manchmal durcheinander?
Bevor man ein Spiel beginnt, muss man eben noch einmal die Regeln
rekapitulieren.
Der Weltmeister im klassischen Schach, Wladimir Kramnik, hat in einem
Interview sinngemäß gesagt, Schach sei so tiefsinnig, manchmal fürchte er
deswegen, sich darin zu verlieren und niemals die ganze Tiefe des Spiels
ausloten zu können. Wenn das schon für die übliche 64-Felder-Version gilt:
Sollte man dann nicht zuerst deren letzte Rätsel lösen, anstatt verrückte
Abarten aufzuspüren oder womöglich neue auch noch extra auszutüfteln?
Das hängt natürlich davon ab, was für ein Mensch Sie sind. Auf jeden Fall gibt
es Großmeister, die sich regelmäßig mit Schachvarianten beschäftigen. Und einige
von denen beobachten, dass sie dadurch ihr normales Schach verbessern - weil sie
auf dem Brett neuartige Muster entdecken und zu frischen Einsichten gelangen.
Mit Varianten sein Schach verbessern - wie soll das funktionieren?
Orthodoxes Denken wird aufgebrochen. Gleichzeitig lernen Sie, genauer
hinzuschauen, weil Sie nie von vornherein sicher sein können, dass Sie wissen,
wie zum Beispiel der Läufer zieht. Mal flitzt der die langen Diagonalen lang,
mal heißt er Elefant und springt komischerweise schräg ins übernächste Feld.
Über die jeweilige Position denken Sie intensiver nach und verlassen sich nicht
mehr auf bewährte Taktiken. Außerdem haben Schachvarianten einen sehr großen
Vorteil für Menschen wie mich, deren Spielstärke irgendwo zwischen schlecht und
mittelmäßig liegt ...
... was ja im übrigen für die Mehrheit der Schachliebhaber gilt ...
... ja, genau, und da ist es einfach spannend, Gewohntes öfter mal abzuwechseln,
bevor es langweilig wird. Nebenbei ist es auch ziemlich praktisch, keine
Eröffnungsbücher studieren zu müssen, zu Varianten gibt es ja meist keine
spezielle Theorie. Abgesehen davon finde ich das kulturelle Phänomen
interessant: Die Geschichte des Schachspiels ist auch eine Geschichte von
Leuten, die sich neue Varianten ausgedacht haben. Das geht zurück bis in die
Zeit der alten Araber um 600 nach Christus; und auch das Schach, wie wie es
heute kennen, ist erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts entstanden, als Variante
des arabischen Shatranj. Ein anderes Beispiel: Ich mag auch das historische
"Kurierschach" aus dem deutschen Schachdorf Ströbeck - wieder ist das ein Stück
Kulturgeschichte, die überlebt hat.
Kann der Fan die Schachvarianten, die auf Ihren Seiten besprochen werden,
auch kaufen?
Einige ja. Zum Beispiel "Chessapeak": Das ist Schach für vier Personen.
Was sind Ihre persönlichen Lieblingsvarianten?
Nach dem normalen Schach gefällt mir das chinesische Xiangqi. Weniger ernsthaft
spiele ich Räuberschach, bei dem man so schnell wie möglich seine Figuren los
werden muss, und Tandem-Schach. Beim Tandem-Schach treten Zweier-Teams an zwei
Brettern gegeneinander an. Gewinne ich eine Figur, gebe ich die meinem
Mannschaftskameraden am Nachbarbrett, der den eroberten Stein auf seiner Seite
wieder einsetzen darf. Da wird viel gelacht!
Spielt Ihre Frau auch Schach?
Nein. Sie mag keine Spiele.
Was folgt daraus für Ihre Beziehung?
Nun, neben Schach habe ich ja auch noch andere Hobbys, zum Beispiel Skating und
Walking. Und das mache ich zusammen mit meiner Frau, sie zieht den
Bewegungssport vor.
Sie haben sogar "Jetan - Das Mars-Schach" in Ihre Sammlung aufgenommen. Woher
haben Sie das? Die Pathfinder-Sonden haben da oben ja noch kein Schach
entdeckt?!
Aber das liegt auch nur daran, weil die Marsbewohner alle gelandeten
Raumfahrzeuge zerstören, um nicht entdeckt zu werden (lacht). Im Ernst: "Jetan"
geht zurück auf ein Buch des "Tarzan"-Autors Edgar Rice Burroughs; Titel: "Die
Schachfiguren auf dem Mars." Was nebenbei auch ein spannendes Spiel ist: mit
witzigen Figuren wie "Chief" und "Prinzessin" für das Herrscherpaar, dazu
"Flieger", Dwar ("Captain"), Padwar ("Leutnant"), Krieger und Thoat ("berittener
Krieger") und Panthan ("Söldner") - die
während eines Zuges auch noch trickreich die Richtung ändern können ...
... warum kontaktieren Sie da nicht die Nasa? Der erste bemannte Flug zum
Mars wird eine sehr lange Reise; zur Einstimmung auf den Zielplaneten könnten
die Astronauten unterwegs Jetan spielen! Haben Sie schon die Nasa
kontaktiert?
Nein. Aber eigentlich sollte ich das wirklich tun.
Interview: Dr. René Gralla