Master Class Band 12: Viswanathan Anand
Als Viswanathan Anand auf der europäischen Schachbühne erschien, hatte er in Indien schon einige Erfolge erzielt, die indischen Jugendmeisterschaften und als Jugendlicher auch die Landesmeisterschaften der Erwachsenen gewonnen. Mit gerade einmal 14 Jahren wurde Anand 1984 für die Schacholympiade in die indische Nationalmannschaft berufen. 1987 wurde er Juniorenweltmeister, 1988 verlieh die die FIDE dem 19-jährigen den Titel eines Großmeisters.
Die Grenke Leasing AG, seit 2016 Grenke AG, ist einer der größten Sponsoren und Förderer im Deutschen Schach, wahrscheinlich der größte.
Firmengründer Wolfgang Grenke ist passionierter Schachspieler und ist seit vielen Jahren Mitglied im Verein SC Baden-Oos, jetzt OSG Baden-Baden. Er spielte dort selber Mannschaftskämpfe und begann dann, den Verein finanziell zu unterstützen.
Wolfgang Grenke spielt gegen Felix Magath | Foto: OSG Baden-Baden
Mit seiner Hilfe konnten immer mehr Topspieler engagiert werden. Nach der Saison 2001/02 stieg die 1. Mannschaft in die Erste Bundesliga auf. 2005/06 wurde der OSC Baden-Baden, dann OSG Baden-Baden, erstmals deutsche Mannschaftsmeister. In den folgenden Jahren war das Team, mit Weltmeistern und Spitzenspielern gespickt, stets Favorit auf den Titel und holte bis jetzt insgesamt 14 Meistertitel, im Pandemiejahr 2020 in einem Meisterschaftsturnier. Nur einmal, 2015/16, verpasste die OSG den Titel.
Die Liste der Großmeister, die für Baden-Baden spielte, liest sich wie die Weltranglisten der letzten 15 Jahre.
Magnus Carlsen, Viswanathan Anand, Yifan Hou, Fabiano Caruana, Levon Aronian, Maxime Vachier-Lagrave, Peter Svidler, Michael Adams, Alexei Shirov, Richard Rapport, Francisco Vallejo, Sergei Movsesian, Etienne Bacrot, Pentala Harekrishna, Peter Heine Nielsen, Rustam Kasimdzhanov, Radoslaw Wojtaszek, sowie Liviu-Dieter Nisipeanu, Robert Hübner, Arkadij Naiditsch, um nur die besten deutschen Spieler zu nennen, haben alle für Baden-Baden gespielt.
Oder anders: Sie wurden, wenn sie nicht in Deutschland lebten, von der OSG Baden-Baden nach Deutschland geholt, wo die Schachfreunde in Baden-Baden, an den anderen Bundesliga-Spielorten oder bei der zentralen Endrunde, oft in Berlin, die weltbesten Schachspieler aus nächster Nähe erleben durften.
Magnus Carlsen, Fabiano Caruana, Wolfgang Grenke | Fotos: Grenke Classic
Einige Spieler wurden mit der OSG Baden-Baden groß. Magnus Carlsen begann 2005/06 an Brett fünf, Fabiano Caruana 2008/09 an Brett 13.
Neben der Mannschaft in der Bundesliga unterhält die OSG Baden-Baden auch ein Top-Team in der Frauen-Bundesliga, das ebenfalls mehrfach den Meistertitel gewann.
Der zweite schachbegeisterte Mann im Grenke Management war Sven Noppes. Er ist dort noch im Vorstand der Grenke Bank für Marktfolge zuständig.
Sven Noppes agierte als Mannschaftsführer der OSG-Teams und formierte schließlich eine zweite starke Mannschaft im Südwest-Raum, bei den SF Deizisau. 2016/17 stieg Deizisau in die erste Bundesliga auf und wurde dort in der Folgesaison auf Anhieb Fünfter.
Deizisau agiert als eine Art Filiale der OSG Baden-Baden. Einige Spieler wechselten von Baden-Baden nach Deizisau. Viele aktuelle oder auch zukünftige deutsche Spitzengroßmeister kommen hier zum Einsatz, zum Beispiel Matthias Blübaum, Alexander Donchenko, Georg Meier oder auch Vincent Keymer. Das schlagkräftige Team gewann dieses Jahr sogar den Online-Europapokal der Vereine.
Mit Bischwiler in französischen Elsaß gibt es noch einen weiteren Klub in der Region, der von Grenke unterstützt wird. Die Mannschaft kämpft gerade in Chalons-en-Champagne erneut um den Titel.
Christian Bossert, Hanna-Marie Klek und Sven Noppes, die Macher des Schachzentrums | Foto: Schachzentrum
Das Engagement der Grenke AG beschränkt sich jedoch nicht nur auf den Betrieb von starken Mannschaften. So wird in Baden-Baden wird ein wichtiges und aktives Schachzentrum unterstützt.
Sven Noppes und die SF Deizisau organisierten zudem über viele Jahre das Neckar Open, das größte Open in Deutschland. Vor einigen Jahren wurde in Baden-Baden und Karlsruhe die Grenke Classic installiert, ein Großmeister-Turnier im Weltklasse-Format. Das Neckar-Open ging inzwischen als Grenke Open nach Karlsruhe.
Sven Noppes 2017 im Interview:
Auch für viele andere Aktivitäten im Deutschen Schach war die Firma Grenke ansprechbar und unterstützt zum Beispiel auch deutsche Talente.
Vom Engagement im Schach und den vielen internationalen Kontakten, dies sich daraus ergaben, hat aber auch die Grenke AG profitiert und ist als universeller Finanzdienstleister weltweit schnell gewachsen.
Die Firma Grenke Leasing wurde 1978 von Wolfgang Grenke gegründet und firmierte ab 1979 als Grenke Leasing KG. 1997 wurde die mit Leasing- und Finanzierungsgeschäften erfolgreiche Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. 2000 folgte der Börsengang am "Neuen Markt" der Deutschen Börse. 2009 erwarb Grenke die Privatbank Hesse Newman, nun Grenke Bank und erhielt dadurch eine Banklizenz. 2016 wurde die Grenkeleasing AG zur Grenke AG umfirmiert. 2018 endete die Amtslaufzeit von Firmengründer Wolfgang Grenke im Vorstand und Antje Leminsky folgte ihm als Vorstandsvorsitzende nach. Wolfgang Grenke wurde von der Hauptversammlung der Aktionäre in den Aufsichtsrat der Firma gewählt. 2019 stieg die Grenke AG vom SDAX (70 kleinere Unternehmen, "Small Caps") in den MDAX (die 60 wichtigsten Unternehmen nach den im DAX gelisteten 30 größten Unternehmen) der Deutschen Börse auf. Die Grenke AG hat 1675 Mitarbeiter und erwirtschaftete 2019 einen Umsatz von ca. 3,5 Mrd. Euro.
Die Grenke AG ist Teil der Grenke Group, die mit 30 Standorten in Deutschland und fast 90 Standorten international vertreten ist.
2019 erschütterte der Skandal um die Firma Wirecard die Finanzwelt. Wirecard war ein deutscher Finanzdienstleister mit Lösungen für den digitalen Zahlungsverkehr. Über die Tochtergesellschaft Wirecard Bank AG verfügt Wirecard auch über eine deutsche Banklizenz. Im Juni 2020 meldete Wirecard Insolvenz an, nachdem festgestellt wurde, dass 1,9 Mrd. Euro in der Firma "verschwunden" waren. Schon 2008 waren die ersten Vermutungen einer "systematischen Ausplünderung der Erlöse aus den Kapitalerhöhungen" gegen Wirecard laut geworden. Nachdem das ganze Ausmaß des Skandals und des Schadens ersichtlich wurde, geriet auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unter Beschuss, da sie offenbar ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen ist.
Die BaFin wurde nun gegenüber dem Geschäftsbetrieb diverser Finanzdienstleister deutlich sensibler. Im März 2021 verhängte die BaFin ein Moratorium über die Bremer Greensill Bank, Teil der anglo-australischen Greensill-Gruppe. Damit wurde der Greensill Bank der weitere Geschäftsbetrieb untersagt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Bilanzmanipulation.
Mitte 2020 erhob der englische "Shortseller" (Hedgefonds oder Investoren, die mit Leerverkäufen handeln) Fraser Perring (Viceroy Research) gegen die Grenke AG den Vorwurf der Bilanzaufblähung und Bilanzfälschung. Die Grenke AG wies die Vorwürfe zurück, der Aktienkurs sank trotzdem deutlich. Man vermutete eine gezielte Attacke von Viceroy Research. Die inzwischen sehr hellhörig gewordene BaFin wurde aktiv und begann die Geschäfte der Grenke AG zu untersuchen. Die Untersuchung dauert noch an.
Diese Woche wurde nun personelle Veränderungen in der Grenke Führung bekannt. Drei Aufsichtsräte scheiden aus dem Kontrollgremium aus, neben Claudia Krcmar und Florian Schulte auch Firmengründer Wolfgang Grenke. Möglicherweise wird sein Sohn sein Nachfolger.
Sven Noppes' Vertrag als Vorstand Marktfolge der Grenke Bank, noch bis Dezember 2021 gültig, wird nicht verlängert. Auch Antje Leminsky, Chefin der Grenke AG, verlässt die Firma aus persönlichen Gründen.
Das deutsche Schach hat in den letzten 15 Jahren in erheblicher Weise von der Grenke AG und dem Engagement von Wolfgang Grenke und Sven Noppes profitiert. Baden-Baden, dessen Schachgeschichte bis auf das große internationale Schachturnier 1870 zurückreicht, ist mit seinen vielen Schachaktivitäten zur Schachhauptstadt von Deutschland geworden. Weltmeister und Top-Großmeister gaben sich hier die Klinke in die Hand und die OSG Baden-Baden nimmt die Rolle ein, die Bayern München im Fußball inne hat. Die Grenke Classic und das Grenke Open haben Leuchtturm-Funktion und strahlen weit über die deutschen Grenzen in die Schachwelt hinaus. Nichts währt ewig. Aber die deutschen Schachfreunde können nur hoffen, dass es in Baden-Baden, Deizisau und Karlsruhe trotz der personellen Veränderungen noch lange weitergeht