Vincent macht's

von Thorsten Cmiel
24.10.2019 – Vincent Keymer ist der jüngste deutsche Großmeister der Schachgeschichte - mit 14 Jahren. Beim Grand Swiss auf der Isle of Man holte er sich die GM-Norm, die er vorher bei verschiedenen Turnieren denkbar knapp verfehlt hatte. Thorsten Cmiel hat seinen Weg durchs Turnier begleitet. | Foto: John Saunders

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Vincent macht's

Mancher dachte vielleicht, Vincent Keymer (Jahrgang 2004) hätte den GM-Titel sogar noch früher schaffen können... Nun ist er aber auch so der jüngste deutsche Spieler, der das jemals geschafft hat - mit gerade einmal 14 Jahren. Vincent erreichte jetzt, im Oktober 2019, den Großmeistertitel im FIDE chess.com Grand Swiss. Wobei ihm die garantierte sehr starke Gegnerschaft dort entgegenkam. 

Geschafft! Nach acht Runden benötigte Vincent noch ein Remis gegen den erfahrenen russischen Großmeister Vadim Zvjaginsev, der bis dahin sieben Remis produzierte und in Runde 8 eine empfindliche Niederlage gegen den zurzeit noch jüngsten indischen Großmeister, Gukesh (2006) einstecken musste. Neben Vincent war es dem ein Jahr jüngeren Ranauk Sadwahni (2005) bereits nach sieben Runden gelungen, die erhoffte Norm sicher einzufahren. Großmeister Nummer 65 in Indien, das derzeit mit etwa einem Großmeister alle zwei Monate das weltweit größte Tempo vorlegt. Mit Luis Engel und Vincent konnte der Deutsche Schachbund zumindest für den Moment einmal mithalten.

Folgen wir der deutschen Hoffnung bei seinem letzten Schritt zum Großmeistertitel. Das Turnier begann mit einem soliden Remis gegen den ukrainischen Großmeister Kryvoruchko. Vincent verwaltete einen eher symbolischen Vorteil. Ein solider Start zu Beginn.

 

Es folgte eine Partie gegen Ivan Saric, der sich Vincents Najdorf-Sizilianer aussuchte. Vincent kam unter erheblichen Druck und musste die Dame für zwei Türme geben, bei weiterhin gefährdetem König. Diese Materialverteilung spielte auch in der Folge des Turniers noch eine Rolle und ist bei Vincent gar nicht so selten wie man annehmen sollte. Es folgte ein aufreibender Kampf und Vincent gelang durch viel Geschick und unter etwas Mithilfe seines Gegners ein Unentschieden. Saric spielte übrigens ein Turnier der besonderen Art: in den ersten fünf Runden war keiner seiner Gegner älter als 16. Er remisierte gegen den Spanier Lance Henderson De La Fuente, gegen Vincent und Ranauk Sadwhani, gewann gegen Gukesh und verlor gegen den Usbeken Abdusattorov.

 

In der dritten Runde folgte eine Weißpartie. Vincents Gegner versuchte verzweifelt kreativ zu spielen und landete in einer schlechten Wolga-Struktur. Vincent zeigte seine Qualitäten als Angreifer und gewann überzeugend. Diesmal hatte Vincent zwei Türme und einen Läufer für die Dame bei anhaltendem Angriff. Vincent war mehr als auf Kurs in Richtung Großmeistertitel.

 

In Runde vier folgte mit Pavel Eljanov ein erneutes Großkaliber. Auch in dieser Partie ging sein Gegner Risiken ein, konnte aber gegen den bestens vorbereiteten Youngster nicht überzeugen.

 

Runde 5 war eine unnötige Runde mit Weiß, da Vincent gegen seinen Coach Peter Leko antrat. Peter hatte in der Runde zuvor mit einem überzeugenden Sieg gegen Nihal Sarin zu Vincent aufgeschlossen.

 

In Runde 6 stand erneut der Najdorf-Sizilianer auf der Agenda gegen den vietnamesischen Großmeister Quang Liem Le. Lange Zeit sah es so aus als würde Vincent sogar in Vorteil kommen können. Er hielt dem Druck allerdings nicht stand und geriet in ein ziemlich undankbares Damenendspiel mit Bauern weniger. Vielleicht hatte er sogar noch ein kleine Remischance, aber letztlich verlor Vincent.

 

Nach dem Ruhetag erzielte Vincent ein Remis gegen den Russen Alexander Motylev. Erneut erwies sich Vincents Vorbereitung als hervorragend und er hatte lange Zeit mehr vom Spiel. Am Ende reichte der Mehrbauer in einem Turmendspiel mit vier gegen drei Bauern nicht zum Sieg.

 

In Runde 8 spielte Vincent gegen den argentinischen Großmeister Sandro Mareco. Erneut wurde der Najdorf-Sizilianer aufgerufen. Bei ungleichseitigen Rochaden marschierten beide Spieler am jeweiligen Königsflügel auf. Es sah zunächst besser aus für Vincent, der nicht so zögerlich wie noch gegen Esipenko im Tatasteel-B-Turnier auftrat. Nach einem etwas langsamen Zug von Vincent in scharfer Stellung allerdings drehte der Argentinier mächtig auf. Erneut bekam Vincent zwei Türme für die eigene Dame, aber wie gegen Saric stand sein König gefährdet. Der Argentinier setzte mit starkem Spiel nach und gewann eine letztlich überzeugende Partie. Vincent hatte bis hierhin bereits eine Performance-GM-Norm erzielt.

 

Es folgte eine erneute Schwarzpartie in Runde 9 gegen einen erfahrenen russischen Großmeister und Vincent hielt in einer spannungsgeladenen Partie stand und sicherte sich den Titel.

 

In der zehnten Runde spielt der Junggroßmeister gegen den amtierenden deutschen Meister, Niclas Huschenbeth, der in diesem Turnier schon einige Möglichkeiten ausgelassen hatte. Nachdem zunächst der ältere Spieler die Partie dominierte, hatte Vincent pünktlich nach der Zeitkontrolle ein Stellung im Damenendspiel nahe am Gewinn. Im 41. Zug spielte Vincent aber zu brav und die Partie versandete im Remis.

 

In der letzten Runde musste sich Vincent seinem polnischen Gegner in einem Paulsen-Sizilianer recht klar geschlagen geben. Sein Ergebnis von 4,5 Punkten aus elf Partien entsprach einer Leistung von 2593 und brachte Vincent einen Zuwachs von 12 Punkten.

 

Die Freude über den Erfolg konnte man im Interview bei Fiona Steil-Antoni spüren:

 

 


Thorsten Cmiel ist Fide-Meister lebt in Köln und Milano und arbeitet als freier Finanzjournalist.

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