Pressemitteilung (von Conrad Schormann)
„Die beste Runde bislang“ und die Frage, wer Vladimir Baklan stoppt
Vladimir Baklan hat seine Führung im Niedersachsen Masters ausgebaut. Nach einem Sieg über Robert Ris steht der ukrainische Großmeister mit 5 Punkten aus 6 Partien einen Zähler vor der Konkurrenz. Verfolger Peter Prohaszka begnügte sich am zweiten Brett mit einem schnellen Schwarzremis gegen Zahar Efimenko. Zweiter Verfolger ist jetzt Georg Meier, der Sebastian Poltorak besiegte. Prohaszka und Meier stehen jeweils bei 4 Punkten. In der siebten Runde hat Meier im direkten Duell gegen Baklan die Chance, den Tabellenführer einzuholen.
Die Ergebnisse der 6. Runde.
Meier wird, wie immer, “so gut spielen, wie ich kann”, und dann sehen, wofür das reicht. Beobachter in Wolfsburg erleben den ehemaligen Europameister gelassen, auch wenn er aus seinen Partien nicht immer das Maximum herausholt. Vor ein paar Jahren, als Profi, hätte Meier in den zwei Remispartien gegen Youngster nicht jeweils einen halben Punkt liegengelassen. “Aber jetzt bin ich halt Amateur”, sagt der 2600-Großmeister lächelnd.
Ein Amateur, der seinen Sport liebt wie eh und je. Meier hätte es gar nicht schlimm gefunden, auch am Dienstag noch eine Doppelrunde zu spielen. Nach seinem 130-Züger vom Vorabend fühlte er sich im Turnierrhythmus angekommen, ein Rhythmus, den, wie Schiedsrichter Matthias Dämmig augenzwinkernd feststellte, “subversive Elemente” in Team und Teilnehmern durcheinanderbringen wollten. Das Ansinnen dieser Elemente (darunter der Schreiber dieser Zeilen): den Beginn der morgendlichen Dienstagsrunde kurzfristig um eine Stunde nach hinten verschieben. Es hatte keine Chance auf Erfolg.
Wer erwartete, dass die Mehrzahl der zwölf Partien am Tag ohne Doppelrunde schnell endet, sah das Gegenteil. Außer bei Efimenko-Prohaszka und Schulze-Abel wurde hart gekämpft, neun der zwölf Partien hatten einen Sieger. “Die beste Runde bislang” sahen NSV-Leistungssportreferent Torben Knüdel und Streamer David “Schachpanda” Riemay, der in seinem Schachstudio zahlreiche elostarke Besucher empfing, die dem Publikum ihre Partien und die der Konkurrenz erläuterten. “Heute haben die Schachmeister fast Schlange gestanden”, freute sich Riemay.
Unter denen, die an den Brettern kämpften, befand sich einer, dessen Anwesenheit nicht unbedingt zu erwarten gewesen war. Elshan Moradiabadi, ohnehin vom Jetlag geplagt, hatte sich am Vortag eine arge Erkältung eingefangen. Aber die Zufuhr von Schlaf und spontan besorgten Medikamenten versetzten den US-Großmeister über Nacht in einen spielfähigen Zustand. Mit Mütze und Mantel extrawarm gekleidet, widerstand Moradiabadi allen Versuchen Yuryi Kuzubovs, seinem angeschlagenen Gegner einen Punkt abzuluchsen. Am Ende musste Kuzubov ein Dauerschach forcieren.
Hinten: Elshan Moradiabadi, warm verpackt. | Foto: Conrad Schormann
Die Partien befanden sich noch im Übergang von der Eröffnung zum Mittelspiel, da formierte Riemay schon das “Team Zeitnot”. Dessen Mitglieder Rainer Polzin, Christian Polster und Giorgi Giorgadze hatten früh derart ausgiebig grübeln müssen, dass ihnen für 20 und mehr Züge bis zur Zeitkontrolle 5 Minuten auf der Uhr blieben. Im Nachhinein lässt sich daran ein Grund festmachen, warum die Mitglieder des Teams in der sechsten Runde geschlossen leer ausgingen.
Schwarz kann hier 22…Lf8 ziehen, verliert kein Material, aber wird dann nur stehen können und hoffen, dass es hält. Daniel Kopylov versuchte stattdessen 22…Lxe4, was zwar aktiv aussieht, aber den Punkt g7 aufgibt und in letzter Konsequenz die Partie verlor.
Knüdel sowie seine Kaderkollegen Felix Hampel und Jan Pubantz, außerdem der polnische FM Sebastian Poltorak liebäugeln nach zwei Dritteln des Wettbewerbs mit einer IM-Norm. Knüdel ist nach Eloperformance auf Kurs, die anderen drei fast. Nun kommt es darauf an, die bisherige Leistung in den verbleibenden drei Runden zu bestätigen bzw. noch etwas auszubauen. Außerdem wird Losglück ein Faktor sein. Um eine Norm zu erzielen, bedarf es einer ausreichenden Zahl von Gegnern aus anderen Föderationen, unter denen zudem eine ausreichende Zahl von Titelträgern sein muss.
Auch hier: Weiß kann stehen und hoffen, dass es hält. Mykola Korchinskyi opferte stattdessen einen Bauern. Nach 21.Df4 Dxa2 22.Dg4+Kf8 23.h5 wäre es in der Tat riskant, auf b3 noch einen Bauern zu schlagen. Petkidis zog stattdessen kräftig 23…De2!, und von weißem Spiel war nicht mehr viel zu sehen.
Der elobeste NSV-Kaderspieler IM Anthony Petkidis denkt nach seinem Rumpelstart nicht mehr an eine GM-Norm, freut sich aber, dass er zur zweiten Hälfte des Turniers in Fahrt gekommen ist. Gegen Mykola Korchynskyi gelang ihm der zweite Sieg in Folge. Noch besser in Fahrt ist Sarah Papp, der gegen Rainer Polzin der dritte Sieg in Folge gelang. Wie sie den Drachen des Großmeisters zielstrebig bändigte und schließlich erlegte, davon könnten sich die Sagenhelden Siegfried oder Beowulf etwas abschauen.
Rechts der Drache, links die Bändigerin. | Foto: Conrad Schormann
Äußerst unglücklich lief die sechste Runde für Inna Agrest, die drauf und dran war, Hussain Besous Rochadestellung im Sturm zu erobern. Der Deutsche Meister U14 rettete sich in ein taktisches Handgemenge, das zu einem etwa ausgeglichenen Endspiel führte. Dieses Endspiel entglitt der in Deutschland lebenden Schwedin nach und nach, sodass sie am Ende statt mit einem ganzen Punkt mit einer Null dastand.
Hussain Besou überlebte erst einen Angriff, der tödlich hätte sein sollen, und gewann dann ein ausgeglichenes Endspiel. | Foto: Conrad Schormann
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