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Nach dem Turnier Rovinj/Zagreb waren wir zu Gast auf einem Segelschiff. Die fantastische blaue Farbe der Adria, leckere Grill-Spezialitäten, Cocktails im Übermaß und Musik ließen uns die Partien des Turniers vergessen. Hostessen umschwirrten den großen Star. Sein Körper erinnerte an Johnny Weissmüller, den berühmten Tarzan-Darsteller. Nur die Lianen des Dschungels fehlten auf dem Schiff. Bobby indes blieb seiner Lebensart treu, kein Alkohol, nur literweise kalte Milch. Ab und an sprang er ins Wasser, um sich abzukühlen. Bei all dem aber ließ er sein Pocket-Chess nur wenige Minuten aus den Augen. Waren die Jahre in Jugoslawien von 1968 bis 1970 die glücklichsten seines Lebens?
Viktor Lwowitsch Kortschnoi war sicher kein Freund des extravaganten Amerikaners, dennoch ist seine professionelle Anerkennung erwähnenswert: "Die Schachspieler der ganzen Welt sind ihm zu Dank verpflichtet, dass Schach diese Popularität erreicht hat, dass die Preise in Turnieren erhöht wurden, und dass es in Dutzenden Ländern möglich geworden ist, sich als Schachprofi zu betätigen." Soviel von Kortschnoi, dessen schachliches Können selbst von Fischer höher eingeschätzt wurde, als das von Spassky. Fischer sah in Kortschnoi den weitaus gefährlicheren Gegner. Seit Fischers Interventionen wurden die Preise und Honorare wesentlich erhöht. Alle Schachprofis sollten ihm dankbar sein und mindestens einmal pro Jahr in der Kirche eine Kerze aufstellen.
Ab wann kehrte Bobby der normalen Welt den Rücken zu?
Ich sah ihn noch in Amsterdam 1972, sofort nach seinem grandiosen Sieg gegen Spassky. Dort spielte ich das IBM-Turnier. Fischer weilte zur gleichen Zeit in Amsterdam, allerdings inkognito. Er lud mich ein, ihn im Hilton zu besuchen, denn er war neugierig, warum ich in Reykjavik nicht dabei gewesen war. Ich habe ihm wahrheitsgemäß geantwortet: "I am sorry, Robert, I would, but I could not. No passport!"
Zeichnung: Otakar Masek
Dann erzählte ich ihm, dass ihm die ganze CSSR die Daumen gedrückt hatte. So fest wie beim Eishockeyspiel UdSSR – CSSR. Und erklärte ihm, dass jeder Sieg gegen die UdSSR nach dem "brüderlichen" Panzerüberfall der Warschauer Paktstaaten ein willkommener Balsam für unsere verletzten Seelen war. Bedauerlicherweise hatte Jan Pallach, "Fackel Nummer eins", Fischers Sieg über Spassky nicht mehr mitfeiern können. Bis heute bin ich mir nicht sicher, ob der neue Champion Bobby Fischer den tschechischen Standpunkt überhaupt begreifen konnte.
Während dieses Geheimtreffens zeigte er mir jedenfalls einige Partien aus seinem Wettkampf in Reykjavik, und es freute ihn sehr, dass ich diese bereits auswendig kannte. Die längste Zeit verbrachten wir bei der Partie Nummer 13.
Einige Monate später, in San Antonio 1972, war Robert Fischer noch in glänzender Form und wirkte auf mich vollkommen normal und gesund. Im gleichen Jahr schwamm Mark Spitz bei den Olympischen Spielen in München zu sieben Goldmedaillen. Vom amerikanischen Fernsehen wurden beide Helden in eine gemeinsame Sendung eingeladen und interviewt. Ganz Amerika geriet danach in einen Schachrausch. Mark Spitz "verpfändete" anschließend eine Medaille nach der anderen an die Werbung. Nicht so Robert Fischer. Er hätte beachtliche Werbeverträge abschließen können – Milk, Shaving cream, Las Vegas Hotels etc. Er machte nicht mit. "Bitte bezahlen Sie mich für meine Schachkunst, meine Schachideen und meine Schachzüge!"
Der Schachversandhändler Kurt Rattmann freute sich riesig über den einsetzenden Schachboom in den USA. "Stellen Sie sich vor, Herr Hort, in einem Jahr habe ich über 50.000 Schachuhren nach USA geliefert!"
Good news! Der neue Champion wird als Überraschungsgast und Kiebitz in San Antonio erscheinen. An der Hotelrezeption fand ich zwei Benachrichtigungen an mich adressiert. Eine Einladung zu einer religiösen Veranstaltung ins Kongresszentrum und eine zum Abendessen, beide von Robert Fischer.
Worldwide Church of God. Der Erlöser selbst, Herbert Armstrong, hielt in einer bis auf den letzten Platz besetzten Halle seinen Vortrag. Auf die Fragen aus dem Publikum folgten sofort die optimistischen Antworten des Predigers. Armstrong versuchte dem einfachen amerikanischen Volk die Angst vor dem Tod zu nehmen. Was versprach sich mein Nachbar Robert Fischer von seiner Mitgliedschaft? Die Augen zu, die Hände auf der Armstrong-Bibel. Meditiert er, oder ist er eingeschlafen? Ich als Atheist verstand kein Wort der Diskussion. Wenn statt des Predigers auf dem Podium der Jazztrompeter Louis Armstrong gestanden hätte, hätte ich mich wohler gefühlt. Am Ende der Veranstaltung kamen wie üblich Männer mit der Kollekte. Mein Nachbar honorierte die Eloquenz des obersten Chefs mit einer dicken Banknote, ich ließ in den Kasten einen "Quarter" fallen. Mehr war mir der Vortrag nicht wert.
Am Abend sitzen fünf Personen, Fischer, seine Schwester mit Ehemann, Gligoric und ich in einem mexikanischen Restaurant. Ein unvergesslicher Abend! Fischer war in der besten Stimmung.
Zeichnung: Otakar Masek
Bad News! Mister Fischer ist nach Pasadena abgereist, hieß es am nächsten Morgen im Hotel.
UDSSR gegen den Rest der Welt – der Wettkampf des Jahrhunderts in Belgrad 1970.
Vor den Teilnehmern lag ein freier Tag. Der Telefonapparat in meinem Zimmer klingelte. "Hier spricht Miguel Najdorf, ich möchte Sie zu einem Schachabend einladen, junger Mann. Bobby hat bereits zugesagt. Wir können etwas analysieren und ein bisschen blitzen. Morgen ist doch ein freier Tag, nicht wahr?" Ich bedankte mich und versicherte ihm, dass ich pünktlich um 22.00 Uhr an seine Suite-Tür klopfen würde. Die Einladung überraschte mich und machte mich glücklich.
Wie auch bei den Turnierpartien mussten wir auf Bobby genau sieben Minuten warten. Das Schachbrett mit Figuren stand schon bereit. Don Miguel hatte mir bei der Begrüßung gleich den Schlüssel vom Barschrank in die Hand gedrückt. Ich überließ unserem Team-Shooting-Star gerne meinen Platz am Brett, weil ich mit der Rolle des Kiebitz zufrieden gewesen wäre.
Najdorf, Fischer
Najdorf führte die Regie. Stolz auf seinen Sieg gegen Tal am Vortag wartete er auf Lob und Anerkennung. Als aufmerksamer Gastgeber orderte er für uns aus der Hotelküche die Verpflegung. Für Fischer zwei Liter frische Milch, dazu zwei Steaks "medium rare". Ich aß an diesem speziellen Abend ein Steak-Tartare auf Toast und hatte mir vorgenommen, den Scotch on the Rocks sehr vorsichtig zu genießen.
Bobby kannte die Partie Najdorf-Tal auswendig und zeigte, wo sich Tal hätte viel besser verteidigen können. Seiner Meinung nach hätte auch Najdorf viel besser spielen können. Während der Analyse wurde mir klar, dass ich im Vergleich zu Bobby im Schach nichts wusste und Don Miguel sehr wenig.
Eine Weile war unser Grand-Maitre mit den 200-Gramm-Steaks beschäftigt, so konnten wir, das Fußvolk, schon mal mit dem Blitzen beginnen. Mein erster Zug war 1.e2-e4. Najdorf verteidigte sich mit seiner eigenen Waffe (der Najdorf-Variante) und ich verlor später durch Zeitüberschreitung. Wir spielten nur um die Ehre. Bei Unentschieden blieb der Spieler mit den schwarzen Figuren sitzen, bei Sieg der Sieger. Ich erinnere mich, dass wir, Miguel und ich, uns ununterbrochen abwechselten und gegen Fischer keinen Stich machen konnten. Nach gut drei Stunden konnte ich dem Amerikaner eine Figur abklopfen. Im Nachhinein glaube ich, er ließ mich gewinnen, weil er schnellsten zu dem Örtchen musste, wo selbst der Kaiser ohne Lakaien hingeht.
Zeichnung: Otakar Masek
Das Sitz-Karussell drehte sich wie gehabt weiter. Hort verlor gegen Najdorf, der wieder gegen Fischer, dann wechselten wir zwei - Najdorf, Hort, Najdorf, Hort, Najdorf, Hort - gegen Fischer. Der zukünftige World Champion war einfach schneller und besser. Seit diesem denkwürdigen Abend nannte mich Fischer bei meinem Vornamen "Vlasty". Irgendwann gähnte Fischer, schaute dabei auf seine Armbanduhr und ich gewann die zweite Partie. Als erster aber verließ ich den "Tatort" und sah, dass die Sonne bereits ihre ersten Strahlen auf die Erde schickte.
Einige Tage nach dem Wettkampf "UdSSR gegen den Rest der Welt", der mit 20,5 zu 19,5 für die UdSSR endete, saßen Fischer und ich in einem jugoslawischen Flugzeug Richtung Dubrovnik. Mieses Wetter begleitete uns. Wie hatte der serbische Journalist Dimitri Bjelica es nur geschafft, den berühmten Amerikaner an den Start zu bringen, fragte ich mich während des Fluges. Robert Fischer saß neben mir am Fenster und klammerte sich krampfhaft an die Sitzlehne. Er schwitzte stark und ich sah in seinen Augen Flugangst.
Nach der Schach-Nacht zu dritt im Metropol war mir klar, wer das Blitz-Turnier in Herceg Novi gewinnen würde. Wieviel Zeit war wohl, seitdem ein kleiner Junge mit kurzen Hosen im zentralen Schachklub von Moskau gegen die führenden russischen Meister eine Unmenge von Blitzpartien spielte, vergangen? Damals kannte Bobby die Namen der Schachfiguren in Russisch.
Kurz vor der Landung zog mein nervöser Nachbar sein Pocket-Schach aus der Tasche. Mit einem Auge sah ich, dass er immer noch dabei war, die 4. Partie Petrosian-Fischer aus Belgrad zu analysieren. Es gefiel ihm offensichtlich nicht, dass Weiß im Grünfeld-Inder ein total ausgeglichenes Endspiel hätte haben können.
Der Schriftsteller und Journalist Dimitri Bjelica hat in dieser Zeit für das Schach sehr viel getan. Er klopfte an jede Tür und falls er eine Absage bekam, stand er am nächsten Tag vor dem Fenster. Wann verriet er seinem Schützling die Adresse des Top-Schneiders in Sarajewo, der schon für Aljechin Anzüge aus feinsten Stoffen geschneidert hatte? Im Schach existiert das Schustermatt, für Bobby schnappte die Schneider-Falle zu.
So läuft wahrscheinlich der Hase, dachte ich. Wahr oder nicht wahr? In all seinen maßgeschneiderten Anzügen machte er jedenfalls eine hervorragende Figur im Turniersaal – ein handsome Guy.
1) Fischer 19-3
2) Tal 14.5-7.5
3) Kortschnoi 14-8
4) Petrosian 13.5-8.5
5) Bronstein 13-9
6) Hort 12-10
7) Matulovic 10.5-11.5
8) Smyslov 9.5-12.5
9) Reshevsky 8.5-13.5
10) Uhlmann 8.0-14.0
11) Ivkov 7.5-14.5
12) Ostojic 2.0-20.0
Ich behielt Recht. Robert Fischer verbrauchte im Schnitt nicht mehr als 2 Minuten für eine Partie. Nur Viktor, der Schreckliche, konnte unsere Ehre einigermaßen retten. Eines aber hatte ich in diesem Turnier begriffen, das nächste Honorar in Sarajewo würde ich mir in Naturalien auszahlen lassen.
Schacholympiade in Siegen 1970. Obwohl Fischers Resultate dort (besonders schmerzhafte Niederlage gegen Spassky) mäßig waren, hatte ich vor seiner Kunst immer Respekt. Der Kampf USA – CSSR. Es war eine Ehre für mich, gegen ihn zu spielen.
Wie immer schenkte er seinem Gegner 7 Minuten, auch mir. Er vermied so den Kontakt mit der Presse und den Fotografen. Würde er heute bei der Null-Toleranz-Regel überhaupt antreten dürfen?
Caro-Kann-Eröffnung. Sobald er hinter dem Schachbrett saß war sein Benehmen perfekt. Ein Gentlemen-Typ like Keres. Schön und leserlich notierte er die Züge. Soweit ich weiß, hat er auch während der gegnerischen Zeitnot sein Schreibtempo nie beschleunigt. Niemals hätte er jemand über den Tisch gezogen. Das deutsche Sprichwort "Eile mit Weile" würde zu seinen Manieren sehr gut passen.
Ich verlor einen Bauern, aber bei seinem Abgabezug stellte ich zu meiner Überraschung fest, dass ich eine sehr solide Kompensation hatte.
Schnelles Abendessen und dann bestätigte sich bei der Analyse tatsächlich meine Vermutung. Vorausgesetzt, beide Seiten fänden eine Serie von besten Zügen, müsste die Partie sicher im Remis-Hafen enden. Ich hatte mehr Glück als Verstand.
Spät am Abend wagte ich mich in die Höhle des Löwen und machte dem Kapitän der US-Mannschaft, Ted Edmonton, ein Remis-Angebot. Fischer und ich hätten uns dadurch den Weg in den Turniersaal sparen, ruhig frühstücken und am Nachmittag zur nächsten Runde erscheinen können. "I am sorry, Vlastimil, Bobby wants to play", bekam ich jedoch zur Antwort.
Erneute, späte Analyse bis tief in die Nacht. Ich fand weder für Weiß noch für Schwarz eine Verbesserung. Alle Versuche endeten immer in einer Remis-Sackgasse. Am nächsten Morgen eilte ich in den Turniersaal. Mein Idol schenkte mir wieder sieben Minuten. Was geschah dann? Meine nächtliche Analyse wurde exakt bestätigt. Zug um Zug. "I offer you draw!" What a nice suggestion!
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