Karsten Müller: Schachendspiele 12 - Turm gegen Springer
Rezension von Lukas Wedrychowski
GM Karsten Müller ist ein renommierter Endspielexperte. Er ist langjähriger Mitarbeiter des ChessBase-Magazins auf der er die Endspielrubrik leitet. Mit zahlreichen Publikationen zum Thema Endspiel kann man ihn als Koryphäe des modernen Schachs, was Endspiele betrifft, ansehen.
Auf seiner Endspiel-DVD zum Thema „Turm gegen Springer“ geht es um thematische Fragen und Ideen der Endspiele mit unterschiedlicher Materialverteilung. Der Turm ist in der Regel der Leichtfigur überlegen und häufig in der Lage diese zu dominieren. Das stellt eine der Hauptideen der gesamten DVD dar.
Die DVD ist in folgende acht Kapitel unterteilt in den unter anderem folgende Ideen (fett hinterlegt) untersucht werden.
Kapitel 1: Turm gegen Springer
Obwohl der Turm dem Springer in der Regel kräftemäßig überlegen ist gibt es dennoch Verteidigungschancen für die schwächere Partei. Diese zeigt sich unter anderem darin,
dass das bauernlose Endspiel remis ist, wenn der Springer beim König ist. Das Gespann König und Springer schaffen es in aller Regel innerhalb der fünfzig Züge Regel die Stellung zu halten. Das allerwichtigste ist die Kooperation beider Kräfte, da ein Springer auf Abwegen sehr leicht zur Zielscheibe des Turmes wird. Daraus lässt sich schließen,
dass der Turm gewinnt, wenn der Springer dauerhaft vom König getrennt werden kann. Die
Abwicklung ins Bauernendspiel als Waffe des Angreifers zeigt ihre Wirkung ganz besonders dann, wenn ein Bauer gewonnen werden kann. Somit ist der Turm nicht nur kräftemäßig dem Springer überlegen, sondern besitzt auch noch die zusätzliche gefährliche Option sich zu opfern um der eignen Partei mit entscheidendem Materialvorteil den Sieg zu sichern. Allerdings ist ein Bauerngewinn mit der Rückgabe der Qualität nicht zwingend von Nöten. Wenn sich dadurch ein technisch gewonnenes Bauernendspiel ergibt ist diese Idee ebenso tödlich für die Springerpartei. Der Springer jedoch besitzt einen besonders hohen praktischen Wert. Mit der Möglichkeit zu Gabeln erfordert er vom Gegner permanente Aufmerksamkeit, da solche
Springertricks ganz schnell den Vorteil kosten könnten. Die stärkere Seite hat indessen eine Möglichkeit sich den gefährlichen taktischen Tricks des Springers zu entziehen, in dem er die geometrische Eigenschaft des Springers ausnutzt und in den sogenannten
„Springerschachschatten“ zieht.
Kapitel 2: Zwei Türme gegen Turm und Springer
Mit dem Vorhandensein von zwei Türmen existiert zusätzliche Feuerkraft auf dem Brett. Dadurch entsteht nicht selten ein
Mattüberfall der stärkeren Seite. Aber auch der simple Angriff auf einzelne Felder (bzw. Bauern) bekommt mit einem zusätzlichen Turm an Gewicht. Um ihre Aktivität voll zur Geltung zu bringen ist eine
Öffnung von Zugstraßen für die Türme häufig von großer Wichtigkeit. Die schwächere Seite hat die üblichen
Springertricks, um sich der geballten Kraft von zwei Türmen zu entziehen. Die Springergabeln sind allgegenwärtig und stellen eines der Hauptmittel der schwächeren Partei dar. Dadurch ergeben sich wahrscheinlich auch Übergänge in einfache „Turm gegen Springer“ Endspiele wie sie im ersten Kapitel behandelt werden. Hinzu kommen Themen wie
„die Freibauern“ und „die Bauernwalze“ die mit Unterstützung der jeweiligen Figuren an Kraft gewinnen.
Kapitel 3: Turm und Läufer gegen Läufer und Springer mit ungleichfarbigen Läufern
Obwohl es sich weitgehendsten um das Thema „Turm gegen Springer“ dreht werden dennoch Beispiele besprochen in denen Läufer vorkommen. Im Vordergrund steht die Wirkung des Figurenpaares Turm und Springer und welche Wirkung ungleichfarbige und gleichfarbige Läufer so mit sich bringen. Bei ungleichfarbigen Läufern ist eines offensichtlich. Die eine Leichtfigur kann ein Feld belagern, welches die andere nicht verteidigen kann. Dies führt häufig zu wichtigen Motiven für die angreifende Partei. Hierbei werden Beispiele der aktuellen Elite herangezogen und aufgezeigt, wie sich diese Ideen studienhaft realisieren lassen.
Kapitel 4: Turm und Läufer gegen Läufer und Springer mit gleichfarbigen Läufern
Hierbei sei lediglich zu erwähnen, dass die Möglichkeit der Felderblockade und der Errichtung besonders resistenter Festungen gibt, die unser Autor GM Müller eindrucksvoll präsentiert. Aber nicht nur das Errichten von Festungen ist ein wichtiges Motiv sondern auch das
Brechen von Blockaden, die mitunter ein wichtiger Bestandteil der Festungskonstruktionen sind.
Kapitel 5: Turm und Läufer gegen das Springerpaar
Dieses Kapitel ist mit lediglich drei Videoclips nur sehr klein, enthält jedoch alles, was für die Praxis relevant ist. Die Gefahr der Springergabel fordert vom Gegner ein scharfes taktisches Auge. Hier kommt ein wichtiges Motiv des
Sternschachs auf, welches als Verteidigungswaffe häufig der letzte Trick im Ärmel darstellt.
Kapitel 6: Turm und Springer gegen das Springerpaar
Das oben genannte trifft nahezu genauso auf dieses Endspiel zu, mit dem kleinen Unterschied dass der Angreifer seinerseits die taktische Eigenschaft des Springers nutzen kann um unter günstigen Umständen ein Figurenpaar zu tauschen (was wiederum die Effizienz einer Festung reduzieren kann). Zusätzlich wird es in einer praktischen Partie besonders schwerer, wenn es sich um einen Blockadekampf handelt. Die Springer können sich gegenseitig decken und besitzen daher gewisse Resistenz gegen die Drohungen des Turmes.
Kapitel 7: Turm gegen Läufer und Springer
Die letzten beiden Kapitel behandeln die Fälle, in denen die Turmpartei gegen zwei Leichtfiguren antreten muss. Das Gespann Läufer und Springer ist besonders gefährlich, da sehr viele Felder kontrolliert werden können und sowohl auf kurzen wie auch auf langen Strecken geschossen wird. Die Turmpartei fühlt sich dabei nicht selten wahrlich in der
Unterzahl was besonders beim Angriff bzw. Decken von Feldern deutlich wird. In diesen Situationen ist der Turm häufig zur Passivität verdammt und die
Leichtfiguren haben die Kontrolle. Um diese Kontrolle jedoch zu erlangen ist eine gewisse Koordination dieser Figuren von Nöten, die der Turm jedoch auch stören kann! Wenn der Turm es schafft die Leichtfiguren voneinander zu trennen ergeben sich eventuell Möglichkeiten einen davon zu fangen tauschen.
Kapitel 8: Turm gegen zwei Springer
Und zu guter Letzt behandelt GM Müller den Fall in dem der Turm gegen zwei mächtige Springer antreten muss. In der Partie Carlsen – Aronian aus den Kandidatenkämpfen 2007 kann man sehen wie die Springerpartei agieren sollte. Gegnerische Freibauern nach Möglichkeit blockieren, die eigenen vorantreiben und unterstützen. Den praktischen Wert
erhalten die Springer durch die Springergabel, die für diese DVD sowieso schon zu einem der Hauptthemen geworden ist.
Wer sagt, dass Endspiele langweilig und trocken sind, dürfte mit dieser Endspiel-DVD vom Gegenteil überzeugt werden. Man kann nicht behaupten, dass der taktische Gehalt hier kürzer kommt als im Mittelspiel, wo noch mehr Figuren auf dem Brett sind. Das Brett steckt voller Leben und Dynamik, besonders wenn es sich um „Tempo-Situationen“ handelt, in denen man rechtzeitig sein muss, um gegnerische Möglichkeiten zu unterbinden.
Fazit:
Wie man bereits aus meinen vergangenen Rezensionen erkennen kann habe ich eine große Vorliebe zu Endspielen und habe diese DVD-Reihe ganz besonders in mein Herz geschlossen. GM Karsten Müller schafft es sehr gut, seine Leidenschaft zu Endspielen auf den Zuhörer zu übertragen und ihm gekonnt das Material zu vermitteln. Meine Empfehlung richtet sich an alle Spieler, egal welcher Spielstärke. Wer behauptet, dass man Eröffnungen wie die Sizilianische Verteidigung spielen muss um sein taktisches Auge zu schulen hat sich geirrt. Dieser Endspieltypus ist ebenso geeignet taktische Motive (besonders Springergabeln und Fesselungen) zu trainieren. Eine Fülle nützlicher Ideen und Motiven bekommt der Leser in dieser DVD mit auf den Weg, die nicht nur für den hier behandelten Endspieltyp von Nutzen sein dürften. Das Thema wurde ausgezeichnet diskutiert und somit die hohe Qualität, die mit den ersten Teilen dieser Serie gesetzt wurde, bis heute gehalten!
Wertung: ****** (6/6) Höchste Empfehlung!
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Originalrezension von Lukas Wedrychowski