Von und über Viktor Kortschnoi - eine Rezension

von ChessBase
09.05.2023 – Harald Fietz, der Viktor Kortschni auch noch persönlich erlebte, hat sich die Fritztrainer "Viktor Kortschnoi: My life for chess" und "Masterclass: Viktor Kortschnoi" angesehen. Hier spricht der Meister selbst, dort wird über ihn gesprochen. Beide Fritztrainer bieten reichlich Schachkrimis, meint Harald Fietz in seiner Rezension.

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Von Harald Fietz

Verrückte und Normalos gleichermaßen willkommen

Viktor Kortschnois Vermächtnis mit neuen Schattierungen kann süchtig machen!


„Wenn ich analysiere, denke ich immer ein wenig verrückt“, meinte Viktor Kortschnoi am Montag nach dem ersten Februar-Wochenende 2007 in Rüdersdorf bei Berlin. Dort hatte er am Vortag für den kleinen Ort bei Berlin in der zweiten Bundesliga am ersten Brett gespielt und dem GM Borki Predojevic in der französischen Verteidigung eine „Lektion“ erteilt. Der Bosnier hörte in der damals noch üblichen Post-Mortem-Analyse ziemlich ehrfürchtig zu.

Da waren die drei Jugendlichen am Tag danach bei einer Analyserunde mit einem halben Jahrhundert Altersunterschied unbekümmerter, da die Schachlegende Verrücktsein extra wünschte und von ihm jeder Vorschlag gewürdigt wurde. Er scheute sich auch nicht – wie ich damals für Schach-Magazin 64 berichtete - eine Niederlage im Franzosen zur Schau zu stellen und die Ideen des Gegners zu loben. Alles kam auf den Prüfstand und zwar ausdauernd und rücksichtslos. Es wurde eine zeitvergessene Sitzung und nach zweieinhalb Stunden musste ihn seine Lebensgefährtin Petra Leeuwerik fast wegzerren, damit der 76-Jährigen vor einem Simultan am Abend seinen Mittagsschlaf bekam. Dort kam ein anderer Charakterzug des zweifachen Vizeweltmeisters zum Vorschein – Gewinn galt als oberstes Ziel, ein geschenktes Remis mit Prominentenbonus kam nicht in Frage – das musste auch der bekannte Filmproduzent Atze Brauner erkennen, der fast 90-jährig am Brett saß und alsbald den König umlegte.

Kortschnoi starb neun Jahre später und so kann nunmehr rundum ein Schaffen gewürdigt werden, welches unglaubliche sieben Jahrzehnte von den Kriegstagen im ausgehungerten Leningrad bis zum situierten Lebensabend im beschaulichen Ort Wohlen umfasste. Nur die letzten Jahre hielt ihn die Gesundheit doch mehr daheim in der Schweiz, sonst war es eine rastlose Umtriebigkeit für das königliche Spiel, welches nach der Jahrhundertwende zunehmend in der Hektik des Internetzeitalters, den Jugendwahn und der Enginehörigkeit angekommen ist. In diesem Klima wird man einem solchen Heroen nur noch selten begegnen, zu viel in der heutigen Schachszene ist stromlinienförmig dem Diktat der KI-Erkenntnisse unterworfen und nur Wenige riskieren Eigensinn im Schach.

Analyse mit Kortschnoi

Viktor Kortschnoi in seinem Element: Gedanken-Pino-Pong in der Post-Mortem-Analyse und der Meister schlägt hart zurück. Interessierter Zuschauer in Fredersdorf bei Berlin 2007 war am Rande des Zweiliga-Duells Rüdersdorf vs SK Zehlendorf der IM Steve Berger, ChessBase-Autor und bekannter Twitsch-Streamer. Foto: Harald Fietz

Der Meister spricht selbst

Viel ist über seine Partien und seine Lebensgeschichte bereits publiziert und ChessBase hat nun mit zwei Veröffentlichungen neue Ein- und Ansichten herausgebracht, die man als traditionelle DVDs erhalten oder als Meisterklasse downloaden kann. Gibt es noch etwas mit Mehrwert beizutragen? Die Antwort lautete in beiden Fällen „absolut“; auch wenn es natürlich nur einzelne Bausteine eines facettenreichen Schachwirkens sind – aber diese faszinieren wegen der Authentizität und im Falle von Kortschnoi vor der Kamera mit einer fast schon vergessenen Fertigkeit, schachliches Brainwork ungeschliffen ohne Engine-Absicherung auf das Brett zu schleudern – oder für ihn ziemlich mühselig im ChessBase-Studio in die Datenbank einzutippen.

17 Partien zeigt Kortschnoi, die allesamt in seiner definitiv besten Partiensammlung erschienen sind (2011 bei Edition Olms in einem Band zum 80. Geburtstag untergliedert als Weiß- und Schwarzpartien). Die Kombination von Buch und Video lohnt die Ergänzung: das Buch hat die Varianten sauberer gegliedert und geschliffener kommentiert, aber im bewegten Bild kommen die Wendepunkte prägnanter mit viel Stirnrunzeln des Meisters zur Schau. Es ist eben wie früher in der Analyse danach. Ein Kortschnoi setzte das eigene Hirn einer ständigen Gedankenfolter aus und verspürte eine Abneigung, Enginevorschläge zu verdauen. Während man mit dem Rechner oft zu konkret wird (aber auch Sklave einer Rechentiefe, die man selbst oft nicht bewältigen kann), schafft es der GM-Mensch die „Tiefe der strategischen Linien“ offenzulegen. Es ist eine „Schule des originären Schachdenkens“, also des eigenständigen Ergründens und Imaginierens wie es Spieler mit Verbesserungswillen wieder und wieder perfektionieren sollten.

Die Produktion aus dem Jahr 2004 wirkt mit etwas altertümlichen Studioset liebevoll retroversetzt und das knapp halbstündige Interview mit ChessBase-Mitgründer Frederic Friedel bringt den emotional bisweilen aufgebrachten Kortschnoi zum Erzählen von großen und kleinen Episoden aus seinen Epochen, d.h. weit über die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinaus. Obwohl ich Kortschnoi bei Analysen mehrfach stundenlang live beobachten konnte, kommen in dieser Zusammenstellung neue Herangehensweisen an Stellungen zur Disposition, und die wertvolle Eigenschaft einer Selbstironie mit dem Wunsch sich – vielleicht gerade weil altersgeschützt – selbst zu hinterfragen. Es ist kaum möglich, sich dem Flow des Videos und dem großen Wissensschatz zu entziehen. Man „atmet“ großen Schachspirit ein.

Meisterklasse mit abwechslungsreichem Lehrplan

Dagegen erfüllt das Autorenquartett der „Meisterklasse Nr.15“ andere Bedarfe, denn die Autoren wollen zuvörderst der Instruktion dienen. Bislang sind in dieser Reihe 14 Teile über Weltmeister erschienen und nun erstmals ein Herausforderer, der eben nicht die Krone erlangte. Im Themenspektrum Eröffnung, Taktik, Strategie und Endspiel bleibt alles konventionell, aber jeder Beitrag bietet Neuland, welches man sinnfällig mit vorhandenen Quellen ergänzen kann.

Die GM Mihail Marin (aus Rumänien) und Yannik Pelletier (aus der Schweiz) sind als aktive Turnierspieler über die Jahre nah an Kortschnois Spielpraxis dran gewesen, die Hamburger ChessBase-Homebase mit IM Oliver Reeh und GM Karsten Müller ist da eher aus der Ferne betrachtend. Es gibt acht Videos zu Kortschnois bevorzugten Eröffnungen und die gleiche Videoanzahl an Strategieüberlegungen zu sieben Partien (aus dem Zeitraum 1969 bis 2011). Taktiken sind mit 27 Beispielen vertreten und Endspiele mit 23 Fragmenten (gezeigt mit kommentarlosen Zugaben der ganzen Partien). Es gibt aus Trainersicht, aber auch für den Selbstlerner, eine Fülle beachtlicher Möglichkeiten sich aus dem Material zu bedienen, aber auch Nebenbemerkungen als „Abzweig“ für eigene Forschungen sind zu erkennen.

Ich möchte eine Handvoll Anregungen aus dem Lehrplan dieser Meisterklasse geben, ohne diese subjektive Auswahl als Top 5 gewertet zu wissen. Kortschnoi ist schlichtweg auf vielen Schachgebieten tiefgründig und wie angemerkt, die Autoren sind beim Umfang der Produktion mit einer gewissen zeitlichen Beschränkung und damit einhergehender Ergebnistiefe angetreten und trotzdem spannend fündig geworden. Wie bei der anderen Produktion mit dem Meister selbst „am Steuer“ besteht Suchtgefahr, wirklich jede Information auf ihren Lernwert für das eigene Spiel oder das seiner Schüler zu checken.

Top 1 Die Platzierung des c1-Läufers im Damengambit

Pelletier begründet anhand der 21. WM-Partie von 1978, warum Kortschnoi den Damenläufer im Damengambit eher nach f4 statt g5 stellte. Heute mit dem Londoner System an jeder Ecke keine Sensation, aber sich zu vergegenwärtigen, warum Lg5 eher zu Figurentausch und Festlegung von Bauernstrukturen führt, während Lf4 proaktiver auf das Zentrum einwirkt, bleibt eine lohnenswerte Überlegung für strategisch ausgerichtete Spieler mit klassischem Anspruch. Eine Einführung, die von dem Tenor getragen wird, dass Kortschnois Ausrichtungen auch heute noch aktuell und meinungsbildend sind. Mehr Adelung eines Werkes geht kaum!

Top 2 Das prinzipielle Betrachten von Königsindisch

Für die klassische Tradition des Kampfs um das Zentrum führte Kortschnoi zeitlebens Argumente gegen die „unlogische“ Königsindische Verteidigung, welche der Brettmitte am Anfang weniger Beachtung schenkt. Pelletier bleibt zwar diplomatisch und hat doch einen „entzückenden Moment“ als ihm, da Deutsch nicht seine Muttersprache ist, der Ausdruck „Kreuzzug“ nicht einfällt und er mit der Neuschöpfung „Kreuzkampf“ aufwartet.

Genau das war es: Kortschnoi war bei der Offenbarung seiner Ansichten eher ein Rüpel und Pelletier kratzt daran, warum nicht nur diese Spielweise nicht in Kortschnois Schachweltbild passte, sondern er den Königsindisch-Spieler eher verachtete (wohl bis auf Ausnahmen einiger Erwählter wie Efim Geller, Svetozar Gligoric, Robert James Fischer oder Garry Kasparow). Diese wenigen „Geschützten“ waren sich in Pelletiers Worten lt. Kortschnoi „bewusst, was sie machten“ und alle anderen galten ihm als willig Folgsame eines falschen Eröffnungspfads, die er mit Wut wiederlegen wollte. Anhänger beider Seiten des Königsindischen bekommen hier divergierende Startpunkte, die zu noch vielen weiteren Analysen genutzt werden können (man nehme, wenn irgendwo auffindbar, Daniel Kings Batsford-Buchklassiker „Mastering the King’s Indian with the Play and Read Method“ als etwas ausgewogenere Einführung in die Strukturen der Eröffnung). Ein toller Videoclip für alle Spiellevel, um die Bandbreite an Meinungen zu erfassen.

Top 3 Kortschnoi gegen 1.e4

Ohne Diskussion hat jeder Spieler, vom Amateur bis zum Profi, irgendwann die Baustelle des Königsbauers als Eröffnungszug betreten. Und daher ist die Orientierung am Erbe der Besten immer einen Blick wert. Hier ist eine Eröffnung zentral, nämlich die „Französische Verteidigung“, die Kortschnoi zu allen Zeiten auspackte, während Sizilianisch mit Scheveninger Struktur und der Offene Spanier nur phasenweise Konjunktur hatte und Aljechin-Verteidigung und andere halboffene Spielweisen nur punktuell ein „Ausflug“ blieben. Bei Französisch macht Pelletier klar, dass Kortschnoi sich hinter den schwarzen Steinen gegen die Vorstoßvariante immer die „Hände gerieben“ hat. Er mochte es dagegen zu spielen, doch vielen nicht so versierten Spielern fällt es m.E. schwer gegen das feste Zentrum zu agieren. Kortschnoi wusste, wann man das Zentrum attackiert und wann man andere Manöver bevorzugt. Pelletier gibt einiges preis aus seinen persönlichen Begegnungen mit Kortschnoi, in denen Kortschnoi Vorlieben für Varianten erläuterte oder wie Kortschnoi auch nicht davor zurückschreckte, „zu kopieren“ (z.B. Mitte der 80er Jahre eine Variante, die GM Alexander Chernin damals auf die Agenda packte). Dieses knapp 20-minütige Video ist eine grundlegende Eröffnungsnavigation und einfach sehenswert für die Spezial- und Allgemeinbildung beim Eröffnungswissen. Die letzten fünf Minuten streifen die Offene Variante der Spanischen Eröffnung aus Sicht des Nachziehenden. So ein Standortbestimmen können Trainer z.B. im Jugendtraining einsetzen, um ihren Schützlingen eine Repertoiresuche exemplarisch vorzuführen. Ruhig hinterher eine schriftliche Zusammenfassung erstellen lassen, was an Einschätzungen zur Wertigkeit einzelner Varianten erfasst wurde.

Top 4 Abwendung vom Masochismus

GM Marin würde ich als einen der spannendsten „Strategieerklärer“ bezeichnen. Taktik zu erfassen ist relativ einfach, vor allem, wenn man die Engine zur Beweissicherung zur Hand hat. Strategie dagegen ist ein Chargieren zwischen abstrakten Überlegungen und konkreten Aktionen. Die eigentliche Kunst besteht darin, thematische Prioritäten herauszustellen und verständlich zu machen, also wie diese im Partie(denk)prozess zusammenhängen und wo gegnerische Paraden auf dem Horizont zu erwarten sind. Marin widmet sich so vielfältig den sieben glorreichen Partien, dass hier nur einige punktuelle Hinweise gebracht werden sollen. Einen interessanten Fakt bildet unter allgemeinen Aspekten die nicht sehr häufig erwähnte „Neugestaltung“ der Spielweise.

Nachdem Spasski Kortschnoi ungefähr im Alter von 30 Jahren als Masochisten bezeichnete, da er Material (vor allem die „berühmten“ unverdaulichen Bauern) fraß und sich komplizierten Verteidigungen unterwarf, ging dieser in sich und erfand sich quasi neu, um dann im hohen Alter über 40 nach dem WM-Titel zu greifen (wo allerdings seine Kraftreserven nicht mehr optimal waren). Es war eine ganze Palette im strategischen Mindset zu justieren, z.B. Einsatz des Läuferpaars, Abtausch oder Figuren behalten, Blockaden aufbauen oder eine harmonische Strategie mit einem taktischen Schlag zum Finale zu führen. Jedes der sieben Beispiele gestaltet sich eigenwillig und dazu passt eine Aussage Kortschnois, die Marin zentral stellt: „Wenn man die Regel brechen möchte, muss man sie zuerst gut kennen.“ Der Stratege nach klassischen Prinzipien weiß dann auch den extraordinären Pfad zu finden. Beeindruckend z.B. die Lösung in einer damals viel publizierten Partie gegen den jungen Artur Jussupow in Lone Pine 1981, denn sie ist in der strategischen Ausrichtung ein Juwel. Zudem gab es den sportpolitischen Kontext, weil sich ein Sowjet-Repräsentant mit dem geächteten „Herausforderer“, der in den Westen absetzte, ans Brett setzte. Man schaue hin und ich wette, wenige werden der Lösung und ihrem tiefen Stellungsgehalt beikommen (wer sonst keine Quelle hat, sollte einen Kauf erwägen!).

Dieser Abschnitt der Meisterklasse muss als augenöffnend bezeichnet werden. Wer über den Tellerrand schauen will, holt sich noch die Meisterklasse von Alexander Aljechin, denn den stellt Marin mit einer ähnlichen Veranlagung als Vorgänger in die Traditionslinie, was sicher überrascht, gilt doch der vierte Weltmeister vorrangig der Angriffswucht verpflichtet.

Einen komischen Umstand bringt die Tatsache, dass Marin die Videos in Deutsch erklärt, aber die Textanmerkungen in den Partien dazu nur in Englisch geliefert werden. Da ist bei der Endkontrolle nicht genau hingeschaut wurden. Nichtsdestoweniger auch hier Bestnoten.

Top 5 Scheuklappen des passiven Turms

Karsten Müller kann bei Kortschnoi natürlich in die Vollen gehen und steuert einen erkenntnisreichen Rundumblick bei: achtmal aktive Spielführung in Turmendspielen (das ist immer gut als Wiederholung und selbst Vincent Keymer als bester deutscher Spieler darf hier reinschauen, da er seine Fans auf diesem Terrain zu Beginn des Jahres 2023 mehrfach zur Verzweiflung brachte) und praxisrelevante Figurenkonstellationen und ihre charakteristischen Merkmale (Turm vs. Läufer, Turm & Springer vs. Turm, Damenendspiele und das immergrüne Duell der unterschiedlichen Leichtfiguren). Besondere Freude macht ein spezieller Fokus auf das WM-Duell 1978, was einerseits unterstreicht, wie substanziell dieser Wettkampf auch auf diesem Gebiet war und andererseits Kortschnois immense Kreativität in der letzten Partiephase unterstreicht, eben dann, wenn der Wille zählt. Ein geradezu paradoxes Beispiel bringt die unglaubliche 31. WM-Partie, in der Müller zwar auf die objektive Remisbreite hinweist, aber Nuancen des Spiels auf alle drei Ergebnisse aufzeigt. Kortschnoi hat diese Partie für sein Buch „Praxis der Turmendspiele“ (Edition Olms) superausführlich ausgebreitet, aber Müller kann heute mit Engineunterstützung neue Rettungsoptionen aufzeigen wie nach dem 58. Zug von Weiß.

Es ist auch ohne die Turnieranspannung überraschend, dass nun 58… Td4 59.Kxa5 Kc7 60.Kb5 folgen sollte und als Krönung der schwarzen Verteidigung die „Passivstellung des Turms“ auf d7. Zurecht meint Müller, dass dies nur ohne Scheuklappen geht, aber die abzulegen ist bisweilen selbst den Größten nicht möglich. Trainer sollten erwägen, das abgebildete Diagramm als Stellungsbild zur Diskussion zu stellen und den paradoxen Weg zu begründen. Als Tipp einer ergänzenden Betrachtung möchte ich auf Neil McDonalds Buch „Break the rules“ (Everyman 2013) hinweisen, wo der englische GM die ganze Partie aus einer persönlichen Sicht seziert und Kortschnois Genie m.E. glänzend einkreist und dabei seine erlernten Schachprinzipien hinterfragt.

Müllers Zusammentragen der 23 Endspiele muss mit dem Label „Fundgrube“ einfach mit motivierter Analysemoral angegangen werden, aber das kennt man ja bei dem Autor, der einerseits die Engine allzeit laufen hat und doch den menschlichen Zweifel anzubringen weiß.

Weglassen wurde bei dieser Betrachtung ein Einzoomen auf das Taktikkapitel, was keineswegs eine Missachtung der Zusammenstellung von Oliver Reeh sein soll. Dieser agiert fast immer mit toller Routine, die ihre Prägnanz dadurch gewinnt, dass er die außerordentlich wichtige und richtige Stellungsbeurteilung nonchalant „unterjubeln“ kann. Hier dürfen sich gerade Taktikfreaks, die auf Webplattformen oftmals mit dem schnellen Mausklick Kombinationen ansehen, ein Beispiel nehmen. Geduld vor dem Schlag ist das wahre Zen beim Schach und kann hier verfeinert werden.

Erwähnt werden soll noch der Bonusteil, in dem alle über 5000 Partien nachspielbar sind. Dazu noch ein Zusatz von 14 Taktikaufgaben und alle seine Partien als Fritz-Buch aus weißer und schwarzer Sicht. Ein Manko soll aber nicht unerwähnt bleiben. Während die ersten Folgen der Meisterklassen die Videos in deutscher und englischer Sprache boten, gibt es seit Ausgabe Nr. 11 und auch bei Kortschnoi nur eine deutsche Fassung. Für mich als Schachlehrer mit überwiegend englischsprachigen Schachschülern ein echter Punktabzug.

Die Videolängen werden für jede DVD jeweils mit knapp 8 Stunden angegeben. Für das Bundle sind 49,90 € (einzeln jeweils 29,90 €) hinzulegen … Aber überlegen wir mal, was ein Kinobesuch heutzutage kostet. Da bietet Kortschnoi eine ganze Reihe an Schach-Krimis und es obliegt dem eigenen Schweinehund sich in diese Schachabenteuer reinzuknien und einen Ertrag abzuschöpfen. Auf alle Fälle sollte man die Sogwirkung nicht unterschätzen und dafür vielleicht ein Wochenende mit gefülltem Kühlschrank reservieren – guten Appetit!

Master Class Band 15 - Viktor Kortschnoi und My life for chess

In diesem Videokurs untersuchen Experten die Partien von Viktor Kortschnoi. Lassen Sie sich von ihnen zeigen, welche Eröffnungen Kortschnoi wählte, wo seine Stärken im Mittelspiel lagen oder wie er seine Gegner im Endspiel überspielte.

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