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„Ich bin sehr motiviert und glaube an mich“
Boris Gelfand steht vor der größten Herausforderung seiner Schachkarriere. Dagobert Kohlmeyer hat sich bei dem 43-jährigen Großmeister aus Israel erkundigt, welche Gedanken ihn vor dem Wettkampf bewegen und was für eine Match-Strategie er verfolgen wird.
Bist Du zum WM-Finale gut gerüstet?
Ich habe die Partien meines Gegners gründlich studiert und hoffe, alles Nötige für den Kampf um die Schachkrone getan zu haben.
Wie lange dauerte die Vorbereitung?
Praktisch begann ich schon vor einem Jahr damit, als feststand, dass ich Anands Herausforderer sein werde. Ich habe dann meine ganze Energie investiert, um möglichst gut für das Duell präpariert zu sein. Es ist das absolute Highlight in meiner Schachkarriere.
Was tatest Du zuletzt in der heißen Phase?
Ich zog mich mit meinem bewährten Trainerteam nach Österreich zurück. Dort fanden wir bis vor wenigen Tagen in dem kleinen Ort Waldbach die nötige Ruhe zum Arbeiten, aber auch zur Erholung.
Hast Du vielleicht noch neue Sekundanten angeheuert?
In Moskau werden mich wie schon bei früheren Wettkämpfen die Großmeister Alexander Huzman und Maxim Rodstein unterstützen. Andere Trainer-Namen möchte ich jetzt vor dem Match nicht nennen.
Mit Mark Gluchovski und Alexander Huzman
Deine Bilanz gegen Anand im klassischen Schach ist nicht gerade berauschend. Beunruhigt Dich das?
Nein. Richtig ist, dass ich seit langem keine Partie mit normaler Bedenkzeit mehr gegen Anand gewonnen habe. Sehr häufig spielten wir remis gegeneinander. Aber in Moskau werden die Karten neu gemischt. Wir haben zwölf Partien vor uns und wollen unser bestes Schach zeigen.
Wie willst Du vorgehen?
Möglichst abgeklärt, wie es beim Schach auf höchster Ebene notwendig ist. Gegen Anand auf Teufel komm raus anzugreifen, kann tödlich sein. Er ist der geborene Taktiker. Aber wenn sich die Gelegenheit bietet, attackiere ich ihn natürlich auch.
Hast Du Schwachstellen im Spiel des Weltmeisters entdeckt?
Sie gibt es tatsächlich, obwohl Vishy ein brillanter, nahezu perfekter Schachspieler ist. Nicht umsonst trägt er seit Jahren den klassischen WM-Titel. Aber natürlich werde ich die weniger starken Seiten Anands hier nicht darlegen. Niemand legt vor einem solchen Match seinen Karten offen auf den Tisch. Das wäre töricht.
Dennoch. Wie kann man Anand schlagen?
Nur durch eine perfekte Vorbereitung, herausragende Form und ganz viel Kampfgeist. Sehr wichtig ist es, mit einem frischen Kopf anzutreten. Zudem benötigt man auch etwas Glück, dass die richtigen Eröffnungen aufs Brett kommen.
Du rechnest Dir ebenfalls Chancen aus. Worauf gründet sich Dein Optimismus?
Auf meine große Erfahrung, meine Kampfkraft und meine sehr starke Motivation. Sie dürfte vielleicht höher als bei Anand sein, denn ich war noch nie Weltmeister. Das Wichtigste in so einer harten Prüfung ist meiner Meinung nach: Man muss an sich glauben.
Wo wird das Gelfand-Team in Moskau wohnen?
In einem guten Hotel. Aber es nicht das gleiche Haus, welches die Delegation von Anand gebucht hat.
Wird bei diesem Match auf Deiner Tischseite neben dem Brett wieder eine bestimmte Flasche stehen?
Wenn Du Isostar meinst, ja. Ich schwöre seit Jahren auf den Energiedrink. Er wird doch in vielen Sportarten verwendet. Aber es ist nicht mein einziges Getränk während einer Partie. Natürlich trinke ich dann auch Tee oder Kaffee.
Boris, neben dem Schach hast Du noch andere Interessen. Als großer Fußballfan kennst Du alle Spitzenmannschaften Europas. Was sagst Du zum Einzug der Bayern ins Finale der Champions League?
Ich habe mich sehr für die Münchner gefreut und drücke ihnen die Daumen, dass sie zu Hause gegen Chelsea gewinnen.
Voriges Jahr hast Du ja das Champions-League-Finale in London sogar live erlebt.
Nach meinem Sieg im WM-Kandidatenturnier von Kasan haben mir Freunde eine Karte besorgt, und ich schaffte es tatsächlich noch, nach London zu fliegen. Dort erlebte ich im Wembley Stadion den 3:1-Sieg meiner Lieblingsmannschaft FC Barcelona gegen Manchester United.
Genussmensch Gelfand mit Riesenschachlik
Mit einer Reise nach München wird es in diesem Jahr aber nicht klappen.
Da kann man nichts machen. Diesmal liegt das Endspiel mitten in unserem WM-Kampf. Aber am 19. Mai haben wir Ruhetag in Moskau. So kann ich mir das Fußball-Match gemeinsam mit meinem Trainer-Team im Fernsehen anschauen.
Gelfand mit Familie
„Anand wird niemals satt sein, Schach zu spielen!“
Im Team des Titelverteidigers ist er vielleicht der wichtigste Mann: Schach-Manager Hans-Walter Schmitt kümmert sich in Moskau wie schon bei den vergangenen Weltmeisterschaften in Mexiko, Bonn und Sofia um all die Dinge, die das Leben für Anand leichter machen: Hotel, Verpflegung, Transport zur Spielstätte, Begleitung bei wichtigen Terminen wie Pressekonferenzen usw. „Vishy weiß, dass ich bedingungsIos an seiner Seite stehe, auch in kritischen Phasen“, sagt Schmitt. Am gestrigen Donnerstag flog der erfahrene Schach-Organisator nach Moskau, um vor Ort alles vorzubereiten. Vor der Abreise hat Dagobert Kohlmeyer mit ihm gesprochen.
Wo werdet Ihr in Moskau wohnen?
Im Hotel Kempinski mit Blick auf den Kreml. Es ist eines der besten Häuser am Platze und weniger als einen Kilometer von der Tretjakow-Galerie entfernt.
Wie ist die Stimmung im Team?
Ausgezeichnet. Anand und seine Standard-Sekundanten haben wochenlang intensiv miteinander gearbeitet. Auch Vishys Trainer sind optimistisch und wollen dazu beitragen, dass ihr Chef das Match gewinnt.
In der Schachpresse und im Internet findet man sehr viele Prognosen. Die meisten Leute stempeln Anand als klaren WM-Favoriten ab. Wie siehst du die Sache?
Alle meinen, sich äußern zu müssen. Die dümmste Frage lautet: Ist das Match vielleicht schon nach neun Runden vorbei? Das ist Gelfand gegenüber sehr unfair. Bei aller Liebe müssen wir anerkennen: Boris hat sich sportlich qualifiziert. Und da kann man nicht einfach sagen, es wäre besser, wenn andere Großmeister, wie z.B. Carlsen oder Aronjan, spielen würden. Wir wollen doch sportlich sein. Aber manche großen Kenner der Szene, auch Kasparow, meinen, es besser zu wissen. Garri muss ja immer seinen Senf dazu geben.
Gelfand hat klug darauf geantwortet: Es interessiert ihn nicht, er will gutes Schach zeigen.
Das ist die richtige Einstellung. Boris und Vishy kennen sich seit ewigen Zeiten, sind ein Leben lang Schachpartner. Zudem haben sie einjährige Söhne. So etwas verbindet. Die beiden WM-Finalisten können gut miteinander. Das ist noch mal etwas Besonderes, wenn man als Konkurrent miteinander befreundet ist.
In Moskau ist also kein Streit zu erwarten, aber sicher ein harter Kampf. Wie wird sich Anand als mehrfacher Champion denn motivieren können? Ist der hungrige Gelfand da nicht etwas im Vorteil?
Natürlich hat Anand in seiner Schachkarriere schon alles erreicht, was möglich ist. Er gewann die FIDE-WM im Knockout-System, das WM-Turnier in Mexiko und auch zwei klassische Matchs. Also, er hat alle Formate für sich entschieden, und er ist auch im Schnellschach sehr gut. Aber Dago, ich sag dir eins: Dieser Mann wird niemals satt sein, Schach zu spielen! Niemals! Dafür liebt er das Spiel zu sehr.
Das ist ja das Schöne, wir alle können Schach bis zu unserem Ende spielen!
Mehr oder weniger (lacht). Um sehr gut und erfolgreich zu spielen, muss man das Schach lieben und auch etwas besessen davon sein. Dass Vishy ein großer Taktiker ist, wissen wir. Und im Übrigen wird sein großes Volk, also ganz Indien, wieder auf ihn schauen. Das ist doch Motivation genug.
Können wir bei dem Match theoretische Überraschungen erwarten?
Das muss man abwarten. Der Schachsport ist in jüngster Zeit schwerer geworden. Fast alle Eröffnungssysteme sind erforscht. Man findet heute nicht mehr so viele exzellente Neuerungen. Es ist ganz viel ausanalysiert. Aber schauen wir mal.
Spielplan: