Wadim Rosenstein bewirbt sich als DSB-Präsident

von ChessBase
11.03.2023 – Der Deutsche Schachbund ist in finanzielle Schieflage geraten. DSB-Präsident Ullrich Krause übernimmt dafür die Verantwortung und wird sich nicht zur Wiederwahl stellen, um den Weg zu einem Neuanfang freizumachen. Ein neues Präsidium wird gesucht. Wadim Rosenstein, Organisator des WR Masters, hat nun seine Kandidatur für das Amt des Präsidenten bekannt gegeben und im Interview seine Motivation erläutert.

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Der Deutsche Schachbund hat in seinem Haushalt kürzlich ein großes Defizit festgestellt und dadurch den größten Teil seiner Rücklagen aufgebraucht. Als Folge wurde der in Braunschweig geplante Meisterschaftsgipfel 2023 abgesagt, da der DSB sich außerstande sah, für eine Finanzierungslücke von etwa 110.000 Euro zu bürgen.

DSB-Präsident Ulrich Krause hat aus der Entwicklung seine persönlichen Konsequenzen gezogen und erklärt, dass er sich beim nächsten Bundeskongress nicht zur Wiederwahl stellen wird und stattdessen den Weg für einen Neuaufbau frei machen will. Ein neuer Präsident des Schachbundes wird gesucht.

Als Kandidaten für das Amt des Präsidenten hat sich nun Wadim Rosenstein beworben. Der schachbegeisterte Düsseldorfer Unternehmer hat im Februar in in seiner Heimatstadt mit dem WR-Masters ein Weltklasseturnier organisiert und gesponsert. Er ist außerdem der Sponsor der neuen Open Team World Championship der FIDE.

Im Interview erklärt Wadim Rosenstein sein Engagement und stellt sein Team und sein Programm vor.

 

Sie wollen sich um das Amt des Präsidenten des Deutschen Schachbundes bewerben. Was motiviert sie dazu?

Als ich von den DSB-Haushaltszahlen und der gefährdeten Liquidität unseres Verbands hörte, war für mich klar, dass ich helfen möchte. Mein Entschluss musste nicht lange reifen.  Das galt umso mehr, als der Deutsche Schachgipfel ausfiel, etwas, das nie wieder passieren darf. 

Der Schachsport hat mir unheimlich viel in meinem Leben gegeben. Auch der Deutsche Schachbund übrigens: Als Kind habe ich an Trainingslagern und Talentsichtungen teilgenommen. Mit dem Team der Schachfreunde Köln-Mülheim haben wir damals die Jugendbundesliga gewonnen. Diese Kindheitserinnerungen und die damit zusammenhängenden Emotionen verbinden mich bis heute mit dem Schachsport. Deswegen möchte ich etwas zurückgeben und das Schach in Deutschland unterstützen.

Als sicher viel beschäftigter Unternehmer werden Sie wahrscheinlich nur ein begrenztes Zeitbudget für diese Aufgabe zur Verfügung haben. Wird das ausreichen, um die Aufgabe als Präsident des Deutschen Schachbundes auszufüllen?

Ja. Die Zeit, die ich brauche, werde ich mir nehmen. Mein Anteil am Tagesgeschäft wird sicher überschaubar sein, aber meine Linie und meine Ideen werde ich einbringen und vorantreiben. Und ich traue mir auch im Detail einiges zu. Problemstellungen schnell zu verstehen und Lösungen zu entwickeln, ist Teil erfolgreichen Unternehmertums.

Bisher waren Sie in keinem Verein oder Verband als Funktionär aktiv. Glauben Sie, dass Sie trotzdem schnell genug Einblick in die Vorgänge und Mechanismen in einem Sportverband bekommen?

Ja. Ich habe in den vergangenen Wochen mit so vielen Menschen in und um den Deutschen Schachbund herum gesprochen, ich arbeite mich in die Vorgänge ein und habe mein Team bewusst so gewählt, dass fehlende Funktionärserfahrung kein Faktor sein wird. Zudem bin ich es als Unternehmer in den unterschiedlichsten Branchen gewohnt, mich schnell in neue Sachverhalte einzuarbeiten.

Wie setzt sich Ihr Team zusammen und aus welchen Gründen haben Sie es so ausgewählt?

Ich freue mich, dass alle drei Kandidaten, die mir von Beginn an vorschwebten, zugesagt haben. Wir haben mit Jan Werner als Vizepräsident Finanzen einen Wirtschaftsjuristen, der Vorsitzender eines (ehemaligen) Bundesligavereins ist, Ralph Alt als Vizepräsidenten Sport, der bereits seit vielen Jahrzehnten im Deutschen Schachbund engagiert ist, und mit Paul Meyer-Dunker als Vizepräsident Verbandsentwicklung einen jungen Landesverbandspräsidenten im Team. Dazu komme ich, der eine neue, frische Perspektive einbringt. Meines Erachtens ist das eine gute Mischung, ich finde das Team super. Besuchen Sie unsere Homepage und machen Sie sich selbst ein Bild.

Als Sponsor und Organisator haben Sie in Düsseldorf in kurzer Zeit ein sehr schönes Weltklasse-Turnier auf die Beine gestellt. Werden Sie als Präsident des Deutschen Schachbundes – falls Sie gewählt werden – auch weiter zusätzlich als Sponsor aktiv sein?

Die oberste Priorität hat der Deutsche Schachbund. Aber ich werde definitiv als Sponsor einige weitere Schachprojekte unterstützen.

Wadim Rosenstein

Als die FIDE die von Ihnen gesponserte Team-WM in Düsseldorf angekündigt hat, wurde Kritik laut: „Wieder ein russischer Sponsor des Schach-Weltverbands“, hieß es. Was sagen Sie dazu?

Die WR Group Holding GmbH ist ein deutsches Unternehmen mit Hauptsitz in Düsseldorf. Ich bin Deutscher, in der Ukraine geboren, ich spreche Russisch. Meine Sprachkenntnisse habe ich genutzt, als ich vor einigen Jahren mein Geschäft mit der Projektlogistik aufgebaut habe. Schon 2020 habe ich meinen Geschäftsschwerpunkt verändert. Inzwischen verfolge ich das Russlandgeschäft gar nicht mehr. Mit der WR Retail GmbH beliefern wir deutsche Handelsketten mit Hygieneartikeln sowie B2C-Produkten, vor allem mit ukrainischen Herstellern. Mit der WR Real Estate GmbH fokussieren wir uns auf dem Immobilienmarkt in Deutschland.

Auch Sie persönlich gerieten in den Fokus, weil ein Foto auftauchte, das Sie beim Blitzschach mit Sergey Karjakin zeigt.

Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, wofür Karjakin steht. Ich distanziere mich von jeglichen seiner Äußerungen und Aktivitäten. Diese Partie würde ich heute nicht mehr spielen.

Jetzt beim WR Chess Masters waren einige führende Funktionäre der FIDE zu Gast. Wie würden Sie Ihr Verhältnis zum Schach-Weltverband beschreiben?

Ich pflege ein gutes, offenes Verhältnis zu allen Menschen, die sich im besten Sinne für den Schachsport engagieren. Bei der FIDE finden Sie eine ganze Reihe solcher Menschen. Wer das Schach voranbringen will, dem werde ich nicht die Zusammenarbeit verweigern, auch nicht als DSB-Präsident, sollte ich gewählt werden.

Die bisherige DSB-Führung stand der FIDE und speziell deren Präsidenten Arkady Dvorkovich kritisch gegenüber.

Der Deutsche Schachbund wäre jetzt gut beraten, vor seiner eigenen Haustür zu kehren, anstatt international mit erhobenem Zeigefinger herumzulaufen. Ich trete zur Wahl an, um unseren Verband wieder auf gesunde Füße zu stellen. Wir haben angesichts der gegenwärtigen Haushaltskrise dringendere Aufgaben zu bewältigen als eine Neujustierung der FIDE-Politik des DSB.

Dvorkovich ist der demokratisch legitimierte, gewählte Präsident der FIDE. Er ist nicht international sanktioniert. Wenn es europäische oder amerikanische Sanktionen gegen ihn gibt, wird die Zusammenarbeit mit ihm sofort beendet.

Auch von Seiten des Innenministeriums wird Druck ausgeübt. Das Innenministerium stellte für internationale Wettbewerbe die Reisekostenzuschüsse für deutsche Spieler in Frage, wenn russische Spieler teilnehmen, so wie bei der Europameisterschaft. Wie sehen Sie dieses Problem?

Zu keinem Zeitpunkt möchte ich, dass eine Entscheidung zu Ungunsten unserer Schachspielerinnen und Schachspieler ausfällt. Darauf sollte unser Fokus liegen. Wir werden, falls wir gewählt werden, uns an die Vorgaben des DOSB und des Bundesministeriums halten und in jedem Fall einheitlich agieren. Mit beiden Organisationen steht der DSB jetzt schon in einem guten Dialog, das soll so bleiben.

Wie können Sie als Präsidentschaftskandidat des Deutschen Schachbundes mit Ian Nepomniachtchi einen russischen Spieler sponsern?

Meine Unterstützung für Nepo ist beendet, sie dauerte genau sechs Monate. Sie begann am 1. September 2022 beim Sinquefield Cup in den USA und endete am 26. Februar 2023 mit dem letzten Tag der WR Chess Masters. Ian ist ein großartiger Schachspieler, und es war mir eine Freude, ihm zu helfen. Ich wünsche ihm sportlich weiterhin alles Gute. Die Idee, als DSB-Präsident zu kandidieren, kam mir am 1. März, als ich erfuhr, dass Ullrich Krause nicht wieder antritt. 

Wenn Sie zum Präsidenten des Deutschen Schachbundes gewählt werden: Was sind Ihre konkreten Pläne für den Verband? Kann der abgesagte Meisterschaftsgipfel 2023 noch gerettet werden?

Drei große Themen werden über allem stehen.

  1. Die Konsolidierung der Finanzen und ein erneuter Aufbau einer Rücklage

Der Deutsche Schachbund hat derzeit ein jährliches strukturelles Defizit. Das müssen wir beheben, mit sofortigen, mittelfristigen und langfristigen Lösungen.

Wir werden Kosten senken und neue Einnahmequellen erschließen. Das Thema Sponsoring müssen wir sofort und zielstrebig angehen.  

  1. Steigerung der Mitgliederzahl

Wenn wir unsere Mitgliederzahl steigern wollen, dann ist der nachhaltigste Ansatz, Kinder und Jugendliche für den Schachsport zu begeistern und über unsere Schulen in die Vereine zu bringen. 

Dafür benötigen wir zum einen deutlich mehr Schulschach-AGs. Es gibt immer noch viel zu viele Schulen in Deutschland, die kein Schachangebot haben. Zudem müssen wir zusätzlich daran arbeiten, Schach als Schulfach zu etablieren und im Lehrplan zu integrieren.

Um diese Ziele zu erreichen, benötigen wir eine Ausbildungsoffensive, denn es gibt immer noch viel zu wenig Trainerinnen und Trainer, die das gestiegene Interesse am Schach bedienen können. Und das, obwohl die Arbeit als Schachtrainer und -lehrer mehr denn je eine lohnende berufliche oder nebenberufliche Perspektive bietet.

  1. Spitzensport

Mit Vincent Keymer haben wir einen talentierten Spitzenspieler wie lange nicht. Mit 18 Jahren hat er bereits die 2700er-Barriere erreicht! Wir müssen ihn und sein Talent fördern, genauso wie es grundsätzlich unser Ziel sein muss, alle talentierten Kinder und Jugendlichen in Deutschland angemessen zu fördern.

Zudem haben wir aktuell insgesamt eine extrem junge Nationalmannschaft, alle Nationalspieler sind Jahrgang 1997 und jünger. Diese Chance dürfen wir nicht verstreichen lassen. Eine erfolgreiche Nationalmannschaft kann Vorbild sein, um mehr Mädchen und Jungen in Deutschland für Schach zu begeistern.

Dieses Thema liegt mir persönlich am Herzen, weshalb WR Chess bereits ein Mini-Camp für Mädchen und Jungen, ein WR-Schach-Junioren-Turnier sowie viele Simultanvorstellungen für junge Kinder organisiert hat.

Den Schachgipfel 2023 noch zu retten, wird sehr schwierig. Aber ich garantiere, dass wir 2024 wieder einen Deutschen Schachgipfel haben werden.

Planen Sie Ihr Engagement nur für eine Amtszeit oder denken Sie an ein längeres Engagement?

Mein Plan ist es, den Deutschen Schachbund auf gesunde Beine zu stellen und zu konsolidieren. Falls ich gewählt werde, möchte ich in zwei Jahren dieses Ziel erreichen und einen dann gesundeten Verband in die Verantwortung einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers geben.

Vielen Dank für das Interview.

 

Programmseite von Wadim Rosenstein...

Bundesskongress 2023...

Haushaltszahlen deutlich schlechter als erwartet...

Ullrich Krause wird nicht zur Wiederwahl als DSB-Präsident antreten...

Schachgipfel abgesagt...

 


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