Was ist bei der FIDE los?

von ChessBase
08.11.2017 – 2018 findet die nächste Wahl des FIDE-Präsidenten statt. Das ist noch eine Weile hin, aber Fragen tauchen schon jetzt auf: tritt der amtierende Präsident Kirsan Ilyumzhinov noch einmal an? Hat er das Vertrauen der Delegierten? Und was geschieht, wenn er gegen die Wünsche der Delegierten handelt? Dylan McClain macht sich Gedanken über die aktuelle Situation.

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Ein unberechenbarer Präsident

Letzten Monat hat sich der Vorstand des Weltschachverbands im türkischen Antalya getroffen und mit 37-20 für die Empfehlung gestimmt, dass Kirsan Ilyumzhinov, der Präsident des Verbands, 2018 nicht noch einmal antritt, um sich wiederwählen zu lassen. Das schien das Ende der Amtszeit des Mannes zu sein, der den Verband seit 1995 geführt hat.
 
Wirklich? Das Abstimmungsergebnis wies darauf hin, dass Kirsan Ilyumzhinov bei den Delegierten viel von der Unterstützung verloren hat, die er braucht, um für eine weitere Amtszeit gewählt zu werden. Aber die Abstimmung war unverbindlich und ließ viele Fragen unbeantwortet. Zum Beispiel: Warum war die Abstimmung unverbindlich? Hat der Verband die Macht, jemanden daran zu hindern, sich um das Amt zu bewerben? Und sollte Kirsan Ilyumzhinov sich noch einmal auf das Amt des Präsidenten bewerben, und diese Wahl gewinnen, was, wenn überhaupt, könnte und würde der Vorstand dann tun?

FIDE Congress

Letzten Monat fand in Antalya der 88. FIDE-Kongress statt | Foto: FIDE

Leider blieben Versuche, Georgios Makropoulos, den Vize-Präsidenten des Verbands, zu bitten, diese und andere Fragen zu beantworten, ohne Erfolg, da Makropoulos auf wiederholte Fragen, ob er zu einem Telefoninterview bereit wäre, nicht antwortete und auch auf Fragen, die per Email an ihn gerichtet wurden, nicht reagierte.
 
Kirsan Ilyumzhinov hat das Präsidentenamt des Präsidenten seit mehr als zwei Jahrzehnten fest im Griff. Er wurde insgesamt sechs Mal problemlos wiedergewählt, und das trotz engagierter Herausforderungen. 2006 gewann Ilyumzhinov gegen Bessel Kok, einen holländischen Geschäftsmann, 2010 und 2014 gab er erst Ex-Weltmeister Anatoly Karpov und dann Ex-Weltmeister Garry Kasparov das Nachsehen.
 
Aber im November 2015 verhängte die US-Regierung Sanktionen gegen Ilyumzhinov, und warf ihm vor, die syrische Regierung unter Bashar al-Assad unterstützt und gefördert zu haben, indem er Transaktionen über die russische Financial Alliance Bank abgewickelt und gewaschen hätte, eine Bank, die, so die amerikanische Regierung, von Ilyumzhinov kontrolliert wird.
 
Zwei Wochen später erklärte Ilyumzhinov seinen zeitweiligen Rücktritt, weil er sich gegen die Sanktionen zu Wehr setzen wollte. Die gesamte Verantwortung des Präsidentenamts übertrug Ilyumzhinov dabei auf Makropoulos. Was genau das bedeutete, erwies sich allerdings als unklar.
 
Beim Weltmeisterschaftskampf zwischen Magnus Carlsen und Sergey Karjakin in New York im November 2016 war Ilyumzhinov nicht dabei, aber der Grund dafür waren die Sanktionen, die ihm Reisen in die USA untersagten. In jeder anderen Hinsicht schien er jedoch genau so weiter zu machen wie vor der Verhängung der Sanktionen. Bei der Frauenweltmeisterschaft in Teheran war er dabei und eröffnete die Feierlichkeiten im Februar 2017. Und als Tan Zhongyi im April den Titel gewann, überreichte ihr Ilyumzhinov ihr die Siegestrophäe. Außerdem unternahm er weiter ausgedehnte Reisen, um seine Aufgaben "als Präsident"zu erfüllen.
 
Da Makropoulos auf die ihm vorgelegten Fragen nicht geantwortet hat, ist es nicht möglich, zu sagen, welche Aufgaben er als amtierender Präsident übernommen und welche Aufgaben Ilyumzhinov abgegeben hat. Eine an Ilyumzhinovs Büro in Moskau gesandte Email mit der Bitte um ein Interview und/oder Antworten auf diese Fragen blieb ohne Antwort.

FIDE congress executives

Von links nach rechts: Geschäftsführender Direktor Nigel Freeman, Vize-Präsident Georgios Makropoulos, Präsident Kirsan Ilyumzhinov | Foto: FIDE

Letzten März verkündete die FIDE plötzlich, dass Ilyumzhinov zurückgetreten wäre, eine Verlautbarung, der Ilyumzhinov jedoch schnell widersprach. Im April folgte in Athen ein außerordentliches Vorstandstreffen, auf dem der Vorstand den zuvor gefassten Entschluss, Makropoulos die Aufgaben Ilyumzhinovs zu übertragen, noch einmal bestätigte. Zugleich rügte das Gremium Ilyumzhinov öffentlich für Erklärungen, in denen er den Vorstand kritisiert hatte, und in denen er erneut die Kontrolle über den Verband zu übernehmen schien.
 
Das war die Situation vor dem Vorstandstreffen in der Türkei, das vor kurzem stattgefunden hat.
 
Seit Jahrzehnten wird die FIDE von Korruptionsvorwürfen verfolgt, was zum Teil an der Undurchsichtigkeit liegt, mit der sie ihre Geschäfte abwickelt, aber auch an der Art, wie sie ihre Wahlen durchführt. Das kürzliche Treffen in der Türkei führte leider nicht zu Klarheit über den Status von Ilyumzhinov und gab auch keine Antwort auf die Frage, wer den Verband führen könnte, wenn Ilyumzhinovs Amtszeit 2018 zu Ende geht, und er sich nicht zur Wiederwahl stellen will oder kann.
 
Und die Weigerung oder der Unwillen von Makropoulos, der zur Zeit verantwortlicher Kopf des Verbandes zu sein scheint, Fragen zu beantworten, macht es schwer, herauszufinden, was vor sich geht. Vielleicht hat er vor, die Nachfolge von Ilyumzhinov anzutreten. Sollte das so sein, dann scheint er die Fußstapfen von Ilyumzhinov und Florencio Campomanes, dem Vorgänger Ilyumzhinovs zu treten, und undurchsichtig und unempfänglich für Fragen danach zu sein, was in der FIDE geschieht.

Übersetzung aus dem Englischen: Johannes Fischer


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