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Die dritte Partie hatte gezeigt, dass selbst ein so erfahrener Spieler wie Sergey Karjakin in einer scheinbar harmlosen Stellung unter Druck geraten kann. Seine Wunsch nach Gegenspiel und seine ‘aktive’ Verteidigung führten ihn dann an den Rand einer Niederlage. Doch Schritt für Schritt brachte er das Schiff seiner Partie wieder auf Kurs und steuerte es gegen alle Widerstände Carlsens in den Remishafen.
Nach einer solchen Partie fragt man sich: wer gewinnt durch das Remis? Wer hat besser gespielt? Und je nach Sicht der Dinge fielen die Antworten unterschiedlich aus. Um so mehr nach der vierten Partie, der bislang spannendsten und aufregendsten Begegnung des Wettkampfs.
Karjakin bringt seine Figuren in Stellung
Die vierte Partie begann wie Partie zwei: Sergey Karjakin spielte mit Weiß und lud Carlsen zu einer Berliner Verteidigung ein, aber Carlsen hatte keine Angst, klassisches Spanisch zu spielen, immerhin eine Eröffnung, in der Karpov in seinen WM-Kämpfen gegen Kasparov in den 80ern und 90ern schwere Niederlagen erlitten hatte. Allerdings verzichtete der Weltmeister darauf, sich mit frühem ...d6 festzulegen und hielt sich so die Möglichkeit offen, zum Marshall-Gambit zu greifen. Doch Karjakin wollte gar nicht wissen, ob Carlsen wirklich das Marshall-Gambit spielen würde und entschied sich in beiden Partien für ein Anti-Marshall-System, wobei er in Partie vier allerdings eine andere Variante wählte als in Partie zwei.
Von den Top-Spielern greift vor allem Levon Aronian mit Schwarz gerne zum Marshall-Gambit und er hat damit bereits eine Reihe bemerkenswerter Siege erzielt. Allerdings setzt Aronian diese theoretisch ausführlich erforschte Variante vor allem ein, wenn er mit Schwarz mit Remis zufrieden ist. Ob Carlsen ähnliche Ideen und Ziele hat, weiß man nicht, aber vielleicht gibt der weitere Verlauf des Wettkampfs eine Antwort auf diese Frage.
Karjakin - Carlsen (New York 2016, Partie vier)
Stellung vor 18.Lxh6!?
Die Partie hatte gerade begonnen, als Karjakin in der im Diagramm gezeigten Stellung das verlockende 18.Lxh6 spielte, was zu scharfen Varianten führte, die Karjakin vor dem Zug berechnen musste. In der Pressekonferenz nach der Partie meinte er mit einem Schuss Ironie, er hätte seinen Zug zunächst für "brilliant" gehalten, ihn dann aber schnell bedauert, da 18.Lxh6 Verwicklungen heraufbeschwor, in denen sich Karjakin nicht zurechtfand. Der Zug selber war nicht falsch, aber er hatte Folgen, die Karjakin nicht vorhergesehen hatte. Der Herausforderer geriet in Panik und machte bald darauf einen wirklichen Fehler.
Nun kam es zu einem wirklichen epischen Duell. Viele (unter anderem der Autor dieser Zeilen) waren der Meinung, Carlsen würde in dieser Partie den ersten Sieg im Wettkampf erzielen, aber Karjakin bewies einmal mehr, wie gut er verteidigen kann, und parierte alle Gewinnversuche Carlsens, der hartnäckig nach Möglichkeiten suchte, die Partie für sich zu entscheiden.
Daniel Lucas, Redakteur des Chess Life Magazins, war beeindruckt von der
Energie, die die jungen Spieler auch nach sechs oder sieben Stunden
Spielzeit noch ans Brett brachten.
Als sich die Partie ihrem Höhepunkt näherte und es zum Endspiel kam, waren sich die vielen Journalisten und Fans, die sich um die Bretter im Café-Bereich geschart hatten, um die Partie zu analysieren, nicht einig, ob Carlsen gewinnen oder Karjakin Remis halten konnte. Die Engines waren keine Hilfe. Sie zeigten zwar kontinuierlich eine Bewertung von -2 und damit klaren Vorteil für Carlsen, verrieten aber nicht, wie Schwarz gewinnen konnte.
Ulrich Stock (links) und Stefan Löffler analysieren die Partie.
Auch IM Javier Ochoa de Echagüen Estibález, der Präsident des Spanischen Schachverbands
wollte wissen, ob Carlsen gewinnen kann.
Sergey Karjakin - Magnus Carlsen (Anmerkungen von GM Dorian Rogozenco)
Doch Carlsen konnte nicht gewinnen und musste schließlich ins Remis einwilligen. Kurz darauf erschien er mit finsterem Blick bei der Pressekonferenz, augenscheinlich immer noch mit der Frage beschäftigt, ob und wann er einen Gewinn ausgelassen hatte. Die Analyse der Partie war faszinierend und auch da zeigten die Spieler Emotionen.
Dieses Bild ist ein Spiegelbild der Pressekonferenz nach der dritten Partie
Mit einem Hauch von Übermut, so als wollte er Gedanken an verpasste Chancen verscheuchen, erklärte Carlsen, dass er nicht an Festungen glaube, und dass Anand, immer wenn er in den WM-Kämpfen gegen ihn, in Schwierigkeiten geraten war, sofort versucht hatte, eine Festung aufzubauen. Allerdings hätte er, Carlsen, ein Talent, diese Festungen zu knacken. Aber in Anbetracht der gerade gespielten Partie fügte er sogleich hinzu, er hätte Karjakins Plan nicht einmal in Betracht gezogen. Und natürlich hatte Karjakin in der Partie eine Festung errichtet, die nicht zu knacken war.
Carlsen machte keine Ausflüchte, sondern gab zu, Karjakins Idee
eine Festung zu errichten, einfach nicht gesehen zu haben.
Vier Partien, vier Remis. In den letzten beiden Partien scheint Carlsen klare Gewinnstellungen gehabt zu haben. Wer profitiert im Wettkampf am meisten davon? Carlsen hat die beiden Partien verständlicherweise in seinem Sinne interpretiert und erklärt, dass es immer besser ist, anzugreifen. Nigel Short twitterte eine ähnliche Sicht der Dinge:
@UlrikSvensson Magnus will be irked at spoiling a great position in game 4. But it is better to hit the crossbar than to defend desperately.
— Nigel Short (@nigelshortchess) November 16, 2016
Allerdings sah Carlsen, der fast die gesamte Pressekonferenz über ein finsteres Gesicht machte, nicht wie ein Beinah-Sieger aus. Da verriet Sergey Karjakins breites Lächeln schon mehr über den Verlauf der Partie. Als er gefragt wurde, wie es sich anfühlt, zwei fast verlorene Partien noch Remis gehalten zu haben, antwortete er mit breitem Lächeln: “Phantastisch!”
Fotografen bei der Arbeit
Nach der Pressekonferenz ging ich auf der Suche nach einem schmackhaften, aber dennoch nicht allzu teuren, Abendessen zusammen mit Pia Petersen und IM Stefan Loeffler nach Chinatown.
Während des Ruhetags nach der zweiten Partie hatte ich einen wunderbaren Nachmittag in Chinatown verbracht: das Wetter war angenehm gewesen, die vielen Shops faszinierend und überall wurde Essen angeboten.
Geometrische Motive
Wandmalereien wie diese sieht man in der ganzen Stadt.
Immer wieder werden einem einem kostenlose Zeitschriften angeboten, zum Beispiel The Village Voice
Hier gibt es Tintenfisch-Teigtaschen
Von Experten zubereitet...
... und mit Sauce und mit Fischschuppen serviert! Klingt seltsam, schmeckt aber lecker.
Vor vielen der Restaurants bilden sich lange Schlangen - so gut ist das Angebot.
Auch die Auswahl in den Geschäften ist groß, aber für Nicht-Chinesen ungewöhnlich:
hier zum Beispiel werden getrocknete Seegurken angeboten.
Mittlerweile war es spät geworden und viele Restaurants hatten bereits geschlossen, aber schließlich wurden wir doch fündig. Allerdings in einem ungewöhnlichen Lokal: Kellner in hellblauen Westen verteilten Stifte, die in hellem Orange leuchteten, und verkauften T-Shirts, auf denen man lediglich Name und Telefonnummer des Restaurants sah. Die Wände waren mit Aufklebern, Anstecknadeln und Dollar-Noten gepflastert. Wirklich seltsam, aber das Essen war gut und sehr preiswert.
Ein spätes Abendessen mit Stefan Loeffler und Pia Petersen