Wer gewinnt das Kandidatenturnier 2024?

von Johannes Fischer
22.03.2024 – Am 3. April beginnt in Toronto, Kanada, das wichtigste Turnier des Jahres: das Kandidatenturnier. Acht Teilnehmer, 14 Runden, der Sieger spielt um die Weltmeisterschaft. Zwei der acht Teilnehmer haben schon ein oder mehrere Kandidatenturniere gewonnen, vier haben schon ein oder mehrere Kandidatenturniere gespielt, der jüngste Kandidat ist 17, der älteste 36 Jahre alt. Aber wer wird gewinnen? | Fotos: Turnierseite

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"Prognosen sind schwierig, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen", lautet ein bekanntes Bonmot, das so unterschiedlichen Persönlichkeiten wie dem Autor George Bernard Shaw, dem ehemaligen englischen Premierminister Winston Churchill, dem Physiker Nils Bohr oder dem amerikanischen Baseballspieler Yogi Berra zugeschrieben wird. Diese oft zitierte, scheinbar schlichte Weisheit gilt natürlich auch für Schachturniere, obwohl man dort mit Hilfe der Elo-Zahl immerhin einen nominellen Favoriten bestimmen kann.

Aber trotz aller Probleme mit Prognosen und der schwer vorhersehbaren Zukunft – es macht schlicht Spaß, über die möglichen Sieger kommender Sportereignisse zu spekulieren und solche Gedankenspiele bieten zudem einen guten Anlass, sich so auf diese Ereignisse einzustimmen. Deshalb folgt hier ein Überblick über die acht Teilnehmer des Kandidatenturniers in Toronto und ihrer Chancen, das Turnier zu gewinnen.

Geordnet ist die folgende Liste nach den Live-Ratings, die die Teilnehmer des Kandidatenturniers Ende März hatten, denn diese Zahlen dürften den Elo-Zahlen nahekommen, mit denen die Spieler Anfang April ins Turnier starten werden.

Kandidatenturnier 2024, Die Teilnehmer

Fabiano Caruana, Elo 2803,2

Elo-Favorit beim Kandidatenturnier ist Fabiano Caruana, die aktuelle Nummer 2 der Welt und neben Carlsen zur Zeit der einzige Spieler mit einer Elo-Zahl von über 2800. Aber nicht nur die Elo-Zahl spricht für Caruana. Der 31-jährige Amerikaner verfügt über eine enorme Erfahrung und spielt in Toronto bereits sein fünftes Kandidatenturnier. 2018 konnte er das Kandidatenturnier sogar gewinnen und durfte so im November 2018 gegen Carlsen um die Weltmeisterschaft spielen. In diesem WM-Kampf hatten sowohl Caruana als auch Carlsen mehr als einmal gute Gewinnchancen, aber dennoch endeten alle 14 Partien des Wettkampfs, die mit klassischer Bedenkzeit gespielt wurden, am Ende mit Remis. Im anschließenden Schnellschach-Tiebreak setzte sich Carlsen jedoch klar mit 3-0 durch.

Trotzdem: Caruana weiß, wie man ein Kandidatenturnier gewinnt, und er weiß, dass er ein Kandidatenturnier gewinnen kann. Außerdem blickt er auf ein sehr erfolgreiches Jahr 2023 zurück, in dem er von Erfolg zu Erfolg geeilt ist. Im Mai gewann er das Superbet Chess Classic Turnier in Bukarest und beim World Cup, der im August zu Ende ging, wurde er Dritter – allerdings verlor er im Halbfinale gegen Praggnanandhaa, der in Toronto auch dabei ist. Doch im weiteren Verlauf des Jahres 2023 gewann Caruana dann noch die US-Meisterschaft, den Sinquefield Cup und die Grand Chess Tour.

Mit anderen Worten: Der Trend spricht für Caruana, und wenn es ihm gelingt, die gute Form zu bewahren, die er 2023 gezeigt hat, dann hat er gute Chancen, das Kandidatenturnier ein zweites Mal zu gewinnen und ein zweites Mal um die Weltmeisterschaft zu spielen.

Und noch etwas spricht für Caruana: Wie er selbst eingeräumt hat, hat ihn seine Niederlage gegen Carlsen im WM-Kampf 2018 in eine Krise gestürzt. Die scheint er überwunden zu haben und in den zahlreichen Interviews und in dem Podcast C-Squared, den er zusammen mit seinem Sekundaten Cristian Chirila betreibt, macht er stets einen ruhigen, souveränen und selbstbewussten Eindruck. Diese psychische Stabilität könnte ihm beim Kandidatenturnier in entscheidenden Momenten einen Vorteil verschaffen.

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Hikaru Nakamura, Elo 2789

Psychisch sehr stabil wirkt auch Hikaru Nakamura, die Nummer 2 der Setzliste und mit 36 Jahren der älteste Teilnehmer des Turniers. Wie er in Interviews gerne betont, sieht sich Nakamura nicht mehr als Schachprofi, der sein Geld mit Turnieren verdient, sondern als Schachstreamer. Da ist Nakamura äußerst erfolgreich. Sein Stream GMHikaru kommt bei YouTube aktuell (März 2024) auf 2,27 Millionen Abonnenten und erfreut sich ungebrochener Popularität.

Durch seine Einnahmen als Streamer ist Nakamura nicht mehr auf gute Turnierergebnisse angewiesen und kann so, wie er selbst sagt, in den wenigen Turnieren mit klassischer Bedenkzeit, an denen er teilnimmt, befreit und unbeschwert aufspielen. Diese entspannte Haltung führte 2023 zu einer Reihe von Erfolgen. Nakamura gewann das Norway Chess Turnier und wurde beim Grand Swiss Turnier Zweiter und steigerte seine Elo-Zahl von 2768 im Januar 2023 auf 2789 im März 2024.

Außerdem verfügt Nakamura natürlich über viel Erfahrung. Er wurde 2003 im Alter von 15 Jahren und 79 Tagen Großmeister und brach damit den Rekord von Bobby Fischer als jüngster amerikanischer Großmeister aller Zeiten. 2010 schaffte Nakamura zum ersten Mal den Sprung in die Top Ten und seitdem hat er zahlreiche Spitzenturniere gespielt und gewonnen.

Dazu gilt Nakamura als ausgesprochener Blitz- und Bulletspezialist und in Hunderttausenden von Online-Blitz-Partien hat er das Spielen unter Stress geübt. Doch trotz der enormen Menge an Online-Partien, die er bereits gespielt hat, scheint er in jeder neuen Blitzpartie mit Feuereifer dabei zu sein und wirkt hoch motiviert. Dieser Siegeswille und diese Leidenschaft könnten ihm auch in Toronto zum Erfolg verhelfen. Darüber hinaus gilt Nakamura als einer der zähesten und hartnäckigsten Verteidiger der Welt, und diese defensiven Fähigkeiten könnten dem Amerikaner in Toronto helfen, wenn sich in der einen oder anderen Partie zeigen sollte, dass er durch seine Arbeit als Streamer theoretisch doch nicht ganz so gut vorbereitet ist wie seine Konkurrenten.

Toronto ist Nakamuras drittes Kandidatenturnier. Bei seinem Debüt 2016 in Moskau landete er auf einem enttäuschenden 7. Platz, beim zweiten Anlauf, beim Kandidatenturnier 2022 in Madrid, wurde er Vierter. Aber hätte er dort in der letzten Runde gegen Ding Liren gewonnen oder Remis gespielt, wäre er – und nicht Ding – in Madrid Zweiter geworden und hätte gegen Ian Nepomniachtchi, den Sieger des Kandidatenturniers 2022, um die Weltmeisterschaft gespielt, da Carlsen bekanntlich auf die Verteidigung seines Titels verzichtet hat.

Als Nummer zwei der Setzliste hat Nakamura schon rein nominell gute Chancen, in Toronto zu gewinnen. Dass er sich selbst vor allem als Streamer sieht, hat er beim Kandidatenturnier in Madrid 2022 gezeigt, wo er alle 14 Partien – "win or lose" – nach der jeweiligen Runde auf seinem Streaming-Kanal kommentiert und damit für ein Highlight des Turniers und auch der Schachkommentierung gesorgt hat. Vielleicht streamt Nakamura auch in Toronto, und dann wird sich zeigen, ob seine Doppelrolle als Kandidat und Streamer ihn beflügelt oder in diesem wichtigen Turnier eine Belastung ist.

Alireza Firouzja, Elo 2760

Alireza Firouzja gilt als eines der größten Schachtalente der letzten Jahre. Er wurde am 18. Juni 2003 in Babol im Iran geboren und mit 12 Jahren bereits Iranischer Meister. Mit 14 wurde er Großmeister, und im Alter von 18 Jahren und 166 Tagen übersprang als jüngster Spieler aller Zeiten die Marke von 2800 Elo und brach damit den Rekord von Magnus Carlsen, der das im Alter von 18 Jahren und 336 Tagen geschafft hatte.

2019 verließ Firouzja mit seiner Familie den Iran und ließ sich in Frankreich nieder, und seit Juli 2021 spielt er für Frankreich und ist französischer Staatsbürger. 2021 war auch schachlich ein gutes Jahr für Firouzja: Im November 2021 gewann er das Grand Swiss Turnier mit 8 aus 11 und qualifizierte sich mit diesem Sieg für das Kandidatenturnier 2022. Gleich im Anschluss beeindruckte Firouzja auch bei der Mannschaftseuropameisterschaft: Er holte am Spitzenbrett 8 Punkte aus 9 Partien (+8, =2) und verhalf Frankreich damit zur Silbermedaille bei dieser Mannschaftseuropameisterschaft – Gold ging an die Ukraine. Zugleich katapultierte sich Firouzja mit diesen zwei Spitzenergebnissen in Folge auf Platz 2 der Weltrangliste, wo er sich von Dezember 2021 bis April 2022 halten konnte.

Beim Kandidatenturnier 2022 ging Firouzja so als einer der Favoriten ins Rennen, aber das Turnier verlief enttäuschend für den jungen Großmeister: Mit 6 Punkten aus 14 Partien landete Firouzja auf dem 6. Platz und war weit von der Form entfernt, die er beim Grand Swiss und bei der Mannschaftseuropameisterschaft gezeigt hatte.

Von November 2022 bis Mai 2023 machte Firouzja dann eine Pause vom klassischen Schach und spielte sieben Monate in Folge keine einzige Elo-gewertete Partie, was Spekulationen über den schachlichen Ehrgeiz und die weitere Schachkarriere von Firouzja auslöste. Spekulationen, die durch die Meldung, dass er seit Mai 2023 Modedesign in Paris studiert, noch verstärkt wurden.

Aber Ende des Jahres 2023 räumte Firouzja eventuelle Zweifel an seinem Ehrgeiz aus. Um sich mit Hilfe der Elo-Zahl für das Kandidatenturnier 2024 zu qualifizieren, spielte Firouzja im Dezember in einem eigens für ihn organisierten Turnier gegen vier Spieler mit vergleichsweise niedriger Elo-Zahl, um so durch vermeintlich "leichte" Siege Elo-Punkte zu gewinnen und damit an Wesley So, der zu diesem Zeitpunkt in der Weltrangliste vor ihm lag, doch noch vorbeizuziehen. Diese dubiose Methode, Elo-Punkte zu gewinnen, sorgte für Kontroversen in der Schachwelt, und die FIDE drohte Firouzja, die in diesem Turnier gewonnenen Punkte abzuerkennen. Doch Firouzja gab nicht auf: Statt an der Schnellschach- und Blitzweltmeisterschaft in Samarkand teilzunehmen, spielte er am Jahresende 2023 ein kleines, relativ schwach besetztes Open in Rouen mit, um dort die Elo-Punkte zu gewinnen, die er brauchte, um sich für das Kandidatenturnier zu qualifizieren. Mit Erfolg: Firouzja gewann das Turnier mit 7 aus 7 und sicherte sich so in buchstäblich letzter Minute die Qualifikation für das Kandidatenturnier 2024.

Wenn Firouzja in Toronto seine Bestform findet und die Fehler vermeidet, die er beim Kandidatenturnier 2022 gemacht hat, dann könnte er das Kandidatenturnier 2024 gewinnen. Er verfügt über die nötige Erfahrung, die nötige Spielstärke und offensichtlich auch über die nötige Motivation.

Ian Nepomniachtchi, Elo 2758

Ian Nepomniachtchi gilt als Spieler, der besonders gut spielt, wenn er einen Lauf hat. Bei Kandidatenturnieren hat der 33-jährige Russe einen Lauf: Im April 2021 gewann er in Jekaterinburg das Kandidatenturnier, das wegen der Covid-Pandemie in zwei Teile geteilt worden war und im März 2020 begonnen hatte. Nach diesem Sieg spielte Nepomniachtchi noch im gleichen Jahr, im November und Dezember 2021, gegen Carlsen um die Weltmeisterschaft. Die ersten fünf Partien des Wettkampfs waren ein Kampf auf Augenhöhe, doch dann verlor Nepomniachtchi die dramatische sechste Partie in einem schwierigen Endspiel. Es war die längste Partie, die je bei Weltmeisterschaften gespielt worden war und von dieser bitteren Niederlage erholte sich "Nepo" im weiteren Verlauf des Wettkampfs nicht mehr. In den folgenden fünf Partien unterliefen ihm eine Reihe von einfachen Fehlern, die ihm drei bittere Niederlagen bescherten. In zwei Partien gelang ihm ein Unentschieden, aber dennoch endete der Wettkampf nach nur elf Partien mit 7,5-3,5 vorzeitig zu Gunsten von Carlsen.

Doch beim nächsten Kandidatenturnier in Madrid 2022 präsentierte sich "Nepo" wieder in bestechender Form und gewann ungeschlagen mit 9,5 aus 14. Damit lag er am Ende ganze 1,5 Punkte vor Ding Liren, der als Zweiter des Turniers gegen Nepomniachtchi um die Weltmeisterschaft spielen durfte, da Carlsen auf die Verteidigung seines Titels verzichtet hatte.

Der WM-Kampf zwischen Ding und Nepomniachtchi verlief dramatisch: Drei Mal ging Nepomniachtchi in Führung, drei Mal konnte Ding ausgleichen, bis es nach 14 Partien schließlich 7-7 stand und der neue Weltmeister in einem Tiebreak-Wettkampf über vier Partien ermittelt werden musste. Den gewann Ding denkbar knapp mit 2,5-1,5 und wurde damit Nachfolger von Carlsen und der 17. Weltmeister der Schachgeschichte.

2023 hat Nepomniachtchi nicht viel gespielt und keine nennenswerten Erfolge bei großen Turnier erzielt, allerdings von Januar 2023 bis März 2024 35 Elo-Punkte eingebüßt (im Januar 2023 lag er mit einer Zahl von 2793 knapp unter der Marke von 2800, im März war er mit einer Zahl von 2758 weit davon entfernt). Doch als Verlierer des WM-Kampfes 2022 war Nepomniachtchi automatisch für das Kandidatenturnier qualifiziert. Ob er in Toronto erneut zur alten Form auflaufen und seine Siegesserie bei Kandidatenturnieren fortsetzen kann, wird sich zeigen. Sollte Nepomniachtchi in Toronto gewinnen, wäre er der bislang einzige Spieler in der Geschichte des Schachs, der drei Kandidatenturniere gewinnen konnte.

Praggnanandhaa Rameshbabu, Elo 2747,1

Ganz anders als bei "Nepo" verlief die Elo-Entwicklung des 18-jährigen indischen Großmeisters Praggnanandhaa "Pragg" Rameshbabhu. Er begann das Jahr 2023 mit einer Zahl von 2684, aber eilte dann von Erfolg zu Erfolg und kommt in der Live-Liste im März auf 2747,1, Punkte, das entspricht einem Plus von 63 Punkten gegenüber Januar 2023. Wenn diese Aufwärtsentwicklung beim Kandidatenturnier anhält, dann könnte "Pragg" tatsächlich für eine Überraschung sorgen und der jüngste Spieler in der Geschichte des Schachs werden, der ein Kandidatenturnier gewinnt.

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Gukesh Dommaraju, Elo 2742,7

So jung "Pragg" auch ist, sein Landsmann Gukesh Dommaraju ist noch jünger und mit 17 Jahren der jüngste Teilnehmer des Kandidatenturniers. Er wurde am 29. Mai 2006 geboren und wird einen Monat nach Ende des Kandidatenturniers am 22. April seinen 18. Geburtstag feiern. Dennoch ist Gukesh nicht der jüngste Kandidat aller Zeiten. Rekordhalter ist hier einmal mehr Carlsen, der sich kurz nach seinem 15. Geburtstag am 30. November durch einen zehnten Platz beim World Cup im Dezember 2005 für die Kandidatenwettkämpfe qualifizieren konnte. Zweitältester Kandidat aller Zeiten ist Bobby Fischer, der 15 Jahre und 6 Monate alt war, als er sich durch einen 6. Platz beim Interzonenturnier in Portoroz für das Kandidatenturnier 1959 qualifizierte.

Wie Praggnanandhaa hat auch Gukesh ein erfolgreiches Jahr 2023 hinter sich und konnte einen Elo-Zuwachs verbuchen, der allerdings geringer ausfiel als der seines Landsmannes. Gukesh begann das Jahr 2023 mit einer Elo-Zahl von 2725, sein aktuelles Live-Rating liegt bei 2742,7. Nach dem World Cup 2023 konnte Gukesh sogar die Hürde von 2750 überspringen und wurde damit der jüngste Spieler aller Zeiten, dem das gelang.

Nun könnte man meinen, der 18-jährige Praggnanandhaa und der 17-jährige Gukesh seien beide eigentlich noch zu jung, um ein Kandidatenturnier zu gewinnen. Allerdings werden talentierte Schachspieler in den letzten Jahren immer früher Großmeister und so könnte es sein, dass auch die Sieger der Kandidatenturniere immer jünger werden.

Mikhail Tal gewann das Kandidatenturnier 1959 in Portoroz im Alter von 22 Jahren und Garry Kasparov war 21 Jahre alt, als er im Finale der Kandidatenwettkämpfe 1984 10. März 1984 zur ersten Partie gegen den 63-jährigen Vassily Smyslov antrat, den er mit 8,5-4,5 klar besiegen konnte. Zwei lange Weltmeisterschaftskämpfe gegen Anatoly Karpov später wurde Kasparov dann 1985 im Alter von 22 Jahren und 6 Monaten der jüngste Weltmeister aller Zeiten.

Wie die anderen Spieler beim Kandidatenturnier verfügt Gukesh über das Talent, die Motivation und letztendlich auch schon über die nötige Erfahrung, um das Turnier zu gewinnen. Und zu welchen Leistungen er bereits fähig ist, zeigte er unter anderem bei der Schacholympiade 2022 in Chennai, wo er an Brett 1 mit 8 aus 8 startete und das Turnier schließlich mit 9 aus 11 und einer Elo-Performance von 2867 beendete.

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Vidit Gujrathi, Elo 2727,1

Der am 24. Oktober 1994 geborene Vidit Gujrathi ist der dritte Inder im Kandidatenturnier, allerdings mehr als zehn Jahre älter als Praggnanandhaa und Gukesh. Mit einem aktuellen (Mitte März) Live-Rating von 2727,1 liegt er auf Platz 7 der Setzliste und hat damit nominell nur Außenseiterchancen in Toronto. Außerdem zeigte sich Vidit bei seinem letzten Auftritt vor dem Kandidatenturnier, dem Schachfestival in Prag, völlig außer Form: Mit 3 aus 9 landete er auf dem zehnten und letzten Platz. Seine indischen Rivalen schnitten besser ab: Praggnanandhaa landete in Prag mit 5 aus 9 auf dem geteilten zweiten bis vierten Platz, 1,5 Punkte hinter Turniersieger Nodirbek Abdusattorov, und Gukesh holte 4,5 aus 9 und teilte sich mit Richard Rapport und David Navara die Plätze 5 bis 7.

Allerdings weiß man vom Theater, dass eine schlechte Generalprobe ein gutes Omen für die Premiere ist. Wie das in der Praxis funktioniert, hat Vidit beim Grand Swiss Turnier 2023 gezeigt, in dem er sich für das Kandidatenturnier qualifiziert hat: Er startete mit einer Niederlage in der ersten Runde ins Turnier, aber holte dann aus den nächsten zehn Partien 7 Siege und 3 Remis und gewann das Turnier souverän mit 8,5/11.

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The Indian chess grandmaster Vidit Gujrathi with an ELO of over 2700 (June 2023) is one of the best 20 players in the world. For the first time, the sympathetic top player presents himself in a video course. Let a world-class player show you tactical moti

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Nijat Abasov, Elo 2632

Absoluter Außenseiter im Feld ist der 1995 geborene aserbaidschanische Großmeister Nijat Abasov, mit einer Elo-Zahl von 2632 zur Zeit auf Rang 110 der Weltrangliste. Beim World Cup 2023 startete Abasov auf Platz 69 der Setzliste, aber wurde überraschend Vierter und kam ins Kandidatenturnier, weil World Cup Sieger Carlsen nicht im Kandidatenturnier antreten wollte. Nach dem World Cup kam Abasov auf eine Zahl von 2679, aber seitdem hat er 47 Elo-Punkte eingebüßt und nicht nur das deutet darauf hin, dass er in Toronto einen schweren Stand haben wird.

Fazit:

Schaut man sich die zahlreichen Erfolge der diesjährigen Kandidaten an, so kann man sagen, dass sieben der acht Teilnehmer des Kandidatenturniers in Toronto mehr oder weniger gute Chancen haben, das Turnier zu gewinnen. Nach Elo-Zahl und Erfahrung ist Caruana Favorit, aber natürlich gewinnt bei so starken, ausgeglichenen und prestigeträchtigen Turnieren nicht immer der Elo-Favorit. Viel hängt von der Tagesform, der psychischen Stabilität, dem Start ins Turnier und nicht zuletzt einem Quäntchen Glück ab. In Bezug auf psychische Stabilität könnten Nakamura, und vielleicht auch der durch regelmäßige Meditation gestärkte Vidit Vorteile haben. Und was die drei jüngsten Spieler im Feld betrifft – Gukesh, Praggnanandhaa und Firouzja – so könnten alle drei mit ein wenig Glück und dem Schwung und der Zuversicht der Jugend das Turnier für sich entscheiden. Aber wie oben erwähnt, haben solche Prognosen alle ihre Tücken. Sicher scheint jedoch zu sein, dass das Kandidatenturnier 2024 spannend, kämpferisch und ein Schachfest werden wird.

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Johannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".