Auf dem Gruppenbild des Turniers "London International Chess Tournament 1899":
Stehend, v.l. Dawid Janowsky, Géza Maróczy, Francis J. Lee, Junius L. Cope, J. Walter Russell, Samuel Tinsley, Herbert W. Trenchard, Wilhelm Cohn. Sitzend, v.l.: Henry E. Bird, Emanuel Lasker, Mikhail Chigorin, Joseph H. Blackburne, und Carl Schlechter. Quelle: www.chessarch.com
Ein vergessener Berliner Meister: Wilhelm Cohn
Der Name von Wilhelm Cohn ist selbst historisch besser informierten Schachfreunden heute wohl kaum noch ein Begriff. Er wurde am 6. Februar 1859 in Berlin geboren, also heute vor 160 Jahren. Der Familienname Cohn ist jüdischen Ursprungs, weit verbreitet und geht ursprünglich auf die Bezeichnung für ein Priesteramt zurück. Eine Verwandtschaft mit dem anderen Berliner Meister gleichen Namens, Erich Cohn, gab es vermutlich nicht.
Über den Lebenslauf von Wilfried Cohn ist praktisch bekannt, aber er taucht zum Ausgang des 19. Jahrhundert regelmäßig als Teilnehmer von Turnieren auf und lebte offenbar als Berufsspieler vom Schach. Cohn hatte allerdings ein schwaches Herz und hielt längere Turnier nicht gut durch.
Zu seinen ältesten überlieferten Partien gehört ein Wettkampf gegen den Berliner Meisterspieler Carl August Walbrodt, der unter anderem Vorsitzender des SV Centrum war, aus dem Jahr 1894. Cohn verlor diesen glatt mit 0:5.
Zwei Jahre später, 1896, gewann Wilhelm Cohn allerdings beim 10. DSB.-Kongress in Eisenach das Hauptturnier. Im folgenden Jahr nimmt er als einer von sechs Spielern am Meisterturniers des SV Centrum in Berlin teil und belegt hinter Curt von Bardeleben und Rudolf Charousek punktgleich mit Jacques Mieses den geteilten 3. Platz.
1897 hatte der Deutsche Schachbund auch seinen 10. DSB.-Kongress zur Ausrichtung nach Berlin, und zwar an die Berliner Schachgesellschaft vergeben. Anlass war deren 70ster Geburtstag. Das Turnier wurde im Haus des Architektenvereins (oder: Architektenhaus, Wilhelmstraße 92/93) ausgetragen und mit 20 Spielern begonnen. Curt von Bardeleben trat jedoch schon nach der ersten Runde zurück. Berthold Englisch spielte das Turnier ebenfalls nicht zu Ende und stieg nach der Hälfte der Partien aus.
Rudolf Charousek gewann mit einem halben Punkt Vorsprung vor Carl August Walbrodt (13) und Joseph Blackburne (12). Wilhelm Cohn wurde zusammen mit Szymon Winawer geteilter 13ter.
Beim 11. DSB-Kongress im Jahr darauf in Köln belegt Wilhelm Cohn sogar den 3. Platz, hinter Amos Burn, punktgleich mit Rudolf Charousek und Mikhail Chigorin, vor Spielern wie Wilhelm Steinitz und Carl Schlechter. Es ist Wilhelm Cohns größter persönlicher Erfolg bei einem Turnier.
1899 wird Wilhelm Cohn zum großen Internationalen Turnier nach London eingeladen. Der überlegene Sieger des doppelrundig gespielten Turniers wird Emanuel Lasker, mit 4,5 Punkten Vorsprung vor den punktgleichen Dawid Janowski, Henry Pillsbury und Geza Maroczy. Wilhem Cohn teilt den zehnten Platz mit Wilhelm Steinitz.
Gegen die in der Tabelle vor ihm platzierten Spieler kassiert Wilhelm Cohn viele Niederlagen, gegen Carl Schlechter gelingt ihm aber ein fein herausgespielter Sieg:
Die Begegnung mit dem Turniersieger Emanuel Lasker endet 0,5:1,5. In seiner Schwarzpartie stand Cohn besser und Lasker war mit dem Remis gut bedient.
Auf dem Gruppenbild (oben) sind nur einige der Spieler abgebildet, zudem drei an der Organisation beteiligte Schachfreunde. Herbert W. Trenchard, war "Schatzmeister" des Turniers, Junius L. Cope repräsentierte den British Chess Club, J. Walter Russell den London Chess Club. Diese beiden Clubs waren bei der Organisation des Turniers federführend.
In den folgenden Jahren ist Wilhelm Cohns Name noch beim 12. DSB-Kongress 1900 in München (6. Platz von 16 Spielern), beim 13. DSB-Kongress in Hannover 1902 (13. von 18 Teilnehmern) und beim B-Turnier in Barmen, 1905 (Dritter von 18) zu finden.
Im Laufe seiner Karriere traf Cohn viermal auf Henry Pillsbury. In London verlor er beide Partien gegen den US-amerikanischen Weltklassespieler. Pillsbury war auch einer der Teilnehmer beim 12. DSB-Kongress 1900 in München und gab dort Wilhelm Cohn erneut das Nachsehen. Als die beiden Schachmeister sich 1902 in Hannover zum dritten Mal begegneten, behielt Wilhelm Cohn die Oberhand.
1907 nimmt Wilhelm Cohn beim Jubiläumsturnier der Berliner Schachgesellschaft zum 80sten Geburtstag teil und landet dort im hinteren Mittelfeld (4,5 aus 11), zwei Plätze hinter seinem Namensvetter Erich Cohn. Im Mai 1907 spielte W. Cohn auch noch das große Internationale Turnier in Ostende mit. Nicht weniger als 29 Spieler nahmen daran teil und spielten im Modus jeder gegen jeden. Wilhelm Cohn holte 15 Punkte in den 28 Partien und wurde geteilter Zwölfter.
1908 wurde er Berliner Meister, zog sich aber dann vom Turnierschach zurück. Er gründete am Nollendorfplatz die "Berliner Schachakademie", gab Simultanvorstellungen und Schachunterricht.
Seine letzten Einträge in der Mega Datenbank stammen aus dem Jahren 1911 bis 1913, als er noch bei einigen Städtewettkämpfen mitspielte. Am 17. August 1913 starb Wilhelm Cohn, im Alter von 54 Jahren, infolge seiner Herzschwäche.
In seiner nachträglichen Berechnung der Spielstärke historischer Spieler ermittelte der Statistiker Jeff Sonas für Wilhelm Cohn einen Wert von 2645 im Jahr 1898 als höchste Zahl, was Platz 16 in der Welt entspricht.
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