Wettkampf Anand gegen Radjabov in Mainz

von ChessBase
03.08.2006 – Headliner der diejährigen Chess Classic in Mainz ist der gleichzeitig als Schnellschachweltmeisterschaft annoncierte Wettkampf zwischen Viswanathan Anand und Teimour Radjabov. Während Anand seit Jahren als bester Schnellschachspieler der Welt gilt und auch in der FIDE-Weltrangliste konstant oben zu finden ist, gilt der Aseri Radjabov als einer der kommenden Männer und möglicher zukünftiger Weltmeisters. Zu Zeit ist der 19-jährige bester Jugendlicher der Welt und hat außerdem schon die 2700er Marke überwunden. Tatsächlich könnte er schon im kommenden Jahr Weltmeister werden, denn das neue FIDE-Reglement erlaubt allen Spielern über Elo 2700 eine Herausforderung des amtierenden Weltmeisters. Zuvor muss Veselin Topalov allerdings seinen Titel im Wiedervereinigungswettkampf gegen Kramnik behaupten - ein nicht unerhebliche Hürde. In Mainz will Radjabov aber erst vom besten Schnellschachspieler der Welt lernen und diesem ein packendes Gefecht liefern. Die Zuschauer wird es ebenfalls freuen. Hartmut Metz führte ein Interview mit Teimour Radjabov. Zu den Chess Classic Mainz...Ich will Anand schlagen...

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"Ich will Anand schlagen“
Kämpferherz Radjabow zeigt seit Kindesbeinen an wenig Respekt vor großen Namen
Schnellschach-WM im August: Duell mit Inder in Mainz

Teimour Radjabow gilt als Schach-Wunderkind: Mit vier Jahren hat der Aserbaidschaner das königliche Spiel erlernt. Mit 12 gewann er als jüngster Teilnehmer die U18-Europameisterschaft und wurde im Alter von 14 Jahren und 14 Tagen Großmeister. Ein weiterer Paukenschlag war sein Sieg über den ebenfalls in Baku geborenen Weltranglistenersten Garri Kasparow beim Topturnier im spanischen Linares. 2004 kam Radjabow bei der WM des Schach-Weltverbandes FIDE in Tripolis bis ins Halbfinale. Der selbstbewusste 19-Jährige rückte in der neuesten Weltrangliste auf Platz elf vor. Bei den Chess Classic Mainz (CCM) vom 15. bis 20. August steht der Jungstar vor der nächsten großen Herausforderung seiner Karriere: Der  junge Unicef-Botschafter trifft in der GrenkeLeasing Rapid World Championship in acht Partien (17. bis 20. August, täglich um 18.30 und 20 Uhr) auf Schnellschach-Seriensieger Viswanathan Anand (Indien). Mit Radjabow unterhielt sich Hartmut Metz

Frage: Herr Radjabow, nach Ihrem Vorjahressieg im Ordix Open trugen Sie Chess-Classic-Organisator Hans-Walter Schmitt gleich Ihren sehnlichsten Wunsch vor, gegen Viswanathan Anand antreten zu dürfen.

Radjabow: Es ist für mich ein besonderes Match. Ich möchte gegen einen der absolut Besten meine Kräfte messen. Ich habe bisher nur 2002 einmal gegen Vishy in Dubai im Schnellschach gespielt. Da bin ich noch vor Ehrfurcht erstarrt. Ich war zu jung und voller Bewunderung. Ich glaubte, er sei überragend und superstark. In den vier Partien des vom Weltverband FIDE organisierten Grand Prix’ im Schnellschach lief es dann aber ganz gut. Ich bekam das Gefühl, dass ich doch eine Chance habe. Letztlich unterlag ich dennoch mit 1:3. Ich bin seitdem stärker geworden, Vishy hat jedoch auch sein Repertoire stark verändert. Es ist somit sehr schwer, sich auf ihn vorzubereiten.

Frage: Im Schnellschach gilt Anand als eine Klasse für sich.

Radjabow: Ich weiß. Er ist im Schnellschach der Beste und ein großer Spieler. Ich will mich aber nicht zu sehr damit beschäftigen, sondern einen harten Kampf bieten. Ich kümmere mich nicht um die Meriten meines Gegners. Ich will das Match gewinnen.

Frage: Sie haben nach Ihrem Sieg im Ordix Open im Vorjahr sogar angeboten, auf jegliche Antrittsgage zu verzichten, um die Chance gegen den weltbesten Schnellschachspieler zu erhalten. Sind Sie immer so begierig?

Radjabow: Schach ist mein Leben. Da halte ich es ganz mit dem viermal älteren Viktor Kortschnoi, von dem diese Aussage stammt. Ich kümmere mich nicht zu sehr um Geld. Wenn ich viel bekomme, fein. Wenn nicht, bin ich auch glücklich. Mein oberstes Ziel besteht darin, Weltmeister zu werden. Dem ordne ich alles unter.

Frage: Welche Chancen rechnen Sie sich gegen Anand aus?

Radjabow: Ich habe kein bestimmtes Resultat im Auge. Wir könnten sieben Remis schieben und in einer langen Partie das Duell auskämpfen. Dann wäre es knapp 4,5:3,5 für einen Spieler – aber das wäre dumm, für die Fans und auch für mich. Ich will kämpfen und anspruchsvolle und gute Partien spielen. Wenn ich alles gegeben habe und dann verliere, macht es mir nichts. Aber natürlich möchte ich Vishy schlagen.

Frage: Es scheint, dass Sie keine Furcht vor großen Namen haben. Bedingen das Erfolge wie Siege über Garri Kasparow in jungen Jahren?

Radjabow: Ich bin es von Kindesbeinen an gewohnt, gegen die Topspieler anzutreten. Seit ich 14 oder 15 bin, messe ich mich mit den Besten. Spätestens als ich Garri in Linares schlug, hielt mich jeder für einen aufsteigenden Stern. Es macht natürlich einen Unterschied aus, ob ich auf einen Gegner mit 2200 Elo oder einen mit 2800 wie Garri treffe und schlage – ich versuche aber, immer in jeder Partie alles zu geben.

Frage: Kasparow stammt wie Sie aus Baku. Ist er Ihr großes Vorbild?

Radjabow: Als Schachspieler kann man ihn nicht übergehen oder gar unterschätzen. Er hat die Schachwelt geprägt und zahllose Erfolge gefeiert.

Frage: Nach Bewunderung hört sich das aber nicht an.

Radjabow: Ich bewundere seinen Stil! Keine Frage, er ist ein großer Spieler. Meine Favoriten sind jedoch Michail Botwinnik, Anatoli Karpow und Bobby Fischer. Nicht zu vergessen Michail Tal! Er sticht aus der Menge hervor und war sehr wichtig für die Entwicklung des Schachs. Mit solch einem aggressiven Stil Weltmeister zu werden, ist außerordentlich. Ich liebe sein taktisches Vorgehen, die Motive, die er einbrachte.

Frage: Am liebsten würden Sie also im Stile eines Michail Tal spielen?

Radjabow: Ich kann nicht behaupten, einer bestimmten Stilrichtung anzugehören. Ich versuche mich den Stellungsgegebenheiten anzupassen. Wenn positionelles Spiel erforderlich ist, versuche ich das, wenn Taktik und Aggressivität verlangt wird, schreite ich damit zur Tat. Ich kämpfe immer, das schlägt sich in meiner Bilanz mit wenigen Unentschieden und mehr Siegen und Niederlagen nieder.

Frage: Während viele Großmeister mit Schwarz auf den halben Punkt erpicht sind, erinnere ich mich bei Ihnen an manch lebhafte Königsindisch-Partie …

Radjabow (lacht): Ja, stimmt. Mein Sieg über Weltmeister Wesselin Topalow beim diesjährigen Turnier in Morelia/Linares fällt auch unter diese Rubrik.

Frage: Da dürfen wir sicher ein paar weitere spektakuläre Königsindisch-Partien erwarten, wenn Sie im WM-Duell zweier schneidiger Kämpfer Topalow herausfordern.

Radjabow: Das sind natürlich Eröffnungsgeheimnisse. Aber zugegeben, ich bereite natürlich einiges für ihn vor.

Frage: Im nächsten Jahr knüpfen Sie sich nach Anand den nächsten Großen vor: Wesselin Topalow. Wie bewerten Sie Ihre Chancen auf einen Sieg über den FIDE-Weltmeister?

Radjabow: Auch hierbei gilt: Ich sorge mich nicht zu sehr um das Endergebnis, auch wenn mein Ziel lautet, irgendwann Weltmeister zu werden. Ich will neue Eröffnungsideen und taktische Motive zeigen, eine bestimmte Kreativität. Das zählt. Gelingt es mir, kann ich jeden Gegner in die Knie zwingen.

Frage: Wie kam es, dass in Aserbaidschan eine Million Dollar aufgetrieben wurde, um die Herausforderung des Weltmeisters zu ermöglichen? Die Schachwelt zeigte sich überrascht von der Offerte.

Radjabow: In meinem Heimatland mögen viele Schach, und das Interesse wächst weiter. Der Staatspräsident unterstützt jede Art von Sport. Das hilft natürlich. Auf die Idee mit dem WM-Match gegen Topalow verfiel unser Sportminister, der auch alle Verhandlungen führte. Ich will Weltranglistenerster werden und auch Weltmeister. Als die FIDE im Vorjahr die Titel-Regularien änderte, kam die Chance schneller als gedacht. Ich nehme die Herausforderung an. Und wenn ich verlieren sollte, was macht’s? Ich bin jung.

Frage: Ist Schach so populär in Ihrem Heimatland? Gibt es noch andere Sportarten, die die Fans ähnlich begeistern?

Radjabow: Fußball natürlich, auch wenn die momentan kein Weltklasseniveau haben. Im Ringen sieht das schon anders aus. Da besitzt Aserbaidschan einige Weltmeister bei den Herren und im Nachwuchsbereich.

Frage: Was passiert, wenn Topalow im Herbst beim Wiedervereinigungsmatch der Weltmeister gegen Wladimir Kramnik unterliegen sollte?

Radjabow: Keine Ahnung. Ich bin in die Verhandlungen und die Schachpolitik nicht eingebunden. Ich mutmaße allerdings, dass unser Sportminister und unser Schachverband dann Verhandlungen mit Kramnik aufnehmen würden.

Frage: Sie erhalten von den Jungstars die schnellste Gelegenheit, den WM-Thron zu besteigen. Wie schätzen Sie die anderen Talente ein?

Radjabow: Sie meinen diese Carlsens, diese Karjakins? Mehr sind da nicht, oder? Alexander Grischuk und Ruslan Ponomarjow sind schon über 20 und zählen als Etablierte nicht mehr dazu. Zu meiner Generation zähle ich Leute wie Hikaru Nakamura. Carlsen und Karjakin werden natürlich immer stärker. Ich möchte nicht egoistisch erscheinen, aber ich achte mehr auf meine eigene Entwicklung.

Frage: Im letzten Jahr war mehr von den noch jüngeren Großmeistern wie dem 16-jährigen Sergej Karjakin und dem 15-jährigen Magnus Carlsen die Rede. Fühlen Sie sich im Vergleich zu denen unterschätzt?

Radjabow: Mit 16 wäre ich vielleicht neidisch gewesen. Mit 19 plagen mich solche Gefühle nicht mehr. Ich bin mit Karjakin befreundet. Carlsen kenne ich zu wenig. Ich sehe nur seine Erfolge, die er bei Turnieren feiert. Ich traf erst jetzt bei der Olympiade auf ihn, und wir lieferten uns einen heißen Tanz. Ich denke, beide gehören zu der kommenden Generation im Kampf um den Titel – und deswegen muss ich sie im Auge behalten.


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