"Wie kommen wir jetzt nach Hause?"

von Stefan Löffler
09.11.2020 – Kurz vor dem Beginn des Opens in Figuera de la Foz kündigte die portugiesische Regierung ein allgemeines Reiseverbot an. Einige gemeldeten Spieler sagten daher noch kurzfristig ab. Andere hofften jedoch, dass es hier kein zweites Jekaterinburg geben würde. Doch wie würde man wieder nach Hause kommen? Stefan Löffler hat es geschafft und einen Bericht mitgebracht. | Fotos: Assembleia Figueirense / Stefan Löffler

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Wie kommen wir jetzt nach Hause?

Kurz vor dem Open in Figueira da Foz kündigte die portugiesische Regierung ein Reiseverbot an. Ab Runde acht durfte niemand mehr den Ort wechseln. Einige gemeldete Spieler reisten darum erst gar nicht an. Ein Jekaterinburg light malte sich Stefan Löffler aus. Es kam anders.

Kevin Spraggett lebt seit über dreißig Jahren in Portugal. Als er von dem Reiseverbot hörte, fürchtete er Chaos und sagte eines seiner Lieblingsturniere schweren Herzens ab. Auch seinem Großmeisterkollegen Luis Galego war die Sache nicht geheuer.

Kevin Spraggett und Luis Gallego bei einer früheren Auflage des Turniers

Ich hatte eine andere Sorge. Ich malte mir aus, dass das Open um zwei Tage verkürzt würde und ich dann vor lauter eingeschobenen Doppelrunden nicht dazu käme, meine mitgebrachte Arbeit zu schaffen.

Das Turnier folgte dann nicht nur seinem Zeitplan sondern auch der Faustregel: Wird in Portugal gespielt, heißt der Sieger Karen Grigoryan. Der Armenier, der sich im Sommer 2019 in Südspanien niedergelassen hat, gewann sein ungefähr zehntes Turnier auf portugiesischem Boden. Er unterlag zwar in der zweiten Runde dem spanischen Amateur Alberto Garcia Dorado. Danach gab er aber nur noch ein Remis ab. Nach neun Runden sicherte ihm die Wertung den ersten Platz und 1200 Euro Preisgeld. Ebenfalls auf siebeneinhalb Punkte kam nämlich auch Nino Batsiashvili.

 

 

 

 

Nino Batsiashvii und Karen Grigoryan

Aus Tiflis hatte die Trägerin des GM-Titels die weiteste Reise. Dritter wurde Rhys Cummings, ein englischer Mathematiker, der seit dem Frühjahr in Lissabon wohnt und seine erste IM-Norm erspielte. Nicht ganz für eine IM-Norm reichte es für José Guilherme Santos, der Platz vier teilte. Mit seinem kämpferischen Spiel erfreute der 17jährige aber die heimischen Fans und wird jetzt erstmal FIDE-Meister.

Benannt ist das Turnier nach seinem Sponsor, dem Hotelbesitzer Sabir Ali. Damit die örtliche Gesundheitsbehörde überhaupt die Freigabe erteilte, musste Veranstalter Miguel Babo einige Kompromisse machen. Nächstes Jahr (25. Oktober – 3. November 2021) will er wieder in Sabir Alis Hotel oder im Spielcasino spielen lassen, aber dieses Mal musste es ein nüchterner Veranstaltungsraum an der Strandpromenade sein. Statt Tischen und Stühlen aus Holz kam Plastik zum Einsatz, weil es sich leichter reinigen lässt. Gespielt wurde aber auf DGT-Brettern, die zwischen den Runden desinfinziert wurden. Am Saaleingang wurde täglich allen die Temperatur gemessen, und man musste die Hände desinfizieren. Maskenpflicht, eh klar.

Dass sieben Runden abends angesetzt waren, sollte Spielern aus der Region, die tagsüber arbeiten oder studieren, die Teilnahme erleichtern, doch kaum einer von ihnen nahm das Angebot dieses Jahr an. Gelegenheiten zum Spielen sind auch in Portugal knapp. Von der stolzen Portugal Chess Tour fand diese Saison erst das Open in Pombal statt (Grigoryan siegte). Nur ein Schnellturnier im Mai 2021 und zwei Open im kommenden Sommer stehen derzeit auf dem Kalender.

Mit seinem zum vierzehnten Mal ausgetragenen Open und seinem zur nationalen Spitze zählenden Verein ist Figueira da Foz eine Fixgröße im portugiesischen Schach.

Den Feigenbaum an der Flussmündung, der der Stadt den Namen gab, gibt es schon lange nicht mehr. Von ihrer langen Tradition als Bade- und Vergnügungsort zeugen etliche aus der Belle Époque stammende Gebäude in der Innenstadt. Die Promenade ist inzwischen von gesichtslosen Immobilien verschandelt, was vom 600 Meter breiten Strand einigermaßen kaschiert wird.

Im Süden, jenseits der Mündung des Mondego, liegen Salinen. Richtung Norden, beim früheren Fischerdorf Buarcos, finden sich romantische Buchten und die Serra de Boa Viagem, der Berg der guten Reise.

Damit wir trotz Reiseverbot eine gute Heimreise hatten, stellte Miguel Babo allen Teilnehmern Bestätigungsschreiben aus. Da stand, dass wir bei einem Schachturnier waren und nach dessen Abschluss auf direktem Weg nach Hause unterwegs waren. Der Polizist, der mich kontrollierte, hat es sich genau durchgelesen.

 

Endstand

Rg. Name Pkt.  Wtg1 
1 Grigoryan Karen H. 7,5 51,5
2 Batsiashvili Nino 7,5 50,5
3 Cumming Rhys 6,5 45,5
4 Taboas Rodriguez Daniel 6,0 50,0
5 Santos Jose Guilherme B Lima 6,0 47,5
6 Janik Igor 6,0 47,5
7 Dias Paulo 5,5 51,0
8 Djuric Stefan 5,5 47,0
9 Antolak Julia 5,5 46,0
10 Tadevosyan Aspet 5,5 45,0
11 Stella Andrea 5,5 45,0
12 Santos Antonio P 5,5 41,0
13 Fernandes Joao Pedro Murtinho 5,5 41,0
14 Martin Duque Jesus 5,0 51,0
15 Garcia Dorado Alberto 5,0 49,0
16 Fernandes Miguel A. Murtinho 5,0 44,0
17 Silva Pedro Gil Ferreira Da 5,0 43,0
18 Pintor Simao Maciel Abranches 5,0 42,5
19 Torres Dominguez David 4,5 43,5
20 Varela La Madrid Tilsia Carolina 4,5 42,5
21 Margarido Jose Miguel Teixeira 4,5 42,5
22 Loeffler Stefan 4,5 42,5
23 Pipiras Filipa Fortuna 4,5 39,5
24 Silva Mariana Sofia T. 4,5 37,5

42 Spieler

Partien

 

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Stefan Löffler schreibt die freitägliche Schachkolumne in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und ist in Nachfolge von Arno Nickel Herausgeber des Schachkalender. Für ChessBase berichtet der Internationale Meister aus seiner Wahlheimat Portugal.

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