"Wie war noch gleich der Name?" – Über die Nimzowitsch-Larsen Eröffnung

von Johannes Fischer
15.02.2018 – Eröffnungsnamen sind manchmal seltsam. Königsindisch heißt so, weil der Königsläufer fianchettiert wird, Damenindisch heißt so, weil der Damenläufer fianchettiert wird, Nimzowitsch-Indisch heißt so, weil Nimzowitsch es gespielt hat. „Indisch“ nannte man Fianchetto-Eröffnungen, weil der schachgeschichtlich eigentlich wenig bedeutende Inder Moheschunder Bannerjee im 19. Jahrhundert in ein paar Partien gegen den Engländer John Cochrane seinen Läufer früh fianchettiert hat. Namensverwirrung herrscht auch bei einer anderen Eröffnung, bei der Nimzowitsch dabei ist: der Nimzowitsch-Larsen Eröffnung 1.b3. (Foto: Bent Larsen, © Hans Peters)

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Mittlerweile ist 1.b3 auch in der Weltelite unserer Tage angekommen, und nun hat sich für ChessBase ein moderner Spitzenspieler des Themas angenommen: kein Geringerer als Top-Ten-Großmeister Wesley So!

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Nimzowitsch

Sucht man in der Mega nach Partien, in denen Nimzowitsch 1.b3 gespielt hat, fällt das Ergebnis mager aus: gerade einmal drei Partien liefert die Datenbank: einen Sieg, ein Remis, eine Niederlage. Streut man seine Netze weiter aus, bekommt man auch mehr Resultate, denn in 17 Partien (7 Siege, keine Niederlage, 10 Remis) hat Nimzowitsch nach 1.Sf3 Sf6 2.b3 gezogen. Doch vielleicht verbindet man den Namen Nimzowitsch auch deshalb mit dem Zug 1.b3, weil seine einzige Gewinnpartie in dieser Eröffnung die Ideen dieses Systems gut illustriert.

 

Aron Nimzowitsch 1931 (Foto: L'Echiquier 1931)

Fischer

Eine inspirierende Partie und gute Werbung für 1.b3. Das fand offensichtlich auch Bobby Fischer. Fischer gilt als sehr prinzipieller und klassischer Spieler mit umfassenden Eröffnungskenntnissen und er hat im Laufe seiner Karriere fast ausschließlich 1.e4 gespielt („Best by Test“, lautet Fischers bekanntestes Bonmot über seine Vorliebe für 1.e4). Aber in den letzten Jahren seiner aktiven Laufbahn brachte Fischer Abwechslung in sein Repertoire und griff gelegentlich auch zu 1.b3. In vier Turnierpartien, um genau zu sein. Fischer gewann alle vier Partien, und was er von Nimzowitsch gelernt hatte, zeigte er in der 21. Runde des Interzonenturniers in Palma de Mallorca gegen den Brasilianer Henrique Mecking.

 

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Eine erstaunliche Kopie der Partie Nimzowitsch gegen Sämisch und eine Erinnerung, wie nützlich die Kenntnis klassischer Partien sein kann.

Larsen

Aber diese Partie Fischers und die anderen drei Siege mit 1.b3 haben nicht ausgereicht, um der Schachwelt noch eine weitere „Fischer-Variante“ zu bescheren. Stattdessen benannte man 1.b3 nach Bent Larsen, einem der Rivalen von Fischer. Larsen spielte 1.b3 regelmäßig und mit viel Erfolg. Die Mega Datenbank enthält 47 Partien, in denen Larsen zu 1.b3 gegriffen hat, 35 davon hat er gewonnen, sechs endeten Unentschieden und sechs Mal verlor Larsen.

Bent Larsen, mit Schwarz bei seinem Wettkampf gegen Lajos Portisch 1977
(Foto: Hans Peters / Anefo [CC BY-SA 3.0 nl (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/nl/deed.en)], via Wikimedia Commons)

Aber Larsens berühmteste Partie mit 1.b3 ist eine Niederlage – vielleicht sogar die schlimmste Niederlage seiner Karriere. Beim Wettkampf UdSSR gegen den Rest der Welt in Jugoslawien 1970, bei der eine Auswahl der besten Spieler der Sowjetunion in einem Wettkampf über vier Runden an 10 Brettern gegen eine Weltauswahl angetreten ist (die Sowjetunion gewann knapp mit 20½-19½), verlor Larsen in einer seiner vier Partien am Spitzenbrett mit Weiß in nur 17 Zügen gegen den damaligen Weltmeister Boris Spassky.

 

Doch Larsen gilt nicht umsonst als Kämpfer mit Nehmerqualitäten. In der dritten Partie des Wettkampfs gewann er mit Schwarz gegen Spassky, der danach pausierte und Leonid Stein in den Ring steigen ließ. Doch auch Stein verlor gegen Larsen, der damit auf ein Gesamtergebnis von 2½:1½ kam. Auch an 1.b3 hielt Larsen fest – trotz der verheerenden Niederlage gegen Spassky - und erzielte damit noch manchen hübschen Sieg. Zum Beispiel gegen den Engländer Brian Eley.

 

Solche Partien erklären, warum 1.b3 gerne Nimzowitsch-Larsen Angriff oder Larsen-Eröffnung genannt wird. Aber Larsen selbst sah die Sache pragmatisch. In seinem Buch Alle Figuren greifen an schreibt er:

In den letzten Runden des Turniers in Palma de Mallorca spielte ich schwach und unkonzentriert. In einer Partie brachte mit ein kleiner ‚Psychotrick‘ in der Eröffnung dennoch Erfolg. In den meisten Eröffnungen gibt es einfach zu viel Theorie... Deshalb, nämlich, um aus dem ‚Buch‘ auszubrechen, eröffnete ich gelegentlich mit 1.b3. ... Aber auch der Zug 1.b3 ging unausweichlich den Weg vieler anderer Eröffnungen; er wurde eingehend untersucht, und irgendwann war auch er von der Theorie dominiert. ... Als es so weit war, begann ich eben etwas anderes zu spielen. (Bent Larsen, Alle Figuren greifen an, SchachDepot Verlag 2009, S. 210)

Was er dann auch tat. Nach 1972 griff Larsen nur noch sporadisch zu 1.b3. Aber seitdem hat der Zug neue Anhänger gefunden. Heute spielen starke Großmeister wie Hikaru Nakamura (+33, =14, -5), Baadur Jobava (+35, =18, -14) und Richard Rapport (+16, =11, -14) gerne und regelmäßig 1.b3. (Die Zahlen in Klammern zeigen die Ergebnisse der Partien in der Mega an, in der diese drei Spieler im klassischen, im Schnellschach und im Blitzschach mit 1.b3 eröffnet haben.)

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Rapport

Der folgende kurze Sieg von Rapport ist ein Beispiel für die unorthodoxen Stellungen, die nach 1.b3 entstehen können.

 

Rapport ist es, wie vermutlich auch den meisten anderen Spielern, wahrscheinlich egal, ob 1.b3 nach Nimzowitsch, Larsen, Fischer oder jemand anderem benannt ist. Hauptsache, der Zug bietet Möglichkeiten und ist für Schwarz gefährlich.

My Secret Weapon: 1.b3

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Johannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".

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