ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024
ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan
Jetzt, kurz vor Beginn des 2. Jahrzehnts im 21. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung, leben wir im Zeitalter globaler Kommunikation. Jeder ist im Prinzip mit jedem vernetzt. Und wer sich im Internet auf Webseiten bewegt, vermeintlich anonym oder nicht, dessen Bewegungen werden von den globalen Datenkraken unnachgiebig aufgezeichnet. Alles hat seinen Preis, auch wenn es auf den ersten Blick als "kostenlos" scheint.
Die Datensammler verkaufen ihre Beute an Dienstleister weiter, die diese auswerten und dann sortiert und somit "veredelt" wiederum an ihre eigenen Kunden weiter veräußern, zwecks "personalisierter Werbung". Schauen Sie aber doch einmal spaßeshalber hier bei den Einstellungen ihres Browsers: http://www.youronlinechoices.com/de/praferenzmanagement/ . Das ist die Liste der Firmen, die sich ihre Daten bediene. "Präferenzmanagement", klingt das nicht positiv?
Die so genannten "sozialen Medien", Facebook, Instagram und Co., sind weitere Honigfallen, mit Kunden kommerziell einfangen werden. Google und Co wissen alles über uns! Umfangreiche Datenschutzverordnungen sollen uns gegen diese Form der Ausbeutung schützen. Heute darf deswegen noch nicht einmal ein Geburtsdatum ohne Zustimmung veröffentlicht werden.
Engelhardts Schach-Taschenjahrbuch
Wie wohltuend naiv haben sich im Gegensatz dazu die Dienstleister in der Frühzeit der Informationstechnologie verhalten dürfen. Kurz nach der Erfindung des Buchdrucks, also etwa zur Mitte des letzten Jahrhunderts, gab es beispielsweise die Schach-Taschenjahrbücher aus dem Engelhardt Verlag. Und dort konnte man die Adressen bekannter, heute weniger bekannter Schachspieler finden - heute undenkbar.
Als der Engelhardt Verlag damals die Adressen der Schachspieler sammelte und veröffentlichte, konnten die Herausgeber sich nicht vorstellen, was 60 oder 70 Jahre später alles möglich sein würde. Mit der Adresse kann man nämlich heute über Google Maps fast jeden Punkt auf der Erde lokalisieren und die meisten Häuser per Google Street View sogar auf Bildern einsehen und mit der Maus die Umgebung abfahren.
Das machen wir jetzt mal. Unsere Quelle ist Engelhardts Schach-Taschenjahrbuch aus dem Jahr 1966. Erste Entdeckung: Die Adressen der sowjetischen Spieler findet man praktisch nicht, nicht von die von Petrosian und nicht nicht die von Spasski, den Weltmeistern 1963 bis 1972. Hinter den "eisernen Vorhang" konnten Herbert Engelhardt und seine Helfer also nicht gucken (jedenfalls nicht bis in die UdSSR). Klar, die Sowjets waren beim Datensammeln schon viel weiter und deshalb natürlich auch bei ihrem Datenschutz.
Wie sieht es aber in den USA aus, zum Beispiel mit Robert Fischer? Das ist kein Problem! Robert Fischer wohnte 1966 in Brooklyn, N.Y., 11238 USA, 560 Lincoln Place.
Heute sieht es da so aus:
Es ist das Eckhaus und das Haus ist mit Sicherheit noch das gleiche wie 1966. Der Eingang mit dem verzierten Erker über der Tür, rechts, ist die Nummer 560. Wahrscheinlich war dies hier auch schon 1966 eher keine Super-Traum-Wohnlage. Es sieht ein bisschen so so aus wie in den Spiderman-Filmen (Tobey Maguire als Spiderman und als Robert J. Fischer!). Aber es ist belebt und es gibt Geschäfte. 1966 war Fischer 24 Jahre alt und lebte allein.
Fischer in der Subway (1962), im Maßanzug. Könnte gestellt sein.
Im August 1966 wurde Fischer zum 2. Piatigorsky Cup nach Santa Monica eingeladen und traf dort auf Tigran Petrosian, Weltmeister seit 1963, und Boris Spassky, der 1969 Weltmeister wurde. Im Turnier kassierte Fischer ein paar Niederlagen, wurde aber dennoch Zweiter. Einen seiner Siege feierte er gegen den ungeliebten Rivalen Samuel Reshevsky:
Sechs Jahre später, 1972, wurde Fischer endlich selber Weltmeister.
Sowohl alphabetisch wie geographisch ist auch Reuben Fine nicht weit von Fischer entfernt. Auch er wohnte 1966 in New York, in der 789, West End Avenue.
Das ist hier:
Das Haus wirkt heute nicht mehr ganz frisch, aber ohne Zweifel konnte sich der Psychoanalytiker Reuben Fine etwas besseres leisten als der in eher ärmlichen Verhältnissen aufgewachsene Robert Fischer. Der Baldachin mit der Nummer 789 macht einen guten Eindruck und das Haus hat sicher einen Concierge, so wie man es aus amerikanischen Hollywoodfilmen kennt. Möglicherweise war dies hier Fines Geschäftsadresse und er hatte noch eine Wohnung anderswo. Hier hat man sein Büro, Geschäfte sind weit und breit keine zu sehen.
Fine gehörte vor dem Krieg zu den weltbesten Spielern und hatte seinen internationalen Ruhm durch den mit Keres geteilten ersten Platz beim AVRO-Turnier 1938 begründet. Dort besiegte er unter anderem auch Weltmeister Alexander Aljechin.
Die Einladung zum WM-Turnier 1948 schlug Fine aus, weil er sich inzwischen beruflich anders orientiert hatte. 1951 spielte Fine in New York sein letztes ernsthaftes Turnier, bleib dem Schach aber als Publizist treu.
Pal Benkö
Auch der aus Ungarn stammende Pal Benkö (* 1928) lebte lange Zeit in New York. Seine Adresse 1966 war 1425, 3rd Avenue, New York.
Benkö wohnte damals in dem heute etwas schäbig wirkenden weißen Haus, mit der außen angesetzten Feuerleiter. Vier Jahre zuvor hatten Fischer und Benkö gemeinsam beim Kandidatenturnier in Curaco gespielt, waren aber gegen die Sowjet-Phalanx ohne Chance gewesen. Schon 1959 waren Benkö und Fischer Teilnehmer beim Kandidatenturnier in Jugoslawien gewesen. Fischer war damals erst 16 Jahre alt. 1970 qualifizierte sich Benkö für das Interzonenturnier in Palma de Mallorca qualifiziert, gab aber seinen Platz an Fischer ab. Fischer gewann dieses Turnier, alle folgenden Kandidatenkämpfe und auch den WM-Kampf gegen Spassky.
Zwischen 1961 und 1975 gewann Benkö achtmal die Offenen US-Meisterschaften oder teilte dort den ersten Platz. Von 1962 bis 1972 spielt er bei sechs Schacholympiaden im US-Team.
Bei der von Fischer überlegen gewonnenen Rosenwald Trophy 1966-67 gewann Benkö gegen beide Byrnes, hier gegen Robert Byrne:
Albrecht Buschke
Wenn man die New Yorker Adressliste durchsieht, dann stößt man auf den Namen von A. Buschke, gemeint ist Albrecht Buschke (1904-1986). Er war kein Schachspieler, aber Mitte des 20. Jahrhunderts ein bedeutender Schachbuch- und Autographensammler und Antiquar, der sich in New York niedergelassen hatte. Sein Name ist heute vergessen, außer in Sammlerkreisen. Buschke stand in Verbindung zu vielen bekannten Spielern seiner Zeit, darunter Capablanca. Nachdem er 1920 mit dem Sammeln begonnen hatte, kam er unter anderem in den Besitz von Handschriften von Howard Staunton, Greco und Damiano und später einer Erstausgabe von Benjamin Franklins "The Morals of Chess" (im Columbian Magazine von 1786). Buschke stammte aus Berlin und hatte dort als Jurist und Spezialist für fremde Währungen bei den Gaswerken Berlin gearbeitet. Außerdem war er zeitweise Herausgeber von Kagan's Neuesten Schachnachrichten. 1933 wurde er als Jude aus dem Amt gedrängt und 1938 wanderte er in die USA aus. Buchke brachte 3000 Schachbücher und 1500 Handschriften und Manuskripte mit. In New York betätigte er sich als Antiquar und hatte eine Reihe von bedeutenden Bibliotheken als Kunden.
Albrecht Buschke wohnte erst in Staten Island und zog Ende der 1940er Jahre an eine prominente Adresse in New York, 80 East, 11th Street. Das war einst, in unmittelbarer Nähe zum Broadway, die Adresse eines berühmten Hotels, des Grand Hotel St. Denis, 1853 eröffnet. Zu den hohen Gästen des Hauses gehörte auch Abraham Lincoln. 1917 wurde das Hotel geschlossen und einige soziale Organisationen und Verlage und auch Antiquitätenhändler zogen in das große Gebäude ein. Die Fassade wurde inzwischen erneuert. Die ganze Gegend wurde gentrifiziert und die Gebäude, meist ohne Denkmalschutz, ausgeweidet und modifiziert. Auch die ehemals schöne Fassade dieses Hauses ist verschwunden.
Die Geschichte des Gebäudes...
Blick vom Broadway auf das Eckhaus 80 East, 11th Street
Auch Arthur Bisguier war in New York beheimatet. Er lebt im Statdteil Elmhurst, der zu Queens gehört, in der 84-25 Elmhurst Avenue.
So sieht es dort aus:
Elmhurst wurde 1652 als Middleburgh von Niederländern begründet und war ein Vorort von New Amsterdam in den "Nieuw Nederland". 1664 wurde die Siedlung von Engländern übernommen und in New Town (später Newtown) umbenannt. 1887 erhielt die Siedlung den Namen Elmhurst. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten hier viele jüdische und italienische Einwanderer. Heute ist Elmhurst multi-ethnisch, mit einem sehr hohen asiatischen Anteil von fast 50%.
Arthur Bisguier (1929-2017) war in der Nachkriegszeit eine der ganz Großen des US-Schachs. Er lernte Schach mit 4 Jahren von seinem Vater, war mehrmaliger US-Jugend- und US-Meister und spielte zwischen 1952 und 1972 fünfmal für die USA bei Schacholympiaden. 1955 und 1962 spielte er auch bei Interzonenturnieren mit. In späteren Jahren betätigte sich Arthur Bisguier als Organisator und Publizist.
Arthur Bisguier
1956 gelang Bisguier der einzige Sieg gegen den damals erst 13-jährigen Bobby Fischer beim Rosenwald Memorial.
Bei diesem Turnier hatte Fischer übrigens seine berühmt gewordene Partie gegen Donald Byrne gespielt.
Zu den New Yorker Schachspielern im weiteren Sinne gehörte unter anderem auch Arnold Denker, mit der Adresse 312, Main Street, East Rockaway, New York. Das liegt außerhalb von New York City im Staat New York und gehört zu Hempstedt.
Dies ist die Gegend, wo Arnold Denker gewohnt hat. Ganz genau ist der Ort auch mit Google Street View nicht zu ermitteln. Es könnte das weiße Haus hier gewesen sein. Vielleicht ist das Haus hier aber auch neueren Datums.
Arnold Denker (1914-2005) hat sich als Spieler, aber auch als Funktionär und Publizist um das amerikanische Schach verdient gemacht. Die US Chess Federation verlieh im 2004 die Auszeichnung "Dean of American Chess". 1944 und 1946 wurde Arnold Denker US-Landesmeister. Denker wuchs in einer orthodox-jüdischen Familie in der Bronx auf und lernte Schach von seinen Brüdern. In seiner Jugend war er auch als Boxer aktiv. Sein Ergebnis von 14 Siegen und drei Remis bei den US-(Schach-)Meisterschaften war Rekord, bis Fischer 1963-64 die US-Meisterschaften mit 11:0 gewann. Bei seinem Titelgewinn 1944 gelang Denker ein schöner Sieg über Reuben Fine.
Israel Albert Horowitz
Auch Israel Albert Horwitz (1907-1973) war in New York zuhause.
Israel Albert Horwitz
Er gehörte in den 1930er Jahren zu den besten Spielern der USA.
1931, 1935 und 1937 gewann Horowitz mit dem US-Team die Goldmedaille bei den Schacholympiaden. 1935 und 1937 war er mit 12 aus 15 bzw,. 13 aus 15 sogar bester Einzelspieler des Turniers. Nach dem Zweiten Weltkrieg betätigte Horowitz sich mehr und mehr als Autor, war zehn Jahre lang der Schachkolumnist der New York Times mit drei Beiträgen pro Woche und veröffentlichte zahlreiche Schachbücher. 1933 hatte er zusammen mit Isaac Kashdan das Schachmagazin "Chess Review" (1961 in Chess Life aufgegangen) begründet.
Horowitz lebte hier in dem Haus, in dem man unten jetzt die Zen Medica kaufen kann:
Das waren also die Wohnorte einiger bekannte Schachgrößen mit New Yorker Adressen der 1960er Jahre. Aber gab es nicht noch eine Reihe weiterer großer Spieler aus früheren Jahren, die zumindest zeitweise ebenfalls in New York gelebt haben? Richtig, auch deren Adressen wurden in verschiedenen Publikationen, bei Engelhardt, seinem Vorläufer, dem Ranneforths Schach-Kalender, oder in US-Magazinen veröffentlicht. Ein Liste von Adressen findet man zum Beispiel bei Edward Winter (s.u.).
Einer der größten eingeborenen Schachmeister in New York war Frank Marshall. Seine Jugend verbrachte er in Kanada. Dann kehrte er nach New York zurück. 1900 lebte er hier: 1110 Putnam Avenue, New York City.
So sieht das heute hier aus:
Das Haus mit der Nummer 1110 wirkt ziemlich neu. Links daneben stehen einige ältere Häuser, die durchaus auch schon im Jahr 1900 hier gestanden haben könnten. Man kann sich gut vorstellen, wie Frank Marshall, 1900 war er 23 Jahre alt, das Haus verlässt und durch die Straßen zum Schachclub geht.
1912 gelang dem Angriffsspieler Marshall einer der verblüffendsten Züge der Schachgeschichte, beim DSB-Kongress in Breslau.
Nachdem Emanuel Lasker als Jude erst aus Deutschland fliehen musste und nach den "Säuberungen" in der Sowjetunion in den späten 1930er Jahren auch Moskau verließ, lebte er zuletzt in New York. Seine Adresse dort lautete: 610 West 139th Street, New York.
Das ist hier:
Es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass dies hier noch die gleichen Häuser sind, in denen schon Lasker gewohnt hat. Aus dem Jahr 1940 sind ein paar freie Partien überliefert, darunter diese hier:
Lasker starb am 1. Januar 1941 in New York.
Zu den ganz großen des Schachs, die in New York ihre Wahlheimat fanden, gehörte auch der Kubaner Raul Capablanca. Er hatte in den USA ein Studium angefangen, sich dann aber schon bald nur noch ums Schach gekümmert. Zeitweise (1934) lebte er in bester Wohnlage in Manhattan, ganz in der Nähe des Central Parks, mit der Adresse, 118 W. 57th Street, New York.
Heute sieht das hier so aus:
Zu Capablancas Zeiten sah es hier mit Sicherheit ganz anders aus. Capablanca starb im März 1942 in New York nach einem Schlaganfall. Sein letztes Turnier war die Schacholympiade in Buenos Aires gewesen. Während des Krieges gab er Simultanvorstellungen und spielte freie Partien.
Auch von Wilhelm Steinitz ist eine New Yorker Adresse bekannt: 505 26th St., Manhattan, New York. Steinitz lebte Zeit seines Lebens am Rande des Existenzminimums und auch sein zeitweiliger New Yorker Wohnsitz wird nicht zu den besten Wohngegenden gehört habe. An der angegebenen Adresse steht heute allerdings wohl kaum noch ein Stein so, wie es zu Steinitz' Zeit war.
Auf dem Teaserbild spielen Gislea Gresser und Arnold Denker als Sieger nach den US-Meisterschaften von 1944 eine freie Partie. Viele Prominente stehen drum herum, v.l.: Edward Lasker, Reuben Fine, Herman Steiner, Carolyn Marshall, I. A. Horowitz und Frank Marshall.
Weitere Adressen bei
Edward Winter: Where did they live...