ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024
ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan
von Philipp Hillebrand
Zuletzt wurde der Markt der Schachliteratur und die digitale Welt zum Thema des Londoner Systems gut bedient, und es war in der Regel Material für den Anziehenden, wie man fast gegen alle schwarzen Aufbauten 1.d4 und dann 2.Lf4 spielen kann mit Aussichten auf eine gut spielbare Stellung. Werke aus dem Hause ChessBase sind z.B. von GM Simon Willams und IM Elisabeth Pähtz beigesteuert worden und im Bereich der Printmedien ist vor allem das Werk von GM Nikola Sedlak zu nennen. Der Anziehende strebt zwar nicht unbedingt die aggressivsten Stellungen an um mehr als eine spielbare Stellung zu bekommen, aber der Schein kann trügen, vor allem wenn man das Spezialsystem von GM Baduur Jobava betrachtet: 1.d4 Sf6 2.Lf4 d5 3.e3 c5 4.Sc3!? und es entstehen deutlich andere Stellungsbilder in Aufbauten, welche durch ein weißes c2-c3 gekennzeichnet sind.
Es kann aber gerade an dieser scheinbaren Harmlosigkeit liegen, dass viele Spieler entweder ihre Aufmerksamkeit schleifen lassen oder zu pikiert reagieren und sich denken, man müsse diese Eröffnungswahl bestrafen. Einen guten Einblick gewinnt man u.U. in der Reaktion von Garry Kasparov, als GM Levon Aronian die Partie mit 1.d4 Sf6 2.Lf4 startete.
Ein Geheimnis zum Verständnis der Abspiele liegt darin, dass man weniger Probleme hat einen Ausgleich zu finden, als vielmehr reale Gewinnchancen generieren zu können, sollte der Anziehende den Ball flach halten. Das mag einer der Gründe sein, warum sich viele Spieler als Nachziehender provoziert fühlen. Der Ansatz des Schweizer Großmeisters Yannik Pelletier ist wie folgt: Er versucht als Nachziehender stets möglichst viel Raum zu erobern und achtet darauf, welche Seite über das Läuferpaar verfügt bzw. die Varianten werden dahingehend gewählt. Er sucht keine halsbrecherischen Verwicklungen, sondern empfiehlt gesunde Strukturen und betont die Notwendigkeit einen Hebel zu besitzen, damit keine völlige Symmetrie vorliegt. Er verweist in seiner Einführung darauf, dass nahezu jeder Schwarzspieler etwas angeboten bekommt, unabhängig von der bevorzugten Stammeröffnung. Mithin ist die gut gelungene Gliederung wie folgt:
Systeme mit …g6
Systeme mit …d5
Damenindisch
Damengambit
Systeme mit …c5 und …f5
Schlussfolgerung und Test
Kapitel 1) bietet einen Aufbau an, welcher durch ein frühes …g6 gekennzeichnet ist. Folglich finden hier sowohl Anhänger des Königsinders als auch Grünfeldfans etwas, zumal es auch recht taktisch werden kann:
„Hier ist die taktische Idee mittels …e5 das Zentrum zu sprengen.“
Der Schweizer Großmeister legt gut dar, warum ein zu früh gespieltes h3 durch den Nachziehenden seine Mängel haben kann. Ist der Anziehende auf der Hut empfiehlt der Autor einen Übergang zu Stellungsbildern aus dem Reti System mit vertauschten Farben:
„Hier sind vorrangig Figurenmanöver an der Tagesordnung.“
Am meisten geboten bekommt man in Kapitel 2). Dort werden Spielweisen für den Nachziehenden erläutert, welche auf der Idee …c5 nebst …Db6 und Druck auf den weißen Damenflügel bestehen. Nach einer Theoretischen Einführung folgt stets ein Abschnitt mit Musterpartien. Dieses Kapitel zeichnet sich durch Feinheiten in den Zugreihenfolgen aus, denn in dem einem Abspiel, wo der Anziehende früh seinen Königsspringer nach f3 entwickelt funktioniert die aktive Idee des Nachziehenden mit …Db6. Stellt der Anziehende jedoch diesen Entwicklungszug zurück, sollte man von dem Damenausflug Abstand nehmen!
„Dieser taktische Kniff funktioniert nur mit den beiden eingeschobenen Zügen Sf3 und …Sf6“
Folglich kann der Anziehende dafür Sorge tragen, dass der Nachziehende seine Dame etwas zurückhaltender entwickeln muss und zwar entweder auf das Feld d7 oder c8. Dies wirkt zunächst etwas ungewöhnlich, aber eine Partie des deutschen Großmeisters Matthias Blübaum zeigt, dass dies dennoch zu gut spielbaren Stellungen führt.
Kapitel 3) fällt sehr kurz aus, da hier nur eine theoretische Variante und eine Musterpartie angeboten werden. Zwar spielt der Autor selbst Damenindisch als Nachziehender, jedoch im Londoner System, wo meist kein frühes c2-c4 erfolgt, wirkt ihm der schwarze Aufbau zu zahm in der Form 1.d4 Sf6 2.Sf3 e6. Objektiv spricht nichts dagegen, aber die Möglichkeit aus Kapitel 2) mit dem taktischen Läuferausfall nach f5 soll bewahrt bleiben.
Kapitel 4) widmet sich den Damengambit-Stellungen. Hier liegt ein solides System mit frühem …Ld6 vor. Dies führt in der Regel zu ruhigen Stellungen, wo es wichtig ist als Nachziehender den Kampf um das Feld e5 zu gewinnen, damit man nach …e5 auch wieder dem Lc8 Leben einhauchen kann:
„Durch den Abtausch auf d6 kann der Nachziehende mit …e5 bequem ausgleichen.“
Sofern der Anziehende nicht gewillt ist das wichtige Zentralfeld e5 so schnell her zu geben, muss der schwarze Damenläufer anders ins Spiel gebracht werden:
„In der Partie Giri, A – Hou, Y, Wijk an Zee 2016 musste sich der Anziehende schon darum bemühen nicht ins Hintertreffen zu geraten.“
Kapitel 5) versucht den Anhängern der Holländischen Verteidigung und Freunden des Komplexes Ben Oni/ Wolga Gambit etwas anzubieten. Hier räumt der Autor ehrlich ein, dass ihm das im Falle von Holländisch nicht gelingt über 1.d4 f5 2.Lf4. Zwar sind die entstehenden Stellungen nicht zwangsläufig objektiv schlechter, aber man bekommt als Nachziehender nicht das, was man möchte. Wer wie Pelletier Französisch im Repertoire hat, der kann 1.d4 e6 spielen, was entweder meist zu 2.e4 oder 2.c4 führt. Dann freilich fehlt die Möglichkeit aus Kapitel 2). Dies gilt auch für 1.d4 Sf6 2.Lf4 c5 3.c3!? Ohne einen weißen Bauern auf c4 verlieren die aktiven schwarzen Ideen mit …b5 etwas an Biss.
Der interaktive Teil ist wie immer sehr gelungen mit der kompetenten Art der Erläuterungen durch GM Pelletier. Einen großen Teil nehmen Stellungen aus dem Damengambit ein.
Fazit:
Zwar kann der Versuch „allen Spielern“ etwas an die Hand zu geben nicht ganz erfüllt werden, da das 5) Kapitel zeigt, dass man eben nicht das bekommt, was man als Holländischspieler haben möchte. Dafür sind die Darlegungen zu dem Bereich Damengambit und Aufbauten mit …g6 sehr ausführlich und bieten dahingehend etwas, dass man entweder eine sehr solide Stellungen bekommen kann, oder mit dem schwarzen Königsläuferfianchetto auch taktischer zu Werke gehen kann. Wie gesagt sollte der Nachziehende nicht mit der Brechstange versuchen das Spiel des Anziehenden zu bestrafen, denn dafür ist die Stellung zu gesund. Wiederum ein sehr empfehlenswertes Werk aus dem Hause ChessBase, welches ohne Einschränkung 5/5 erhält!