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Herzliche Glückwünsch, Magnus, zum Gewinn des Weltmeisterschaftskampfs und zur Titelverteidigung. Und alles Gute zum Geburtstag. Glückwunsch auch an Sergey, der sich als äußerst würdiger Herausforderer erwiesen hat. Es war ein packendes Match. Bravo an beide. Meine Kritik – und die anderer – an Partie 12 wird bald vergessen sein, da der Schnellschach-Tie-Break uns die Spannung gebracht hat, die in Partie 12 so sehr fehlte. Lang lebe der Champion!
Ich schreibe diesen Artikel als Follow-Up meines vorherigen Artikels, der unter dem Titel “Eine radikale Lösung” erschienen ist. Aber vor allem, weil ich den Lesern und Ihnen, den Fans, einfach für Ihr Feedback danken möchte. Ohne Ihr Interesse gäbe es keine Weltmeisterschaften. Es sind die Fans, die das Spiel ausmachen. Das sollten wir nie vergessen.
Das Feedback auf meinen Artikel war recht positiv. Ich möchte allen danken, die sich an der Diskussion beteiligt haben. Das radikale Konzept eines Wettkampfs mit einer ungeraden Zahl von Partien, bei dem der Spieler, der einmal mehr mit Schwarz spielt, bei Gleichstand zum Sieger erklärt wird, wurde nicht rundheraus verworfen. Eine Mehrheit war sogar der Meinung, dieser Vorschlag hätte Vorteile. Aber trotzdem sprach sich eine noch größere Mehrheit für ein längeres Match über 18 Partien aus. Ich bin keineswegs anderer Meinung. Ich halte ein längeres Match ebenfalls für deutlich besser. Tatsächlich finde ich es merkwürdig, dass im Kandidatenturnier 14 Runden gespielt werden, im WM-Kampf dann jedoch nur 12.
Interessant ist auch die von etlichen Seiten geäußerte Idee, im Falle eines Gleichstands im Match, “jeweils zwei Partien klassisches Schach“ zu spielen, bis ein Sieger feststeht. Das Problem dieser so praktisch scheinenden Lösung ist allerdings, dass im wirklichen Leben kein Organisator einen Wettkampf mit offenem Ausgang zu planen. Schon einen Raum für einen solchen Wettkampf zu finden, wäre ein enormes Problem. Denn wie lange sollen die Organisatoren den Raum mieten? Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es 1987, als sich Seattle für die Ausrichtung des WM-Kampfs beworben hatte (Sevilla bekam den Zuschlag), extrem schwierig war, einen schönen Austragungsort für 24 Partien zu finden. Für den Organisator ist eine festgelegte Anzahl von Partien deshalb ein Muss.
Eine andere, oft vertretene, Ansicht vieler Fans, die mich überrascht hat, war die, dass eine gerade Zahl von Partien gut ist, aber der Titelverteidiger bei einem Wettkampf über 18 Partien bei einem Gleichstand von 9-9 die Krone behalten sollte. Das Argument, das dafür spricht, den Titelverteidiger bei Gleichstand den Titel behalten zu lassen, lautet, dass der Herausforderer den Weltmeister schlagen muss. Warum? Weil der Weltmeister der beste Spieler ist, und wenn der Herausforderer gegen den Titelverteidiger nur Ausgleich erzielt, dann hat sich der Herausforderer nicht als besser erwiesen. Ein interessantes Argument, das mich allerdings nicht überzeugt.
Ich möchte noch einmal betonen, dass ich ein Kritiker des aktuellen Formats bin. Es gefällt mir überhaupt nicht. Tatsächlich finde ich den augenblicklichen Zyklus ganz einfach dumm. Warum? Stellen Sie sich einmal einfach Folgendes vor – und ich wette schon jetzt, dass Sie dabei ins Schleudern kommen werden: erklären Sie das aktuelle System einem guten Freund, der kein Schach spielt. Erklären Sie, dass der Weltmeister, vermutlich der beste Schachspieler der Welt, zwei Jahre lang nicht an dem Zyklus teilnimmt, sondern darauf wartet, dass ein Herausforderer ermittelt wird. Dass es eine Turnierserie namens Kontinentalmeisterschaften mit vier offenen Turnieren nach Schweizer System gibt, an denen Hunderte von Spielern teilnehmen können, in denen mit unterschiedlichen Bedenkzeiten gespielt wird, und die als Qualifikationsturniere für ein Turnier namens “World Cup” dienen, wo man viel Geld gewinnen kann. Das nun aber ein K.o.-Turnier mit 128 Teilnehmern und unterschiedlichen Bedenkzeiten ist, und in dem Stichkämpfe über die Qualifikation zu einem “Kandidatenturnier” entscheiden, einem “doppelrundigen Rundenturnier” mit anderer, langsamerer Bedenkzeit. Im Kandidatenturnier treten acht Spieler gegeneinander an. Und zwar der Verlierer des vorherigen Weltmeisterschaftskampfs, die Spieler, die sich im World Cup qualifiziert haben, ein paar Spieler mit den höchsten Elo-Zahlen der Welt, und ein Spieler, der eine Wildcard erhält, über die der Organisator entscheidet. Achten Sie darauf, Begriffe wie “Open nach Schweizer System”, “K.o.-Wettkämpfe”, “Doppelrundiges Rundenturnier” zu betonen und die unterschiedlichen Bedenkzeitregelungen zu erläutern, und werfen sie auch ein oder zwei Mal “Armageddon” ins Gespräch, damit ihr Freund auch zuhört. Und vergessen Sie nicht, dass es im Kandidatenturnier keine Tie-Breaks gibt. Erwähnen Sie stattdessen bitte, dass es, wenn man sich am Ende mit jemand anderem Platz eins teilt, besser ist, mehr Partien verloren zu haben als sein Rivale, anstatt ungeschlagen geblieben zu sein. Ich garantiere Ihnen, dass Sie Ihren Freund gründlich verwirrt haben werden. Und vielleicht auch sich selbst.
Noch schlimmer als die obige Herausforderung, den aktuellen WM-Zyklus einem Freund zu erklären, ist der Gedanke, man sei Organisator eines Turniers in diesem Zyklus. Sie hätten gerne ein prestigeträchtiges Turnier in Ihrer Heimatstadt. Wie aufregend. Sie möchten, dass die besten Spieler der Welt daran teilnehmen. Natürlich. Aber wer ist der beste Spieler der Welt? Natürlich der Weltmeister. Aber der Weltmeister, die größte Attraktion im Schach, nimmt an dem gesamten Zyklus nicht teil. Noch einmal, er wartet darauf, dass ein Herausforderer ermittelt wird. Das ist verrückt. Warum spielt man solche phantastischen Turniere, wenn der beste Spieler der Welt, der Weltmeister, an keinem dieser Turniere teilnehmen darf? Das scheint mir, gelinde gesagt, kontraproduktiv zu sein.
Doch die Schachwelt hat Glück, ja, sehr viel Glück. Magnus war ein wunderbarer, aktiver Champion. Er hat sich nicht auf seinen Lorbeeren ausgeruht. Ganz und gar nicht. Er hat in den Turnieren gespielt, in denen er spielen konnte, und die größten Herausforderungen gesucht. Und er hat sich als wahrer Weltmeister gezeigt. Er hat die Bewunderung aller Fans verdient. Aber nehmen wir als Gedankenspiel einmal an, Magnus wäre weniger erfolgreich gewesen als er es war, oder, schlimmer, weniger aktiv. Stellen Sie sich vor, Magnus macht ein Jahr lang Pause vom Turnierschach. Das wäre für Schachfans schrecklich. Der Herausforderer muss derweil gegen die ganze Welt eintreten, um Herausforderer zu werden – und da zählt nur der erste Platz. Überlegen Sie, welchen Weg Sergey Karjakin zurückgelegt hat: Er hat im K.-o.-Turnier mit 128 Teilnehmern gespielt und äußerst schwierige Situationen überlebt, in denen er unter enormem Druck stand, bis er schließlich im Finale stand, wo er gewonnen hat, weil er Partien auf Bestellung gewonnen hat. Diese phantastische Leistung hat ihm zu einem Platz im Kandidatenturnier verholfen. Dem stärksten Turnier der Welt, das er ungeschlagen gewonnen hat, wodurch er zum Herausforderer wurde. Hat er sich damit nicht als stärkster Spieler der Welt erwiesen? Vor allem, da der Weltmeister zwangsweise gefehlt hat? Oder Pause gemacht hat. Warum sollte der Herausforderer dem Weltmeister den Vorteil einräumen, dass das Match bei Gleichstand zugunsten des Titelverteidigers ausgeht? Hat er nach einer solchen Qualifikation nicht mindestens faire und gleiche Spielbedingungen verdient? Deshalb habe ich in meinem Artikel „Eine radikale Lösung“ nicht vorgeschlagen, dass der Weltmeister bei Gleichstand gewinnt; sondern ich habe vorgeschlagen, dass das Los darüber entscheiden sollte, welcher Spieler bei Gleichstand gewinnt und wer einmal mehr mit Schwarz spielt.
Man muss es Magnus hoch anrechnen, dass er selbst Unzufriedenheit mit dem aktuellen Format des Zyklus geäußert hat. Er hat einen “moderneren Zyklus” gefordert, allerdings ohne genaue Einzelheiten einer solchen Idee. Eine Sache steht jedoch fest: Eine solche Forderung ist definitiv nicht in seinem ureigenen Interesse. In einem modernen Zyklus müsste er sich vielleicht erst einen Platz im WM-Finale erkämpfen und auf den Luxus verzichten, als Titelverteidiger gesetzt zu sein.
Meiner Meinung nach müssen sich die Interessenvertreter der Schachwelt zusammensetzen und den gesamten Zyklus noch einmal neu durchdenken. Sie müssen schonungslos analysieren, welche Turniere die Interessen des Schachs, der Fans, der Spieler und der Organisatoren am besten bedienen, und welche Turniere jedem Spieler faire und gleiche Bedingungen bieten. Ich hoffe, meine beiden Artikel helfen, eine solche Diskussion anzustoßen. Eine Diskussion, die sowohl der Weltmeister als auch die Frauenweltmeisterin offen gefordert haben. Die Schachwelt bewegt sich langsam. Falls der Zyklus nicht in seiner Gesamtheit neu überdacht wird, dann hoffe ich, dass es bei einer radikalen Lösung für unserer Kronjuwel, der Weltmeisterschaft im (klassischen) Schach, keinen Tie-Break mehr gibt.
Ich selbst würde es für eine gewaltige Verbesserung halten, wenn der nächste Weltmeisterschaftswettkampf über 15 Partien gehen würde, und der Spieler, der bei der Farbauslosung zu Beginn des Wettkampfs die schwarzen Steine erhält, bei Gleichstand den Wettkampf gewinnt. In einem solchen Match würde ein Spieler immer im Rückstand liegen und auf Gewinn spielen müssen. Zahme Remispartien würden lediglich dem Spieler nützen, der in Führung liegt. Die Entscheidung würde nur in klassischen Partien fallen und nicht im Schnellschach, im Blitz oder durch eine Armageddon-Partie. Aber man soll nicht denken, dass ich die Schachwelt um die Aufregungen des Schnellschachs bringen möchte – ganz und gar nicht. Aber es gibt eine Schnellschachweltmeisterschaft. Die findet bald statt. Und Sie sollten diese Form des Schachs nicht verpassen. Aber lassen Sie uns die drei Formen des Schachs, klassisches Schach, Schnellschach und Blitzschach, getrennt voneinander halten.
Übersetzung: Johannes Fischer