10. Lehrgang an der FIDE-Trainer-Akademie in Berlin
Von Dagobert Kohlmeyer

Die FIDE-Trainerakademie in Berlin ist
weltweit die erste ihrer Art und die einzige in Europa. Sie feierte jetzt ein
Jubiläum: Am Donnerstag vor Ostern ging der 10. Lehrgang zu Ende. Der
Teilnehmerkreis war klein, aber fein: drei Schweizer, ein Isländer, ein Iraner;
zudem konnte Akademiedirektor Uwe Bönsch einen Kollegen aus den USA begrüßen.
Grund genug für uns, wieder einmal vorbeizuschauen.


Die Räumlichkeiten der Akademie befinden
sich auf dem Gelände des Berliner Olympiastadions. In direkter Nachbarschaft,
nur einen Steinwurf entfernt, arbeiten auch das Generalsekretariat der
Europäischen Schachunion (ECU), die Geschäftsstelle des DSB und die Deutsche
Schachjugend (DSJ). Der Trainer-Einrichtung stehen in der dritten Etage ein
Schulungsraum, ein Computerkabinett, ein Büro sowie eine Bibliothek zur
Verfügung. Während ihres Lehrgangs besichtigten die Kursteilnehmer auch die
Arbeitsräume der DSB-Geschäftsstelle, wo Sportdirektor Horst Metzing sie über
die Tätigkeit von DSB und ECU informierte.


Ein besonderer Gast war Michael Khodarkowsky
aus New York, der dir dortige FIDE-Trainerakademie leitet. Der Kasparow-Freund
nutzte bei seinem Berlin-Aufenthalt die Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch mit
Uwe Bönsch.
Wir sprachen ebenfalls mit dem Großmeister über den aktuellen Lehrgang und
künftige Vorhaben:

Uwe, diesmal ist es ein recht kleiner
Kreis gewesen.
Das muss kein Nachteil sein. In der Regel
haben wir um die zehn Teilnehmer. So eine kleine Gruppe ermöglicht ein optimales
Feedback, so dass jeder einzelne individuell am meisten profitiert. Wir hatten
hier schon Gäste aus vielen Ländern, von Mexiko, über Singapur bis zu exotischen
Staaten Afrikas oder Ländern Nordeuropas wie Island.

Der junge Iraner
Seyed Arash Akbarinia ist erst 21 Jahre alt und macht
einen sehr engagierten Eindruck.
Das Land hat im Schach eine gewaltige
Entwicklung vollzogen, im Männer- und im Frauenbereich. Unter Khomeni stand das
Spiel ja auf dem Index, jetzt haben sie schon fünf Großmeister. Die iranische
Föderation hat sich sogar darum beworben, die Frauenweltmeisterschaft
auszurichten.

Inwiefern ist das realistisch?
Ich vermute eher, dass sie dort nicht
stattfinden wird, denn es gibt gerade in diesem Land Anforderungen, die für
unsere Damen nicht zumutbar sind. Sie müssten dort ein Kopftuch tragen. Hingegen
kann ich mir Herrenturniere in Iran durchaus vorstellen. Es gab ja im Jahre 2000
schon das WM-Finale Anand – Schirow in Teheran.

Noch einmal für die
Nicht-Eingeweihten: Was ist das Besondere an Eurer Berliner FIDE-Akademie?
Wir unterrichten nicht Schach, sondern
konzentrieren uns auf die Ausbildung von Trainern. Das bieten wir weltweit an.
Als Akademie sind wir Teil des Deutschen Schachbundes und Teil der FIDE. Mit
unserer Tätigkeit wollen wir vor allem jenen Ländern helfen, in denen es keine
Ausbildung von Schachtrainern gibt. In Deutschland haben wir ja die A-, B- und
C-Trainerausbildung. Das ist recht gut organisiert, während es in den meisten
anderen Ländern so etwas überhaupt nicht gibt. Und genau diesen Nationen bieten
wir unsere Kurse an.
Welche Titel können erworben werden?
Es geht los mit den FIDE-Instructors. Das
sind Leute, die in Schulen gehen und Kinder trainieren, also Übungsleiter werden
wollen. Dann gibt es die FIDE-Trainer. Sie können in Vereinen arbeiten und auch
Schach-Mannschaften trainieren, die etwas höher spielen. Und die
FIDE-Senior-Trainer haben die höchste Qualifikation. Sie können Nationalteams
betreuen. Für diese Stufe auf Topniveau haben wir bislang noch keine Lehrgänge
angeboten.
Mit dem Isländer Steingrimsson
absolvierte auch ein Großmeister Eure Trainerausbildung. Wie kam es dazu?

Hedinn Steingrimsson hat in Deutschland
studiert. Er lebt in Bonn, ist Bundesligaspieler bei Godesberg und mit einer
deutschen Frau verheiratet. Weil er sich sehr dafür interessiert, wie man mit
jungen Menschen arbeitet, nahm er hier teil. Und genau diese Dinge konnte er in
unserem Kursus mit Erfolg lernen.

Warum haben diesmal drei Schweizer
teilgenommen?
Die Kooperation mit dem Schweizer Schachbund
klappt sehr gut. Für nächstes Jahr planen wir einen kompletten Kursus nur in
unserem Nachbarland. Dort sollen FIDE-Instructors für die Schweiz ausgebildet
werden. Das ist mit den Verantwortlichen schon besprochen worden. Nach der
Schacholympiade, wenn es etwas ruhiger geworden ist, können wir die konkreten
Dinge vereinbaren.

Wo findet der Lehrgang statt?
Es wird in einer Sportschule in der
Mittelschweiz sein. Dort sollen Referenten der Trainerakademie Berlin hinfahren
und die Ausbildung vornehmen. Das kann Juri Rasuwajew oder Adrian
Michaltschischin sein.

Auch IM Michael Richter, der sehr wichtig
für die Computerarbeit ist. Nicht nur, was die Arbeit mit den Programmen von
ChessBase betrifft, sondern auch, wie man Schachtraining über das Internet
organisieren kann. Michael ist ein absoluter Spezialist, und sein Unterricht ist
jedes Mal sehr gefragt.
Es gibt ja jetzt auch immer mehr
Privatschulen, an denen Schach auf ansprechendem Niveau gelehrt wird.
Ja, wir haben in Deutschland etliche
etablierte Schulen. In München, wo die Großmeister Stefan Kindermann und Gerald
Hertneck arbeiten, in Berlin, wo Michael Richter wirkt. In Dortmund gibt es eine
große Schachschule und noch viele mehr. Ich hoffe, man ist mir jetzt nicht böse,
wenn ich nicht alle aufgezählt habe.
Wenn Großmeister Unterricht per Telefon erteilen…
Interview mit dem New Yorker Akademiedirektor Michael
Khodarkowsky

Ein besonderer Gast in Berlin war Michael
Khodarkowsky aus New York, der die dortige Trainerakademie und zwei
Schachschulen für Kinder leitet. Der 49-jährige Schachmeister stammt aus
Russland, lebt aber seit 1992 in New York und arbeitet dort als Schachlehrer.
Khodarkowsky hat auch Bücher verfasst, darunter über Grünfeld-Indisch. Später
kamen in Zusammenarbeit mit Kasparow Lehrbücher für das Schachtraining mit
Kindern hinzu.
Wie nennt sich Ihre Schachakademie?
Sie heißt American Chess University, und ihr
Sitz ist in New York. Darüber hinaus haben wir Schachschulen in New York und New
Jersey. In ihnen lernen insgesamt etwa 700 Kinder. Wir begannen in New Jersey
mit dem Kindertraining und haben die Schule mit den Jahren kontinuierlich
ausgebaut. Später wurde die Trainerakademie nach dem Vorbild von Berlin
gegründet. Dort werden Schachlehrer ausgebildet. Es gibt Seminare bei uns, wo
man die Trainerlizenz erwerben kann. Wenn wir in Manhattan arbeiten, um Trainer
auszubilden, mieten wir spezielle Räume.
Also eine ähnliche Bildungsstätte wie
in Berlin und Singapur?
Wir sind offiziell von der FIDE anerkannt.
Den Unterricht erteilen wir, ihre Zertifikate erhalten die Trainer vom
Weltschachbund. Die Seminare und Workshops erfolgen in Englisch, Russisch oder
Spanisch. Ein Lehrgang und das Zeugnis kosten insgesamt 700 Dollar je
Teilnehmer. In Berlin und Singapur sind die Preise, wie ich hörte, ähnlich. Hier
in Berlin hat mich das hohe Niveau des Unterrichts beeindruckt. Es ist
bemerkenswert, wie gut Schachtrainer an der deutschen Akademie auf ihre Arbeit
mit dem Nachwuchs vorbereitet werden.
Wo liegt in New York der
Hauptschwerpunkt Ihrer Arbeit?
Weil FIDE-Seminare nicht so häufig sind,
erfolgt unsere unmittelbare Tätigkeit im Grunde täglich mit den Kindern, denen
wir Schachunterricht erteilen. Wir unterrichten in Privatschulen und auch an
staatlichen Einrichtungen. Die Kosten dafür werden von den Kindern selbst bzw.
von ihren Eltern getragen.
Wie viele Mitarbeiter haben Sie und
was kosten die Stunden?
Wir haben sechs Schachtrainer, und die Höhe
des Schulgeldes richtet sich nach dem Niveau des Unterrichts. Anfänger im
Gruppenunterricht zahlen beispielsweise zwischen 12 bis 15 Dollar pro Stunde.
Viele Großmeister in den USA, darunter
nicht wenige Exilanten, leben vom Schachunterricht. Manche erteilen ihre
Lektionen per Telefon. Das soll für sie lukrativer sein als Turniere zu spielen.
Völlig richtig. Je nachdem, was der
Großmeister-Trainer für einen Namen hat, erhält er zwischen 50 und 150 Dollar
die Stunde. Es gibt nicht wenige betuchte Eltern, die ihren Kids etwas Gutes
bieten wollen. Deshalb engagieren sie einen hochkarätigen Schachtrainer.
Sie arbeiten eng mit Garri Kasparow
und dessen Chess Foundation zusammen. Unter anderem haben Sie dort Lehrmaterial
entwickelt. Was sind das für Bücher?
Sie richten sich nach dem amerikanischen
Schuljahr, das in der Regel 40 Wochen lang ist. Unser Lehrstoff ist direkt auf
den Schachunterricht in den Schulen zugeschnitten, also unmittelbar für die
Lehrer gedacht, die dort tätig sind. Die Bände 1 und 2 haben je 40 Kapitel, das
heißt, je eines für jede Schulwoche. Jeder Lehrer, ob er nun Mathematik oder
andere Fächer unterrichtet, kann, wenn er Schachstunden gibt, dieses Buch nehmen
und mit ihm in seiner Klasse den entsprechenden Unterricht erteilen. Schritt für
Schritt von den ersten Zügen an.

Wie sind die Bücher aufgebaut?
Der erste Band enthält alle wichtigen
Lektionen und Methoden, die zum Erlernen des Schachspiels notwendig sind. Das
geschieht in Form von Monologen und Dialogen mit den Schülern sowie durch
geeignete Beispiele. Der zweite Band beinhaltet Lektionen und Übungen, die auf
dem ersten Buch aufbauen. Das heißt, die Arbeit wird dort fortgesetzt oder
anders gesagt, sie knüpft an das vorher Gelehrte und Gelernte an. Die Beispiele
des ersten Bandes werden durch die des nächsten ergänzt.
Und das dritte Buch?
Der dritte Band ist nicht so umfangreich wie
die anderen beiden. Ihn haben wir für die ganz Kleinen verfasst, also für Kinder
im Vorschulalter. Es ist wie ein Bilderbuch gestaltet, so dass Kindergarten-Kids
bis zu 5 Jahren mit Hilfe dieser Fibel das Schach spielerisch erlernen können.