Zeitreisen mit der Mega Database
Die ChessBase Mega Database ist nun schon seit Jahrzehnten die Referenz-Datenbank für alle Schachspieler weltweit. Anfang Dezember ist traditionell die Neuauflage erschienen, die Mega Database 2017. Nachdem Matthias Wüllenweber Mitte der 1980er Jahre - also kurz nach der Erfindung des Rades, aber noch vor Beginn des Kommunikationszeitalters - auf seinem "Home-Computer" Atari ST das Schachdatenbankprogramm "ChessBase" erfunden hatte, gehörte das Anlegen einer adäquaten Partiendatenbank, auf der man all die schönen neuen Such- und Speicherfunktionen anwenden konnte, zu den vordringlichsten Aufgaben. Langjährige ChessBase-Anwender werden sich erinnern, dass der Fußballlehrer Felix Magath dabei eine nicht unwichtige Rolle spielte.
Schachbotschafter Felix Magath
Die Geburt der Mega Database
Magath hatte in seiner aktiven Fußballerzeit bei einer längeren Verletzungspause seine Liebe zum Schach entdeckt und wurde nach seinem Karriereende Manager beim Hamburger SV. Zu dieser Zeit war der Hamburger Schachklub die Schachabteilung des Hamburger SV und Magath sorgte dafür, dass den Schachspielern eine stattliche Anzahl von Computern spendiert wurde, damit die Bundesliga-Mannschaft zur Vorbereitung auf den nächsten Gegner, ChessBase nutzen konnte. Die Schachfreunde des Hamburger SK speisten dafür eine Menge Partien aus den damals üblichen Papiervorlagen in die Datenbank ein. Da war quasi die Geburtstunde der Mega-Datenbank.
Besonders in den Frühzeiten der Firma ChessBase GmbH wurde die Datenbank nicht nur durch aktuelle, sondern auch durch viele historische Schachpartien erweitert. Bald sprengte der Umfang der gespeicherten Partien jeden Rahmen. Diesen bildeten damals als Speichermedium die so genannten "Disketten". Eine Diskette hatte eine Speicherkapazität von 1,44 MB (Nein, kein Tippfehler.). In der Anfangszeit wurde das ChessBase-Programm tatsächlich noch mit einer Datenbank auf einer Diskette ausgeliefert. Aber dann war der Umfang natürlich bald so groß, dass die Datenbank nicht mehr auf eine Diskette passte. Was nun? Die findigen ChessBase-Techniker fanden einen Weg, die Datenbank zu zerteilen. Beim Anwender wurde sie wieder zusammen gesetzt. Manchmal klappte das sogar ohne Probleme. Zu dieser Zeit war noch DOS das allgemein verbreitete Betriebssystem. Vom Internet sprach noch kein Mensch.
Spätestens mit dem Siegeszug von Windows war auch Schluss mit der "Diskette". Nun wurden CDs zur Datenspeicherung genutzt, bis man auch hier auf die Kapazitätsgrenzen stieß, dann waren es DVDs. Heute kann man auch alles aus dem Internet "downloaden".
Masse und Klasse
Mit dem Internet hat sich auch das System der Partienerfassung in großen Teilen verselbstständigt. Bei den meisten internationalen und vielen nationalen Turnieren ist das Erfassen und Veröffentlichen von Partien schon selbstverständlich. So ist für die ChessBase-Datenabteilung schon lange nicht mehr die Partienerfassung die Hauptaufgabe, sondern die Editierung. Jeden noch so große Datenbank wird unbrauchbar, wenn die Datenbankroutinen wegen schlechter Editierung ins Leere greifen. Bei den weltweit gespielten Turnieren werden die Partien zwar erfasst, aber bei Weitem nicht fehlerfrei, und vor allem herrschen an den verschieden Turnierorten in unterschiedlichen Ländern ganz unterschiedliche Auffassungen darüber, wie man einen Namen schreibt, ja sogar, was überhaupt der Name ist. Das bringt die ChessBase Daten-Abteilung ins Reine.
Die Mega-Datenbank umfasst über 6,8 Mio. Partien. Im Laufe der Zeit wurden 70.000 Partien von namhaften Autoren kommentiert. Das sind unfassbar große Zahlen. Weder das das Eine, noch das andere lässt sich jemals in einem Leben nachspielen. Kürzlich bekam ich die schöne Partiensammlung von Siegbert Tarrasch: 300 Schachpartien in die Hand und hatte schon hier den Eindruck, dass es einige Zeit dauern würde, die Partien in diesem wirklich dicken Buch alle nachzuspielen. Aber darum geht es in der Mega Datenbank ja auch gar nicht. Der Sinn besteht darin, und jeder Vereins- und Turnierspieler weiß das, für jede Abfrage in der Datenbank Beispielpartien zu finden:
- Ich möchte die moderne Bauernraubvariante im Najdorfsizilianer lernen - hier sind die Partien, der Mega-Updateservice hat auch schon bald die Partie Nakamura-Vachier Lagrave aus den London Chess Classic mit dabei.
- Ich interessiere mich für eine nicht mehr ganz so moderne Variante in der Englischen Eröffnung: Hier sind die Partien, zuletzt sporadisch in den 1990er Jahren gespielt.
- Mein nächster Gegner im Open ist ein GM: Hier sind alle seine Partien, mit Weiß oder Schwarz
- Morgen spiele ich einen Mannschaftskampf gegen einen neuen Gegner: Auch von ihm gibt es höchstwahrscheinlich Partien in der Mega 2017 und ich bekomme Hinweise auf sein Repertoire. Nützlich, selbst wenn ich nur sehe, ob es en Theoriehai ist, oder jemand, der Wald- und Wieseneröffnungen spielt.
Der Nutzen der Mega Database für die Vorbereitung muss keinem ernsthaften Schachspieler noch lange erklärt werden. Auch die Möglichkeiten für das eigene Schachtraining, die Vertiefung des Schachverständnisses mit Hilfe des ChessBase-Programms und seinen vielen Funktionen und der Mega Database als Datenbasis, wird den meisten Schachfreunden bekannt sein, obwohl dies wohl von vielen aus Zeitgründen weniger genutzt wird, als es vielleicht nötig wäre.
10.000 "neue" historische Partien
Die Mega Database 2017 hat aber nicht nur im aktuellen, sondern auch im historischen Teil noch einmal ordentlich zugelegt. Gegenüber der Vorversion sind über 10.000 Partien hinzugekommen, also 33 neue Bücher vom Umgang des Tarrasch-Werkes "300 Schachpartien". Mancher glaubt, aus historischen Partien könne man nichts lernen, aber das ist natürlich falsch. Die neueste Eröffnungstheorie erfährt man dort nicht, das stimmt, aber es gibt großartige Lehrbeispiele in Bezug auf Strategie, Taktik und ganz besonders Endspiele.
Ein anderer Aspekt ist aber für jeden Freund der Schachkultur noch interessanter. Die Mega Database lädt den Schachliebhaber zu Zeitreisen ein. Neben den Partien findet man in der Datenbank viele erläuternde Texte mit Zusatzinformation, manchmal nur mit Tabellen, manchmal mit überraschenden Querverbindungen.
Liste von Datenbanktexten in der Mega. Insgesamt gibt es über 1200 Datenbanktexte
Lasker-Tarrasch, WM-Kampf, Düsseldorf 1908
Einer dieser Texte beschäftigt sich mit Alexander Aljechin und enthält interessante biografische Hinweise. Als nämlich Emanuel Lasker 1908 in Düsseldorf und München seinen WM-Kampf gegen Siegbert Tarrasch spielte, war eine der Besucher Alexander Aljechin. Er spielte in Düsseldorf zur gleichen Zeit das Hauptturnier des Deutschen Schachbundes mit.
Aus einem Datenbanktext über Alexander Aljechin
Hier ist die im Text erwähnte Partie gegen Köhnlein. Die hübsche Schlusskombi hätten Sie sicher auch gefunden:
Friedrich Köhnlein erlangte in der Schachwelt eine gewisse Bekanntheit, dank einer von Martin Beheim-Schwarzbach erzählten Anekdote:
„Da haben wir, was vielen zur Leitschnur dienen mag, den Bericht von dem Zweikampf des gefürchteten Kaffeehausspielers Burletzki überliefert bekommen, der, es soll im Jahre 1908 gewesen sein, aber die Erinnerung daran will nicht verblassen, mit dem süddeutschen Meister Köhnlein einen Wettkampf auf 6 Gewinnpartien ausmachte. Er ging mit starkem Selbstvertrauen und Ichgefühl (das -ch- sprach er mit lautem Gaumenlaut aus) in den Kampf, aber die erste Partie gewann Köhnlein.
Burletzki: "Ich habe einen dummen Fehler gemacht."
Die zweite Partie gewann Köhnlein.
Burletzki: "Alle Partien kann man nicht gewinnen."
Die dritte Partie gewann Köhnlein.
Burletzki: "Ich bin heute nicht in guter Form."
Die vierte Partie gewann Köhnlein.
Burletzki: "Er spielt nicht schlecht."
Die fünfte Partie gewann Köhnlein.
Burletzki: "Ich habe ihn unterschätzt."
Die sechste Partie gewann Köhnlein.
Burletzki: "Ich glaube, er ist mir ebenbürtig."
Beheim-Schwarzbach: Lobrede auf die Besiegten, in "Knaurs Schachbuch"
In einer späteren Runde überspielte der junge Aljechin den "anderen" Lasker, Eduard Lasker auf sehr überzeugende Weise:
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