Zum 100sten Geburtstag von Julio Bolbochan

von André Schulz
20.03.2020 – In diesen Tagen jährte sich zum 100sten Mal der Geburtstag von Julio Bolbochan. Bolbochan spielte wenig Einzelturniere außerhalb seiner Heimat Argentinien, gewann aber mit der Mannschaft bei Schacholympiaden dreimal Silber und zweimal Bronze. Bobby Fischer adelte ihn mit einer Partie in "My 60 memorable games".

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Julio Bolbochan (1920-1996)

Das argentinische Schach nahm nach 1939 einen gewaltigen Aufschwung. Buenos Aires war Gastgeber der ersten Schacholympiade, die nicht in Europa gespielt wurde. Während der Schacholympiade begann in Europa der Zweite Weltkrieg und viele Schachspieler der teilnehmenden Länder blieben lieber im sicheren Argentinien als nach Europa zurückzukehren. Weltklassespieler wie Mieczyslaw, nun Miguel, Najdorf, Erich Eliskases aus Österreich und Herrman Pilnik aus Deutschland spielten nun für Argentinien, verstärkten die argentinische Nationalmannschaft und befruchteten auch die einheimischen Talente. Zusammen mit gebürtigen argentinischen Spielern bildete man nach dem Zweiten Weltkrieg einer der besten Mannschaften der Welt. Bei den Schacholympiaden nach dem Zweiten Weltkrieg gewann Argentinien 1950, 1952 und 1954 Silber hinter der UdSSR und 1958 und 1962 noch Bronze.

Das argentische Team 1952 in Helsinki. Julio Bolbochan steht ganz rechts, neben Eliskases und Najdorf | Fotoquelle: fideamerica.com

Zu den jungen einheimischen Spielern, die von den Einwanderern profitierten, gehörte Julio Bolbochan. Bolbochan wurde am 10. März 1920, vor etwas mehr als 100 Jahren, in Buenos Aires geboren. Auch sein um einige Jahre älterer Bruder Jacobo Bolbochan (1906-1984) war schon ein sehr guter Schachspieler, hatte 1931 und 1932 die argentinische Landesmeisterschaft gewonnen und sein Land zwischen 1935 und 1939 bei drei Schacholympiaden vertreten. Von seinem Bruder hatte Julio Bolbochan das Schachspiel gelernt, als er fünf Jahre alt war.

1938 nahm Julio Bolbochan an den argentinischen U17-Meisterschaften teil und wurde dort Vierter bei 22 Teilnehmern. Noch während des Krieges, 1941, spielten einheimische Spieler mit einigen der in Argentinien gebliebenen Ausländern in Mar del Plata ein stark besetztes Turnier, bei dem sich Julio Bolbochan als Neunter (bei 18 Teilnehmern) schon vor seinem Bruder Jacobo (13ter) platzieren konnte. Gideon Stahlberg gewann vor Miguel Najdorf. 1944 belegte Bolbochan bei einem ähnlich besetzten Turnier im La Plata Jockey Club schon den dritten Platz hinter Najdorf und Stahlberg, ebenso beim Turnier in Mar del Plata 1945. Bolbochan hatte sich als einer der besten Spieler des Landes etabliert.

Julio Bolbochan trat nach dem Krieg in die Fußstapfen seines  Bruders und gewann die argentinische Meisterschaft 1946 und 1948. 1951 teilte er mit Erich Eliskases den ersten Platz bei der Südamerikanischen Meisterschaft. 1961 gewann er diese Meisterschaft erneut.

Die Spieler der argentinischen Meisterschaft 1946 

Bei der ersten Schacholympiade nach dem Zweiten Weltkrieg, 1950 in Dubrovnik, war Julio Bolbochan mit seinem Ergebnis von 11,5 aus 14 maßgeblich am Gewinn der ersten Silbermedaille für Argentinien beteiligt und erhielt für sein Individualergebnis an Brett zwei sogar die Goldmedaille. 1954 bei der Schacholympiade in Amsterdam half er mit 11,5 aus 15 und einer Silbermedaille an Brett zwei bei der Wiederholung des Mannschaftserfolges. In den 1950er Jahren war Argentinien als Mannschaft hinter der UdSSR die Nummer zwei in der Welt.

Die 11. Olympiade in Amsterdam: Endrunde der Gruppe A (17. September); Match Island gegen Argentinien am 17. September. Fridrik Olafsson gegen Miguel Najdorf (Brett 1) und Julio Bolbochan gegen Gudbjartur Gudmundsson (Brett 2) | Foto: http://skaksogufelagid.is


Im Zuge seiner Teilnahmen bei Schacholympiaden absolvierte Julio Bolbochan eine beeindruckende Serie von 50 Partien ohne Niederlage. Bolbochan nahm an insgesamt sieben Schacholympiaden teil, zuletzt an der Schacholympiade in Siegen 1970. 

 

 

 

Seine Invidualturniere spielte Bolbochan fast alle in Argentinien, zumeist in Mar del Plata und Buenos Aires. 

Bei einem Länderkampf gegen die UdSSR im Jahr 1954 traf Julio Bolbochan auf Paul Keres und gestaltete das Treffen mit 2:2 ausgeglichen. Beide Spieler gewannen eine Partie. Zwei Partien endeten remis. 

Bolbochan-Keres an Brett 2

 

1962 hatte Julio Bolbochan sich für das Interzonenturnier in Stockholm qualifiziert. 23 Spieler nahmen teil und spielten im Modus jeder-gegen-jeden (heutzutage undenkbar). Der erst 19-jährige Bobby Fischer gewann mit 2,5 Punkten Vorsprung und besiegte auch Julio Bolbochan in einer strategisch überlegen geführten Partie. Für sein Buch "My 60 memorable games" hat Fischer diese Partie kommentiert. 

 

Ab 1957 betätigte Bolbochan sich auch als Schachjournalist und führte die Schachkolumne "Frente al Tablero" in der Zeitung La Nación in Buenos Aires. Er veröffentlichte mehrere Bücher und betätigte sich als Schachlehrer. 1953 war er Sekundant für Oscar Panno bei der Jugendweltmeisterschaft in Kopenhagen. Panno gewann das Turnier und Bolbochan wird sicher seinen Anteil an diesem Erfolg gehabt haben.

Panno und Bolbochan

Als der Argentinier Carlos Biliecki 1959 an der Jugendweltmeisterschaft in Münchenstein (Schweiz) teilnahm, wurde er ebenfalls von Julio Bolbochan begleitet und unterstütz. Auch Biliecki gewann die Goldmedaille.

Nachdem das Militär 1976 in Argentinien die Macht übernommen hatte, verließ Julio Bolbochan das Land und ging nach Venezuela. Er wurde in Caracas von einer Stiftung für Schachentwicklung angestellt, gab Schachunterricht und organisierte zahlreiche Nachwuchs- und Kinderturniere an an der Capablanca Academy in Caracas und an der Emil Friedman School. Außerdem unterrichtete er über 20 Jahre Schach an der Universität Simón Bolívar, wofür er später ausgezeichnet wurde. Zwischen 1977 und 1989 vertrat Julio Bolbochan seine Wahlheimat Venezuela viermal bei den Maccabiaden in Israel. 

1977 ernannte die FIDE Julio Bolbochan für seine Leistungen ehrenhalber zum Großmeister.

Julio Bolbochan starb am 28. Juni 1996 in Caracas. 

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André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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