Zum 100sten Todestag von Curt von Bardeleben

von Dagobert Kohlmeyer
31.01.2024 – Heute jährt sich zum 100sten Mal der Todestag von Curt von Bardeleben. Als vermögender Privatier gehörte er in den 1880er und 1890er Jahren zu den besten deutschen Schachspielern. Im Ersten Weltkrieg verlor er sein Vermögen und wurde schwer krank. Am 31. Januar 1924 stürzte er aus einem Fenster.

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Vor 100 Jahren: Curt von Bardelebens tragischer Tod

Ein heute fast vergessener Schachmeister stürzte am 31. Januar 1924 in Berlin aus dem Fenster: Curt von Bardeleben. Dass der Berliner im kollektiven Gedächtnis geblieben ist, verdankt er vor allem einer spektakulären Verlustpartie 1895 in Hastings gegen Wilhelm Steinitz, an die wir auch erinnern wollen.

Curt von Bardeleben

Die genauen Umstände seines Todes sind unklar. Den meisten Angaben zufolge starb Curt von Bardeleben durch Suizid. Er soll sich aus dem Fenster seiner im zweiten Stock liegenden Berliner Wohnung gestürzt haben. Durch dieses Ereignis wurde der russische Autor Wladimir Nabokow, der damals in Berlin lebte, zu dem Schluss seines Romans Lushins Verteidigung (1930) inspiriert. Der Selbstmordversion widersprachen allerdings Jacques Mieses und Bernhard Kagan in Nachrufen. So heißt es in Kagans „Neueste Schachnachrichten“, Sonderheft Nr. 2/1924: „Höchstwahrscheinlich hat er, der an hochgradiger Arterienverkalkung litt, einen leichten Schwindelanfall oder Blutandrang nach dem Kopf bekommen und ist, um frische Luft zu schöpfen an das mit einer niedrigen Brüstung versehene offene Fenster getreten, wobei er das Gleichgewicht verlor und hinunterstürzte.“ Curt von Bardeleben wurde am 7. Februar 1924 auf dem Anstaltsfriedhof der Stadt Berlin anonym in einem Massengrab beerdigt. Wer war dieser Schachmeister?

Curt Carl Alfred von Bardeleben wurde am 4. März 1861 in Berlin geboren. Er entstammte einem alten Magdeburger Adelsgeschlecht. Sein Vater war ein hoher Beamter im königlich Preußischen Staatsministerium. Von Bardelebens Eltern zogen von Berlin nach Weimar, wo der Junge sein Abitur erlangte. Mit zehn Jahren hatte er das Schachspiel erlernt und galt schon während seiner Schulzeit als bester Spieler in Weimar. 1880 begann er in Leipzig ein Studium der Rechtswissenschaften, das er 1884 in Berlin fortsetzte, dann aber zu Gunsten der Journalistik abbrach. Curt von Bardeleben erbte ein großes Vermögen, von dem er bequem seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte. So widmete er sich völlig dem Schachspiel. Die Erfolge stellten sich schnell ein. 1881 gewann von Bardeleben als 20-Jähriger das Hauptturnier des Deutschen Schachbundes in Berlin und erhielt den Meistertitel. 1883 siegte er in London im Reserveturnier zum Großen Internationalen Meisterturnier. Von da an bis Ende der 1890er Jahre zählte er zu den besten Spielern Deutschlands. Neben dem geteilten ersten Preis in Leipzig 1888 sind seine größten Erfolge die geteilten Siege in den Meisterturnieren des Deutschen Schachbundes in Kiel 1893 und in Coburg 1904. 1889 unterlag von Bardeleben in einem Wettkampf dem späteren Weltmeister Emanuel Lasker knapp mit 1,5:2,5. Bemerkenswert waren auch sein Unentschieden im Match mit Joseph Henry Blackburne 1895 (+3 =3 −3) und sein 6:4-Sieg über Richard Teichmann 1895.

Beim historischen Schachturnier 1895 in Hastings wurde Curt von Bardeleben zum „Co-Autor“ einer der schönsten Kombinationen der Schachgeschichte. Vor der Begegnung lag er mit 7,5 Punkte aus neun Partien an der Tabellenspitze. Dann kam es zu dieser außergewöhnlichen Partie, in der der „alte Löwe“ Wilhelm Steinitz seine immer noch scharfen Krallen zeigte.

Eine unvergängliche Partie. Das Spiel voller Opfermut mit dem schwebenden Turm erhielt natürlich den Schönheitspreis. „Hier erfüllte sich ein letzter großer Traum von Jugend, Schönheit, Ruhm und Glück, als Steinitz am Ende des heißen 17. August 1895 die schönste Partie gewann.“, schrieb sein Biograf Jacques Hannak.

Der schockierte Curt von Bardeleben flüchtete nach 25.Txh7+ schweigend aus dem Saal und kehrte nicht zurück. Er reichte seine Aufgabe später schriftlich durch einen Boten nach. Die eigentümliche Art der Kapitulation empörte laut Dr. Tarrasch die übrigen Turnierteilnehmer. Wilhelm Steinitz aber zeigte den umstehenden Meistern das Finale seiner brillanten Kombination - ein Matt in zehn Zügen. Ich meine, die Schachwelt sollte aber auch dem Verlierer für sein Mitwirken an diesem großen Kunstwerk danken. An guten Tagen konnte der Berliner jeden Gegner schlagen.

  

  

Vor dem Ersten Weltkrieg zog sich von Bardeleben aus dem Wettkampfsport zurück.

Von Bardeleben in älteren Jahren

Als Theoretiker verfasste er ein „Lehrbuch des Schachspiels“ sowie Bücher über das Damengambit, die Spanische und die Wiener Partie sowie ein Werk über Bauernendspiele. Glaubt man den Schachhistorikern, soll er kein einfacher Zeitgenosse gewesen sein. Der Maestro war dreimal verheiratet und als Exzentriker bekannt. Seine Ehen wurden stets nach kurzer Zeit geschieden. Nachdem Curt von Bardeleben durch die Inflation sein Vermögen verloren hatte, endete sein Leben am 31. Januar 1924, wie oben beschrieben, tragisch. Die Erinnerung an den eigenwilligen Meister als historische Figur der Schachgeschichte bleibt.


Dagobert Kohlmeyer gehört zu den bekanntesten deutschen Schachreportern. Über 35 Jahre berichtet der Berliner bereits in Wort und Bild von Schacholympiaden, Weltmeisterschaften und hochkarätigen Turnieren.