Zum 150sten Geburtstag von Dawid Janowski

von André Schulz
07.06.2018 – Heute vor 150 Jahren wurde Dawid Janowski geboren, zu Beginn des 20. Jahrhunderts einer der besten Spieler der Welt. Janowski war ein geistreicher Angriffsspieler, hatte aber auf anderen Gebieten der Partie auch Schwächen, wie besonders Emanuel Lasker beim WM-Kampf 1910 nachwies. | Foto: St. Petersburg 1914 aus Neue Wiener Schachzeitung

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Der Name von Dawid Janowski, eigentlich Dawid Markelowitsch Janowski, ist den historisch interessierten Schachfreunden vor allem aus seinen Wettkämpfen gegen Emanuel Lasker bekannt. In den Jahren 1909 bis 1910 spielte er drei Wettkämpfe gegen den Weltmeister, der letzte wurde als Titel-Wettkampf ausgetragen. Das erste Match über vier Partien war noch ausgeglichen, dann hatte sich Lasker auf seinen Gegner eingestellt und die beiden folgenden Wettkämpfe verliefen recht eindeutig zugunsten des Deutschen. Aus dem WM-Kampf stammt das berühmte Zitat des Berichterstatters Georg Marco: "Entweder Lasker gewann oder Janowski verlor."

Janowski wurde heute vor 150 Jahren, am 6. Juni 1868 in Wołkowysk geboren, wenn man den heute üblichen gregorianischen Kalender zugrunde legt. Wołkowysk war zu jener Zeit ein Teil von Polnisch-Russland, wo der julianische Kalender gültig war. Nach der damiligen dieser Zählung war der Tag von Janowskis Geburt der 25. Mai.* Janowskis Familie zog später nach Lodz und Anfang der 1880er Jahre nach Warschau. Dort trat Janowski zusammen mit seinem Bruder in einen Schachclub ein. 1886 tauchte er dann erstmals in Paris auf, lebte aber zeitweise auch in Berlin und New York. Ab etwa 1890 war Janowski regelmäßiger Gast im berühmten Café de la Régence. Seine erste in der Mega Database überlieferte Partie datiert aus dem Jahr 1892 und wurde in eben diesem Café gespielt.

Nachdem Janowski die Pariser Meisterschaft gewonnen hatte, wurde er regelmäßig zu großen Turnieren eingeladen. So ist er 1894 einer der Teilnehmer beim Meisterturnier des 9. Schachkongresses des Deutschen Schachbundes in Leipzig. Janowski wurde dort Sechster bei 18 Teilnehmern. Siegbert Tarrasch gewann das Turnier vor Paul Lipke. 1895 gestaltete Janowski einen Wettkampf gegen Jacques Mieses 7:7 ausgeglichen. Nur zwei dieser Partien endeten unentschieden, woran man Janowskis großen Kampfgeist erkennt. In den folgenden Jahren entwickelte Janowski einen schneidigen Angriffstil. Oft reizte er die Partien allerdings auch bis zum Äußersten aus und spielte auch in Remisstellungen riskant auf Gewinn, was nicht selten nach hinten losging und ihn manchen Punkt kostete. Da Janowski aber auch klare Verluststellungen noch lange weiterspielte, in der vagen Hoffnung, der Gegner würde vielleicht noch etwas einstellen, war er bei seinen Kollegen als Gegner nicht sonderlich beliebt. Auch im richtigen Leben war Janowski ein Spieler. Regelmäßig trug er sein Geld in die Spielcasinos, gewann bisweile auch, konnte aber nie rechtzeitig aufhören und verließ nicht selten völlig abgebrannt das Haus.

Nachdem Janowski 1899 beim Turnier in London hinter Lasker geteilter Zweiter wurde, schickte er dem Weltmeister bereits eine erste Herausforderung. Lasker war im Prinzip einverstanden, bei einem Preisgeld von 10.000 Schweizer Franken, doch dann konnte man sich nicht auf die Details einigen und das Match fand erst einmal nicht statt.

In den folgenden Jahren war Janowski auf der internationalen Turnierbühne recht erfolgreich. Er war Dritter bei den Russischen Meisterschaften in Moskau 1901 hinter Tschigorin und Schiffers, gewann das Turnier in Monte Carlo im gleichen Jahr und wurde im nächsten Jahr geteilter Zweiter. 1902 gewann er zudem das Meisterturnier beim 13. DSB-Kongress in Hannover und teilte 1904 beim Cambridge-Springs-Turnier mit Lasker hinter Frank Marshall den zweiten Platz. Beim Meisterturnier 1905 in Ostende belegte er zusammen mit Tarrasch den geteilten zweiten Platz hinter Geza Maroczy.

 

Beim folgenden Turnier in Barmen im gleichen Jahr teilte er mit Maroczy sogar den ersten Platz. Der Statistiker Jeff Sonas sieht Janowski in seiner nachträglich ausgerechneten historischen Weltrangliste im Jahr 1904 zeitweise als besten Spieler der Welt auf Rang eins. Janowski war mit seinem riskanten Angriffsstil besonders gegen die älteren Spieler erfolgreich, während er bei der jüngeren pragmatisch spielenden Generation, bei Spielern wie Lasker, Schlechter oder Capablanca oft an seine Grenzen stieß.

1909 kam ein Wettkampf um die Weltmeisterschaft mit Emanuel Lasker wieder in Sicht. Janowski hatte inzwischen den Kunsthändler Leonardus Solomon kennen gelernt. Dieser stammte aus den Niederlanden, war in den USA mit seinem Kunsthandel zu viel Geld gekommen und hatte sich dort auch mit Frank Marshall angefreundet.

Marshall spielt gegen Janowsky, Leo Nardus schaut zu | Fotoquelle: The Chesspedia

Anfang des neuen war Leonardus Solomon, der sich ab etwa 1910 nur noch "Leo Nardus" nannte, nach Europa zurückgekehrt. Er war bereit, Janowski bei seinen Bemühungen um einen WM-Kampf zu unterstützen. 1909 wurde zunächst ein kleiner Test-Wettkampf mit Lasker über vier Partien organisiert, der 2:2 endete. Es folgte noch im Herbst 1909 ein längerer Wettkampf, den Lasker allerdings doch recht klar mit 6:2 gewann. Janowski und Leo Nardus ließen sich jedoch nicht entmutigen und als mit der Berliner Schachgesellschaft ein weiterer Sponsor gefunden wurde, konnte man für den Herbst 1910 einen Wettkampf auf acht Gewinnpartien vereinbaren. Die ersten zehn Partien sollten in Berlin, die übrigen in Paris gespielt werden. In den ersten zehn Partien in Berlin hatte Lasker dann aber schon sieben Partien für sich entschieden und so verzichtete man auf den Umzug nach Paris. Mit der 11.Wettkampfpartie entschied Lasker den Wettkampf bereits für sich.

 

Die Öffentlichkeit nahm allerdings nur wenig Notiz von diesem Wettkampf, da Lasker das exklusive Recht auf Veröffentlichung der Partie-Notationen für sich beansprucht hatte und die Presse deshalb die Partien nicht abdrucken konnte. Janowski tröstete sich über seine verlorenen Partien im Spielcasino.

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Janowski spielte in den folgenden Jahren einige Turniere in Amerika, belegte beim Turnier in Scheveningen 1913 hinter Aljechin den zweiten Platz und wurde auch 1914 zum Großmeisterturnier nach St. Petersburg eingeladen, wo er allerdings nur die Vorrunde bestritt und sich nicht für die Endrunde qualifizieren konnte. Er war dann auch einer der Teilnehmer beim abgebrochenen 19. DSB.-Kongress, 1914, in Mannheim. Während des Turniers begann der Erste Weltkrieg. Spieler aus den Ländern, mit denen sich das Deutsche Reich nun im Krieg befand, wurden interniert, darunter auch Janowski als Staatsbürger Frankreichs. Er wurde wie Aljechin und einige andere Teilnehmer aber noch im gleichen Jahr in die Schweiz entlassen und begab sich von dort in die USA. Er nahm 1916 beim Rice Memorial teil und wurde geteilter Zweiter hinter Capablanca. Janowski bestritt in Amerika ein paar Wettkämpfe Wettkämpfe mit wechselndem Erfolg und nahm an einigen Turnieren teil, in denen er sich entweder nicht so gut in Szene setzten konnte oder die nicht besonders stark besetzt waren. 1924 gehörte  Janowski dann aber zum Teilnehmerkreis des berühmten New Yorker-Meisterturnier, das von dem inzwischen schon etwas in die Jahre gekommenen Ex-Weltmeister Emanuel Lasker so überlegen gewonnen wurde. Janowski letzter Platz zeugt wohl schon von den kommenden gesundheitlichen Problemen.

1925 kehrte Janowski nach Europa zurück. Hier hatten sich die erschöpften Volkswirtschaften der am Krieg beteiligten Länder zumindest etwas erholt und das Schachleben lebte nach langer Pause wieder ein bisschen auf. Janowski spielte 1925 in Marienbad mit, landete aber weit hinten. Auf dem Semmering 1926 belegte er einen Platz im hinteren Mittelfeld. Sein letztes Turnier bestritt Janowski im Oktober 1926 in Ghent. Im Dezember 1926 wollte er in Hyères noch an einem Weihnachstturnier teilnehmen. Janowski reiste am 19. Dezember schon erkrankt an. Seine vermeintliche schwere Erkältung erwies sich als Tuberkulose im Endstadium. Am 15. Januar 1927 starb er, im Alter von 58 Jahren.

Nachtrag: 

* Es herrscht etwas Verwirrung über das genaue Geburtsdatum von Dawid Janowski. Zur Zeit seiner Geburt gehörte sein Geburtsort Wołkowysk zu Russisch-Polen. In Russland galt bis zur Revolution von 1917 der Julianische Kalender. In dem politisch nicht mehr existierenden Polnisch-Litauen galt zuvor bereits der gregorianische Kalender. In offiziellen Dokumenten wurden im polnischen Teil Russland zum Teil beide Datumsangaben verwendet. Der julianische Kalender ist ungenauer und eilt dem gregorianischen um 13 Tage nach. Die deutsche Wikipedia gibt als Geburtsdatum den 25. Mai 1868 (Julianisch) und den 6. Juni (Gregorianisch) an. Daniel Ackermann gibt in seiner Janowski-Biografie statt dem 6. Juni den 7. Juni an, vertauscht aber das julianische mit dem gregorianischem Datum. Genaue Quellen zu Janowskis Geburt gibt es nicht. Auch das Geburtsjahr ist nicht sicher. Für den Verlauf seiner Schachkarriere ist das genaue Geburtsdatum jedoch unerheblich. Das Datum diente hier nur als Anlass, an diesen interessanten historischen Schachspieler zu erinnern.

 

  


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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