Zum 40sten Todestag von Alberic O'Kelly de Galway

von André Schulz
03.10.2020 – Alberic O'Kelly de Galway war ein belgischer Schachgroßmeister irischer Abstammung. Nachdem Akiba Rubinstein ihm Schachunterricht gegeben hatte, gehörte O'Kelly nach dem Krieg zur erweiterten Weltspitze. Er war der 3. Fernschach-Weltmeister und war später als Schiedsrichter und Autor aktiv. Heute jährt sich sein Todestag zum 40sten Mal. | Fotos: Dutch National Archive

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Eröffnungskenner werden den Namen von O'Kelly vielleicht von der pfiffigen O'Kelly-Variante her kennen: 1.e4 c5 2.Sf3 a6!?. Nach 3.d4 cxd4 4.Sxd4 kann Schwarz e5 spielen, ohne dass eine weiße Figur auf b5 lästig wird und hat im Gegensatz zur Najdorf-Variante seinen Lf8 nicht verstellt. Wenn Weiß allerdings nicht 3.d4 zieht, geht der Zug a7-a6 etwas ins Leere und könnte sich einmal als Tempoverlust erweisen.

O'Kelly Sizilianisch

Ein Überblick über diese interessante Eröffnung von Andrew Martin.

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Auch in der Nimzoindischen Verteidigung ist eine Gambit-Variante nach O'Kelly benannt. 

Beim Klang des Namens, von Alberic O'Kelly de Galway, eigentlich Albéric Joseph Rodolphe Marie Robert Ghislain O'Kelly de Galway - soviel Zeit muss sein, könnte man auf die Idee kommen, er wäre ein irischer Schachspieler gewesen, tatsächlich war O'Kelly aber Belgier, wenn auch irischer und offenbar adeliger Abstammung. Alberich O'Kelly war nach dem Krieg über viele Jahrzehnte der beste belgische Schachspieler und gehörte zur erweiterten Weltspitze.

O'Kellys Vorfahre John O'Kelly de Galway, Offizier in englischen Diensten, kam 1720 nach Lüttich, damals Österreichisch-Niederlande. John O'Kelly konnte seine adelige Familientradition auch in Belgien weiterführen, wo er den erblichen Titel "Ecuyer" (Stallmeister) zugesprochen bekam.

Beide Eltern von Alberic O'Kelly, sein Vater Robert O'Kelly de Galway und seine Mutter Louise le Clement de Saint Marcq, wurden im Jahr 1880 geboren. Die Mutter entstammte ebenfalls einer alten adeligen Familie, die ihre Wurzeln in Nord-Frankreich und den Niederlanden hatte. Alberic O'Kelly de Galway kam am 17. Mai 1911 in Ruisbroek in der Nähe von Brüssel zur Welt. Er war der älteste von insgesamt fünf Geschwistern, hatte drei Schwestern und einen Bruder. 

Mit dem Schachspiel begann O'Kelly, als er 12 Jahre alt war. Er wurde Mitglied im Brüsseler "Cercle L’Echiquire". Dort hatte er Gelegenheit regelmäßig mit Akiba Rubinstein zu trainieren und spielte zudem einige Freundschaftswettkämpfe mit dem nach Belgien ausgewanderten einstigen polnischen Spitzenspieler. So entwickelte sich O'Kelly zum besten Schachspieler Belgiens und war einer der ersten Schachprofis im Westen. 

Zwischen 1937 und 1959 gewann O'Kelly 13 Mal die belgische Landesmeisterschaft. Zudem nahm er erfolgreich an vielen internationalen Turnieren teil. Gemäß den historischen Berechnungen von Jeff Sonas gehörte Alberic O'Kelly Mitte der 1950er Jahre zu den besten 30 Spielern der Welt.

Die Liste seiner Turniererfolge in den Jahrzehnten nach dem Krieg ist beachtlich. Turniere, bei denen O'Kelly aufs "Treppchen" kam, waren unter anderem folgende (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)

Turniersiege beim Hoogoventurnier Beverwijk 1946 und beim Hilversum Zonenturnier 1947, geteilter Erster Hilversum A-Turnier 1947, Sieger Venedig 1947, 3. Platz Buenos Aires 1948, Sieger Saarbrücken 1950, 3. Platz Bled 1950, geteilter Zweiter Hastings 1950-51, Zweiter Hoogovens Bewerwijk 1951, Sieger Dortmund 1951, Zweiter Beverwijk 1952 und Bewerwijk 1953, Dritter Hastings 1953-54, Zweiter Stuttgart 1954, Sieger Dublin 1954, Sieger Ostende 1956, Sieger Ghent 1956, geteilter Dritter Hastings 1956-57, geteilter Zweiter Taragona 1960, geteilter Zweiter Zevenaar 1961, Sieger Utrecht 1961, Sieger Paris 1961-62, geteilter Erster Paris 1963, geteilter Zweiter Malaga 1965, geteilter Erster Palma de Mallorca 1965, Zweiter Lanjaron 1966, Dritter Reykjavik 1966, geteilter Erster Malaga 1966, Sieger Olot 1969, Zweiter Solingen 1973. 

Wenn möglich, führte O'Kelly eine scharfe Klinge.

 

 

 

 

 

 

 

Dublin, 1956: sitzend L-R: J. H. Donner NED, A. O'Kelly de Galway BEL, stehend L-R: H. Golombek ENG, B. H. Wood ENG, W. Heidenfeld RSA, W. Dunphy AUS, J. Keenan IRL, W. Stanton FRG, K. O'Riordan IRL, J. P. Reid IRL, D. O'Sullivan IRL | Foto:

1950 erhielt O'Kelly den Titel eines Internationalen Meisters, 1956 verlieh die FIDE ihm den Titel eines Internationalen Großmeisters.

O'Kelly beim Simultan: Von links nach rechts: Mathieu Salden, Richard Leenen, André Vanlokeren, Louis Willems (Sekretär Liga Limburg), Jacques Colemont (Vorsitzender LL), Jef Coolen (Turnierleiter LL), Tony Coolen,?, NM O'Kelly der Galway. | Foto : Jean Jacobs Archiv

Zwischen 1937 und 1968 vertrat O'Kelly sein Land bei acht Schacholympiaden, mit Ausnahme der Schacholympiade 1937 immer am ersten Brett. In 118 Partien holte er 69 Punkte.

1946, Max Euwe, Alberic O'Kelly, Mikhail Botvinnik | Foto: Durch National Archive

In den 1960er und 1970er Jahren gehörte Alberic O'Kelly zudem über viele Jahre dem Spitzenteam der SG Solingen an und nahm an den deutsche Mannschaftsmeisterschaften, dem Europapokal und in der Bundesliga teil. Sein letztes Turnier war 1979 das BBC-Fernsehturnier.

O'Kellys zweite Schachliebe galt dem Fernschach. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg nahm er an Fernschachturnieren teil. Sein größter Erfolg war der Gewinn der 3. Fernschach-Weltmeisterschaft 1964-65.

1962 wurde O'Kelly Internationaler Schiedsrichter und war unter anderem der Hauptschiedsrichter bei den Wettkämpfen um die Weltmeisterschaft 1966 und 1969 zwischen Tigran Petrosian und Boris Spassky, 1974 beim Kandidatenfinale zwischen Anatoly Karpov und Viktor Kortschnoj. 

O'Kelly war aber auch schon als Schiedsrichter bei der ersten Schacholympiade der Frauen 1957 in Emmen dabei. Für viele Frauen war dies die Teilnahmen an ihrem ersten internationalen Mannschaftswettbewerb oder sogar das erste internationale Turnier überhaupt. Beth Cassidy hat seinerzeit darüber einen lebhaften Bericht verfasst, in dem auch Schiedsrichter O'Kelly eine Rolle spielt. 

"Da war Madame Chaudé de Silans aus Frankreich, und für einige Minuten in ihrer Partie gegen Irland war sie wirklich besorgt. Ihre Mannschaftskameradin neben ihr drückte versehentlich nach ihrem Zug nicht die eigene Uhr, sondern die von Madame de Silans. Deren Gegnerin, Frau Chater vermutete, dass Madame de Silans einen Zug gemacht hatte und antwortete blitzartig mit einem Springerzug, ohne sich überhaupt anzusehen, was ihre Gegnerin gespielt haben könnte. Sie war auch nicht sonderlich beunruhigt, als Schiedsrichter O'Kelly de Galway kam und ihren angreifenden Springer wieder auf sein ursprüngliches Feld zurücksetzte.

Bei ihrer Ankunft in ihrem Hotel in Emmen wurde Fräulein Chater, die übrigens schon 82 Jahre alt ist, darüber informiert, dass sie aufgrund einer früheren Buchung für eine Nacht das Hotel wechseln müsse. Das ärgerte die alte Dame ziemlich und sie machte sich immer wieder ihre Gedanken darüber. Die Sache war eigentlich schon in Bearbeitung. Miss Chater erkannte aber nicht, dass man die Niederländer einfach nicht hetzen kann. Mitte der Woche gab es immer noch keine Neuigkeiten, und als Miss Chater eines frühen Morgens allein saß, kam ein elegant gekleideter Herr vorbei, der sich höflich erkundigte, wie es ihr ginge und ob sie sich im Hotel wohlfühle. Miss Chater strahlte. Endlich passierte etwas. Sie kam schnell zu ihrem Thema und erzählte dem Mann, wie ungemütlich ihr Zimmer sei, erzählte ihm all die intimen Details, die es dazu machten. Sie erklärte ihm auch, dass sie in Emmen sei, um ein Schachturnier zu spielen, und dass solche Dinge so aufregend seien. Zum Schluss fragte sie ihn höflich, ob er auch Schach spielen könne. "Madame", kam die freundliche Antwort, "ich weiß nicht, für wen Sie mich halten, aber ich bin O'Kelly de Galway".

Im Laufe seiner Karriere veröffentlicht O'Kelly auch eine Reihe von Schachbüchern in verschiedenen Sprachen.

Wie viele Schachspieler besaß Alberic O'Kelly ein großes Sprachtalent. Er sprach Französisch, Holländisch, Deutsch, Englisch, Spanisch und Russisch fließend, außerdem recht gut Italienisch. Er war zudem ein großer Weinkenner und lud in seiner Zeit als Schiedsrichter die Spieler auch gerne einmal guten Glas Wein ein. Außerdem liebte O'Kelly Zigarren aus Kuba. Nach der Schacholympiade in Havanna ließ er sich Zigarren mitbringen, die eine Reihen von Spielern für ihn durch den Zoll brachten.

Schon 1958 hatte der belgische König Großmeister Alberic O'Kelly für seine Verdienste um das Schach mit dem belgischen "Kronenorden mit goldenen Palmen" ausgezeichnet. 

In seinen späten Jahren litt O'Kelly an Leukämie. Bei einer Trainingseinheit mit der mexikanischen Nationalmannschaft kam O'Kelly nach einem Schwäche-Anfall in Mexiko-City in ein Krankenhaus, wurde von dort nach Belgien geflogen und starb am 3. Oktober 1980 in einem Krankenhaus in Brüssel.


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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