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Evgeny Sveshnikovs Name ist jedem ernsthaften Schachspieler geläufig, denn nach ihm wurde eines der beliebtesten Systeme der Sizilianischen Verteidigung benannt, die Sveshnikov Variante.
Sie entsteht üblicherweise nach den Zügen 1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 e5 6.Sdb5 d6
Die Stammpartie ist eine Beratungspartie, an der Lasker diese Idee probierte, nicht ganz in der heutigen Form, aber schon sehr ähnlich:
Lynch,JA/Blixen,M - Lasker,Emanuel [B33]
Lasker Emanuel consultation Montevideo, 1910
1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 e5 6.Sdb5 d6 7.a4 Le6 8.Lg5 a6 9.Lxf6 gxf6 10.Sa3 Tc8 11.Ld3 Lg7 12.0-0 Se7 13.Kh1 Sg6 14.Se2 Lh6 15.b4 0-0 16.c4 Kh8 17.Sg3 Tg8 18.Sf5 Lf8 19.Se3 Dd7 20.b5 Sf4 21.Sac2 Tg5 22.g3 Sxd3 23.Dxd3 f5 24.exf5 Lxf5 25.Sxf5 Dxf5 26.Dxf5 Txf5 27.Se3 Tf3 28.Kg2 e4 29.Tfd1 f5 30.Td5 f4 31.gxf4 Txf4 32.Tad1 Tc7 33.Th5 Tg7+ 34.Kf1 Tgf7 35.Td2 Tf3 36.Te2 Lg7 37.Th4 Le5 38.Txe4 Lxh2 39.Kg2 Le5 40.Sg4 Lg7 41.Te7 h5 42.Txf7 Txf7 43.Te8+ Kh7 44.Se3 Ld4 45.bxa6 bxa6 46.Ta8 Ta7 47.Txa7+ Lxa7 48.Sf5 Lc5 49.f4 Kg6 ½-½
Danach geriet die Idee allerdings mehr oder weniger in Vergessenheit, wurde nur sporadisch angewandt, zum Beispiel auch von Georg Kieninger in den späten 1940er Jahren. Mitte der 1950er Jahre kam der nach Argentinien ausgewanderte Tscheche Jiří (Jorge) Pelikán mit dieser Verteidigung daher, wandte sie regelmäßig an und so hieß sie lange Lasker-Pelikan Variante.
In den frühen 1970er Jahren hatten dann die beiden Tscheljabinsker Spieler Gennadij Timoscenko und Evgeny Svesshnikov die Variante weiter ausgearbeitet und spielten sie nun regelmäßig. Zeitweise hieß das System auch Tscheljabinsker Variante, aber letztlich setzte sich die Bezeichnung Sveshnikov-Variante durch.
Gegen alle positionellen Grundsätze nimmt Schwarz einen bleibenden Defekt in seiner Stellung, ein irreparables Loch auf d5 in Kauf, doch die Schwarzspieler wiesen nach, dass Schwarz ausgezeichnete dynamische Kompensation dafür erhält.
Nach dieser Entdeckung dauerte es dann aber doch einige Zeit, bis dieses System auch von der Weltspitze zur Anwendung gebracht wurde. Als dann aber Valery Salov, Alexej Shirov und Vladimir Kramnik Anfang der 1990er Jahre mit großem Erfolg regelmäßig zur Sveshnikov Variante griffen, wurde das System auch auf den Topturnieren salonfähig. Als letzter Spitzenspieler hat sich jüngst auch Weltmeister Magnus Carlsen unter die Anwender gemischt und wählte die Sveshnikov Variante sogar als Hauptwaffe gegen 1.e4, in seinem letzten WM-Kampf gegen Fabiano Caruana.
Heute feiert nun einer der Geburtshelfer, Evgeny Sveshnikov seinen 70sten Geburtstag. Evgeny Sveshinikov wurde am 11. Februar 1950 in Tscheljabinsk geboren. Im Alter von zwei Jahren lernte er schon das Damespiel. Als er fünf Jahre alt war, brachte sein Vater ihm auch das Schachspiel bei. Schon bald war Sveshnikov in der Lage, seinen Vater und auch seinen Großvater zu besiegen, spielte aber nur im Familienkreis. Als Achtjähriger besuchte er dann ein Sommerlager für Kinder und Jugendliche, nahm dort an einem Schachturnier teil und gewann es. Jetzt wurde sein Ehrgeiz geweckt. Sveshnikov besuchte von nun an regelmäßig die Schachgruppe im örtlichen Pionierpalast. Sein Lehrer dort war Leonid Aronovich Gratvohl. Gratvohl emigrierte später nach Israel, aber Sveshnikov behielt den Kontakt zu seinem ersten und auch einzigen Schachlehrer. Nach eigener Beurteilung war Evgeny Sveshnikov kein Wunderkind, sondern lernte nur langsam und durch ständiges Studium des Spiels.
Nach der Schulausbildung studierte Sveshnikov Ingenieurwissenschaften und nachdem er seinen Abschluss gemacht hatte, sollte er, inzwischen 24 Jahre alt, seinen Wehrdienst ableisten. Da er im Schach schon Meisterstärke erreicht hatte, wurde ihm angeboten als Turnierspieler dem Wehrdienst aus dem Weg gehen. Sveshnikov entschied sich für diesen Weg.
Schon mit 17 Jahren hatte Evgeny Sveshnikov erstmals bei einem Finalturnier zur UdSSR-Meisterschaft mitgespielt. Die 35ste UdSSR-Landesmeisterschaft, 1937 in Kharkov wurde ausnahmsweise im Schweizer System gespielt. Im Laufe seiner langen Schachkarriere nahm Sveshnikov an unzähligen weiteren Turnieren teil und entschied laut eigener Aussage über 100 Turniere für sich. So gewann er als Allein- oder Co-Sieger auch die internationalen Turniere Decin 1974, das Tschigorin Memorial 1976, das Capablanca Memorial 1979, die 51ste UdSSR Meisterschaft 1983, Hastings 1984/85, das Tschigorin Memorial 1985, Moskau 1989, Podolsk 1983 und das Keres Memorial (1984). Sveshnikov gewann zudem 2003 und 2010 die lettische Landesmeisterschaft. Zwischen 2004 und 2010 vertrat er viermal Lettland bei Schacholympiaden. 2016 gehörte er an Brett eins zum russischen Siegerteam bei der Mannschaftsseniorenweltmeisterschaft Ü65. 2017 wurde er Senioreneinzelweltmeister Ü65.
Evgeny Sveshnikov 1981 | Dutch National Archive
Ende der 1970er Jahre zählte Evgeny Sveshnikov zu den 25 besten Spielern der Welt. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere hatte er gegen eine Reihen von Spitzenspielern gespielt und dabei zum Teil bemerkenswerte Ergebnisse erzielt. So spielte spielte Sveshnikov gegen Mihail Tal insgesamt 13 mal und hatte dabei eine ausgeglichene Bilanz (+ 3 - 3 = 7).
Aber auch in späteren Jahren blieb er ein gefährlicher Gegner.
1974 wurde Sveshnikov zum Internationalen Meister ernannt, 1987 dann auch zum Großmeister.
Eine kleine Geschichte sagt vielleicht etwas über den Charakter von Evgeny Sveshnikov aus. In dem Buch "Der KGB spielt Schach" berichtet Boris Gulko von seinem Bemühen um eine Ausreise aus der der Sowjetunion und Emigration nach Israel, Ende der 1970er Jahre. Er demonstrierte dafür vor einem Regierungsgebäude in Moskau, zusammen mit seiner Frau. Das Paar wurde schließlich gegen Widerstand von der Polizei weggetragen. Während die übrigen Passanten das schweigend mitansahen, rief Evgeny Sveshnikov, der das ebenfalls mitbekam, den Polizisten mutig zu: "Was machen Sie mit dem Mann? Lassen Sie ihn los! Ich kenne ihn. Er ist ein bekannter Schachgroßmeister." Gulko durfte 1986 die UdSSR verlassen und ging in die USA.
Auch heute noch ist Evgeny Sveshnikov ein aktiver und sehr guter Großmeister, spielte im letzten Jahr bei verschiedenen Seniorenturnieren, aber nicht nur dort mit.
Seiner eigene Eröffnung hat er allerdings nicht die Treue gehalten und hält stattdessen die "Kalashnikov"- Variante (ohne Sf6) für die genauere Version der Idee.
Sveshnikov war zweimal verheiratet und hat vier Kinder. Seine zwei Töchter aus erster Ehe leben in Tscheljabinsk, seine zwei Söhne aus zweiter Ehe in Riga. So pendelt er immer zwischen seiner alten und seiner neuen Heimat hin und her, besucht abwechselnd seine Töchter und seine Söhne. Sein Sohn Vladimirs Svešņikovs trägt ebenfalls den Titel eines Internationalen Meisters und gewann 2016 die lettische Landesmeisterschaft.
Sveshnikov setzte sich zeitweise vehement dafür ein, dass die beiden Spieler einer Schachpartie als intellektuelle Urheber der Partie auch die Rechte auf Verwertung erwerben, konnte sich aber mit dieser Auffassung nicht durchsetzen.